Die Freisprüche für Christoph Chorherr und 31 andere Angeklagte sorgen für Debatten über die Arbeit der WKStA. Die wünscht sich, dass künftig an einem eigenen Korruptionsgerichtshof verhandelt wird.

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So richtig zur Ruhe kommt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nicht. Drei Jahre ist es her, dass der damalige Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Behörde in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten massiv attackierte. Inzwischen ist Kurz wegen strafrechtlicher Vorwürfe zurückgetreten.

Nun ist es ausgerechnet ein Verfahren gegen einen Ex-Grünen, das der WKStA viel Kritik einträgt. Was passiert ist: Der frühere Wiener Politiker Christoph Chorherr und einige der prominentesten Immobilienunternehmer wurden in einem Korruptionsprozess nicht rechtskräftig freigesprochen. Das Gericht hat keine Beweise gefunden, dass die 31 Angeklagten (inklusive Unternehmen) mit ihren Spenden an Chorherrs gemeinnützigen Verein etwas Strafbares gemacht hätten.

Das Verfahren hat fünf Jahre gedauert und viele Ressourcen verschlungen; etliche Anwälte und andere Kritiker argumentieren, die WKStA hätte das Verfahren einstellen müssen. Was oft unerwähnt bleibt: Die Anklage war von Justizministerium und Weisungsrat genehmigt und vom Oberlandesgericht Wien nach einem Anklageeinspruch zugelassen worden.

Frage der Fehlerkultur

Während Chorherr und die übrigen Angeklagten ihren Freispruch feiern, herrscht in der WKStA nun Katerstimmung. Es gibt auch interne Kritik. Das Auftreten der beiden Staatsanwälte im Prozess wird hinterfragt, und peinliche Fehler in der Anklageschrift sorgen für Unmut: Chorherr wurde etwa als Planungsstadtrat statt als Planungssprecher der Grünen bezeichnet, Unternehmer Michael Tojner um drei Jahre jünger gemacht. Manche Staatsanwälte befürchten, dass diese Ungenauigkeiten in der öffentlichen Wahrnehmung auf ihre eigenen Verfahren abfärben könnten.

Dass Qualitätssicherung und Fehlerkultur ausbaufähig sind, soll man auch in der WKStA wissen. Man müsse dringend ein Projekt zur Evaluierung von Großverfahren aufsetzen und institutionalisieren, fordert ein Staatsanwalt. Dass man sich mit Rechtsmitteln als einziger Form der Fehlerkultur zufriedengebe, reiche nicht. "Die Justiz benötigt ganz allgemein neue Qualitätssicherungsinstrumente", sagt etwa der Vorsteher des Meidlinger Bezirksgerichts, Oliver Scheiber.

Die WKStA sagt dazu, dass nach Abschluss eines Verfahrens mit Referenten in Einzelgesprächen sowie mit Gruppenleitern Ergebnisse, "soweit sie von allgemeiner Bedeutung für die Verfahren der WKStA sind", analysiert und aufgearbeitet werden. In clamorosen Fällen arbeite, soweit möglich, ein Team an Staatsanwälten unter Leitung eines Gruppenleiters, dazu komme die Revision durch die Behördenleitung.

Schwierige Fachaufsicht

Eine Form der justizinternen Kontrolle ist die Fachaufsicht durch die Oberbehörden. Für die WKStA sind da Oberstaatsanwaltschaft Wien und Justizministerium zuständig, in den vergangenen Jahren gab es aber schwere Konflikte. Außerdem tun sich die weisungsbefugten Vorgesetzten bei brisanten Fällen oft sehr schwer einzugreifen. Ein Beobachter bringt das so auf den Punkt: "Wie soll die grüne Justizministerin ein Verfahren gegen den grünen Ex-Politiker Chorherr einstellen? Das würde sofort politisch eingeordnet werden."

