Milo Rau wird ab Juli Festwochen-Intendant. Vor ein paar Tagen erst hatte er Geburtstag, dazu gab es nachträglich eine Sachertorte.

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Die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) bleibt ihrer Linie treu: Nachdem Festwochen-Intendant Christophe Slagmuylder sie nach nur einer Amtsperiode hat sitzen lassen, bestellte sie jetzt den Theatermacher Milo Rau zu seinem Nachfolger. Der Schweizer mag sich zwar ganz anders präsentieren als sein Vorgänger, er ist aber aus einem ähnlichen Holz geschnitzt: ein zutiefst politischer Theatermacher, beheimatet in all den Konfliktregionen dieser Welt, aufs Engste verbunden mit der flämischen Theater- und Performanceszene. Als Rau 2018 das Stadttheater Gent übernahm, startete er mit nichts weniger als mit "Zehn Regeln für ein Stadttheater der Zukunft", angelehnt an Lars von Triers Dogma-Manifest.

Von diesen Regeln ist nicht viel geblieben, der dokumentarische, einem linken Überbau verhaftete Grundton seiner oftmals provokativen Theaterarbeiten wird aber auch die Wiener Festwochen bald prägen. Ob dieser "Jean Ziegler der Bühnenkunst" allerdings damit auch das Herz des Wiener Publikums erreichen wird, wird sich erst weisen müssen. Dieses tickt oftmals etwas anders, als dies ideologisch sendungsbewusste Theatermenschen und ihre politischen Fürsprecher wünschen. Zumal jetzt, nach Ende der Corona-Krise, der Wunsch nach großen, sinnlichen und überwältigenden Theatermomenten besonders laut zu hören ist.

Kleine Weltentwürfe haben Milo Rau in der Tat nie interessiert, ob der ruandische Völkermord oder der kongolesische Bürgerkrieg: Es waren immer die globalen Zusammenhänge, die er im Visier hatte. Das schätzt das Publikum auch bei den Wiener Festwochen, wo Rau bereits oft zu Gast war. Diese wird er aber nur dann – nach der veritablen Krise der letzten sechs Jahre – wieder zum Strahlen bringen, wenn er auch der Sinnes- und Spiellust dieser Stadt Rechnung trägt. Ebendiese hat die Kulturstadträtin in den vergangenen Jahren bei den meisten Postenbesetzungen kaum im Blick gehabt. Die weitere politische Laufbahn von Veronica Kaup-Hasler wird auch daran zu messen sein, ob sie diese in Hinkunft befriedigen kann. (Stephan Hilpold, 27.1.2023)