Sandwich belegen ist für Darrin McCowan eine Kulturfrage. Der Mann ist aus Chicago, das schmeckt man.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Wer in Wien einen wahrhaftigen Chicago Dog anbieten will – für Hot-Dog-Adepten eine offenbar eminente Ausformung des Würstelbrots aus jener Stadt, die laut Wikipedia "mehr Hot-Dog-Standeln hat als McDonald’s-, Wendy’s- und Burger-King-Filialen zusammengenommen" –, der kann es gleich vergessen. Oder, wie Darrin McCowan aus Chicago, alles in Kleinchargen selber machen und machen lassen. Was in Chicago an jeder besseren Hausecke aus genormter Industrieware zusammengebaut wird, gibt es in Wien jetzt als sehr fokussiertes Foodie-Projekt aus Handarbeit. Eine Reihe anderer, vor allem in Amerika weltberühmter Sandwiches aber auch.

Hundert Prozent Rindfleisch

Für seinen Chicago Dog fand der Mann aus Chicago in der Ottakringer Fleischerei Landl einen Partner, der die Würste (korrekt "Vienna Beefs") aus hundert Prozent Rindfleisch wurstet und räuchert, natürlich nach der von McGowan vorgegebenen "exakten Chicago-Rezeptur". Sie geraten ganz bemerkenswert knackig und saftig. Die Pickles für das süßsaure "Neon Relish" legt McCowan ebenso wie die "Sport Peppers" (eine Chili-Variante) und die "Dill Pickle Spears" (der Länge nach geviertelte, süßsaure Gurken) selbst ein, Zwiebel und Tomate würfelt und schneidet er akkurat, "as they have to be".

Das Bun, ein unerhört fluffiges, zart angetoastetes Mohnweckerl, bäckt ein befreundeter Hobbybäcker aus einer Art Brioche-Sauerteig. Einzig der Senf, den McGowan reichlich unter die Wurst schmiert, ist unverkleidete Industrieware aus Amerika und akkurat kurkumagelb – von French’s, wie es sich gehört. Ketchup darf übrigens gar nicht in einen Chicago Dog, aber das will man spätestens nach dem ersten "Knack" eh nicht.

Ein hochgradig befriedigender Snack.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Rezeptur aus Chicago, Bier aus Böhmen

Was einem McGowan schließlich serviert, ist nämlich deutlich mehr als die Summe der Zutaten: ein hochgradig befriedigender Snack, mit souverän abgestimmter Wurst-Würz-Kombination und wirklich tollem Brot, der trotz ernsthafter Wurstgröße wie nix inhaliert ist. Dass man sich im Selfservice-Kühlschrank dazu ein Bernard aus Böhmen (echt großes Bier!) oder ein IPA von holländischen und amerikanischen Hipster-Brauereien, aber auch das unerhört süffige Landbier von Georg Schneider & Sohn aus Niederbayern schnappen kann, erhöht das Erlebnis zusätzlich.

Darrin McGowan ist seit 2017 in Wien, die deutsche Sprache scheint derweil wenig Priorität gehabt zu haben. Das spricht für die Wiener und hat für Kunden den Vorteil, dass sich ein außergewöhnlicher Snack mit dem Entrosten der Englischkenntnisse verbinden lässt. Einen veganen Dog hat McGowan auch im Talon, mit erst gegrillter und geräucherter, danach sous-vide gegarter Großkarotte statt der Wurst. Ganz gut!

Speck & Hellman’s

Anderen Sandwiches wird ähnlich obsessive Aufmerksamkeit zuteil. Für sein B.L.T. (steht für Bacon, Lettuce, Tomato), den hierorts kaum verbreiteten Klassiker aus knusprig gebratenem Frühstücksspeck, Salat und Fleischtomate mit nichts als Hellman’s-Mayo als Schmiermittel, räuchert McGowan den Speck selbst, das Weizensauerteigbrot steuert wieder sein Bäcker-Buddy bei. Zwingend einfach, richtig super.

McGowan hat auch in Paris gelebt, also gibt’s "Merguez Royale", mit der fantastisch würzigen marokkanischen Lamm-Rind-Bratwurst, Harissa-Mayo und Salat, statt der im Pariser Klassiker eingesetzten Pommes streut McGowan (obwohl er die, handgeschnitten, ebenfalls im Programm hat) Mini-Frites aus dem Snacksackerl ein. Gültiger, knuspernder Versuch, nimmt man irgendwann, nach den ersten paar Chicago Dogs, sicher gerne. Burger, Corn Dog, Cuban, demnächst gar ein Banh-Mi mit selbst eingesulzter Pâté (bei McGowan "Head Cheese") nach vietnamesischer Rezeptur gibt es auch, die müssen angesichts solch forcierter Fokussiertheit beim Belegen weichen Brotes noch probiert werden. Irgendwann dazwischen halt. (Severin Corti, 27.1.2023)