Um den Anschein von Befangenheiten und von Interventionen zu vermeiden, gibt es ja Bestrebungen, die politische Weisungsspitze abzuschaffen und eine Bundesstaatsanwaltschaft zu installieren. Deren Ausgestaltung ist aber noch Gegenstand türkis-grüner Verhandlungen. Auch lange Verfahren der WKStA stehen in der Kritik; man nehme nur die Causa Buwog, in der es erst nach zehn Jahren ein Urteil gegeben hat – rechtskräftig ist es noch nicht. Zum Thema Verfahrensdauer jedenfalls hat die Justiz vor einigen Jahren eine Analyse bei der Uni Wien in Auftrag gegeben. Das Gutachten der Arbeitsgruppe dazu soll demnächst fertig sein.

Keine Waffengleichheit in PR-Arbeit

Ein weiteres Problem: Wann immer Verfahren gegen Prominente aufschlagen, melden sich alle zu Wort – nur nicht die Justiz. Ihre Öffentlichkeitsarbeit findet in einem engen Korsett und mit wenigen Ressourcen statt. Von einer Waffengleichheit mit den Möglichkeiten von Beschuldigten, die eine Armada von Staranwälten und PR-Beratern beschäftigen, ist man weit entfernt. "Die Justiz erklärt öffentlichkeitswirksame Verfahren viel zu defensiv, das gehört geändert", sagt Richter Scheiber, der Mitinitiator des Antikorruptionsvolksbegehrens ist. Gefragt nach der Arbeitsqualität der WKStA, sieht er "keine groben inhaltlichen Probleme", was auch für die Gerichte gelte.

In der Antikorruptionsbehörde ortet man aufgrund der jüngsten Freisprüche aber zusehends Schwierigkeiten, die Gerichte von ihrer Rechtsansicht zu überzeugen. Kurznachrichten seien "schnell geschrieben", hieß es von der Richterin, als sie Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in der Causa Stieglitz freisprach. Dabei erklärte WKStA-Chefin Ilse-Maria Vrabl-Sanda erst zuletzt: "Heute sind unsere Tatorte regelmäßig die Smartphones."

Eigener Gerichtshof gewünscht

Liegt die Lösung womöglich in einem Wirtschafts- und Korruptionsgerichtshof, mit spezialisierten Richterinnen und Richtern? Die Idee dafür gibt es schon länger, sie würde auch atmosphärischen Irritationen vorbeugen, die derzeit mitunter entstehen. Denn bei der WKStA gibt es nur Oberstaatsanwältinnen und Oberstaatsanwälte, die mehr verdienen als Strafrichter in der ersten Instanz. Für die WKStA wäre ein solcher Gerichtshof jedenfalls "ein wesentlicher Schritt zur Betonung der erforderlichen speziellen Expertise und Erfahrungen der handelnden Personen" – und ein "Signal" für einen starken Fokus "auf effektive Strafverfolgung" in Wirtschafts- und Korruptionssachen, wie es auf Anfrage des STANDARD heißt.

SPÖ für Stärkung der Justiz

SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim steht dem heutigen Vorschlag der WKStA zu einem spezialisierten Gerichtshof für Korruptionsdelikte offen gegenüber: "In den letzten Jahren haben wir deutlich gesehen, dass Österreich dringend eine Stärkung der unabhängigen Justiz im Bereich der Korruptionsbekämpfung braucht. Das beste Mittel dazu ist eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft. Eine Justizreform mit dieser als Herzstück ist der größte Schritt, den wir in Österreich machen können. Im Rahmen einer solchen breiteren Justizreform wäre ein Gerichtshof für Wirtschafts- und Korruptionsdelikte ebenfalls zu prüfen."

Neos für schärferes Strafrecht

Der stellvertretende Neos-Klubobmann Niki Scherak erklärte, ein eigener Gerichtshof sei für seine Partei "... nicht notwendig. Was es braucht, sind endlich jene Reformen, die unter anderem aus der Arbeit des Untersuchungsausschusses klar hervorgebracht wurden: Ein schärferes Korruptionsstrafrecht, einen unabhängigen und weisungsfreien Bundesstaatsanwalt und wesentlich mehr Ressourcen für die WKStA und das BAK. Daran sollten jetzt alle Fraktionen interessiert sein um das Vertrauen der Menschen in die Politik wiederherzustellen." (Renate Graber, Fabian Schmid, 26.1.2023)