Spätestens am Dienstagnachmittag war klar, dass die niederösterreichische Sozialdemokratie um Andreas Babler nicht herumkommt: Mit 21.000 Vorzugsstimmen hat der Traiskirchner Bürgermeister nur geringfügig weniger persönliche Unterstützung als der rote Spitzenkandidat Franz Schnabl (24.000 Stimmen).

Wohl auch deshalb soll Babler den Reformprozess in der niederösterreichischen SPÖ leiten: Schnabl ist am Montag zurückgetreten, der Landesparteivorstand hat Sven Hergovich als seinen Nachfolger designiert – mit dem 34-jährigen Neo-Parteiobmann wird vorerst die Parteispitze deutlich verjüngt.

Babler soll nun auch den Rest der Organisation auffrischen: "Das war ein ganz ein wichtiger Trieb, dass wir diese Partei endlich entkrusten, entstauben und für die Zukunft ganz anders aufstellen", sagt der Bürgermeister in einem Video, das er in sozialen Medien gepostet hat.

Sven Hergovich, der neue Chef der SPÖ Niederösterreich, setzt den populären Bürgermeister Andreas Babler als Parteireformer ein – und verschafft ihm ein Mandat im Bundesrat.
Foto: Helmut Fohringer

Babler wird außerdem von der Landespartei in den Bundesrat geschickt. Das habe er sich selbst gewünscht, die Aufgabe bezeichnete er als "spannend". Auch wenn das kein Attribut ist, das mit der Länderkammer des Parlaments üblicherweise in Verbindung gebracht wird, sieht der Bürgermeister darin einige Chancen.

Allen voran deshalb, weil die türkis-grüne Koalition durch das schlechte Ergebnis der ÖVP in Niederösterreich ihre Mehrheit im Bundesrat verlieren wird – und die Opposition dort bestimmte Regierungsvorhaben zumindest verzögern, manche Materien auch ganz verhindern wird können. Bei knappen Abstimmungen im Bundesrat hätte Babler theoretisch auch die Möglichkeit, Druck auf die Bundespartei auszuüben.

Als Listenletzter hatte Babler vor der Wahl seinen eigenen Wahlkampf geführt. Sein Ziel: so weit auf der Landesliste vorzurücken wie nur möglich, um in der Partei ein Zeichen zu setzen. Er gilt als Anhänger des linken Flügels in der SPÖ und sparte nicht mit Kritik an Schnabl als Chef. Die Sozialdemokraten konnten in Traiskirchen einen Zugewinn von rund drei Prozentpunkten verzeichnen, Babler sammelte allein dort 3500 Vorzugsstimmen.

Andreas Babler kommt mit 21.000 Vorzugsstimmen nahe an Schnabl heran.
Foto: Der Standard

Statut im Weg

In den Landtag einziehen wird Babler definitiv nicht. Zudem will er Bürgermeister in Traiskirchen bleiben. Nach den SPÖ-Statuten ist der Ortschefposten in einer Gemeinde mit über 15.000 Einwohnern nicht mit einem Landtagsmandat vereinbar. Das regeln die Sozialdemokraten übrigens auch für das Nationalratsmandat so.

Würde Babler ein Landtagsmandat annehmen, müsste er nach dem Statut das Amt des Bürgermeisters aufgeben. Genau das hat der Sozialdemokrat aber von Anfang an ausgeschlossen. Und Babler bekräftigt seine Ankündigung, das Gehalt für ein neu gewonnenes Mandat sozialen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen.

Der am Montagabend als neuer Parteichef vorgestellte Sven Hergovich dürfte schon seit längerer Zeit als Schnabls Nachfolger vorgesehen gewesen sein – allerdings hätte er wohl erst in zwei bis drei Jahren die Partei übernehmen sollen.

Posten vakant

Das tut er nun früher – und in einer schwierigen Phase. Der Frust an der Basis ist nicht erst seit der Wahlschlappe vom Sonntagabend groß. Durch das Wahlergebnis verlieren die Roten ein Mandat im Landtag, ihre zwei Sitze in der Landesregierung behalten sie hingegen.

Einen davon soll Hergovich selbst übernehmen, er übersiedelt dafür extra von Wien nach St. Pölten. Der zweite ist dem Vernehmen nach Gegenstand von Diskussionen: Hergovich erklärte auf STANDARD-Nachfrage, dass er sich sein eigenes Team zusammenstellen wolle. Ulrike Königsberger-Ludwig, die bisherige zweite rote Landesrätin, habe einen guten Job gemacht, sei aber nicht fix in dieser Position. Schon im Wahlkampf hatten Gerüchte die Runde gemacht, dass die Sozialrechtsexpertin und ehemalige Ministerin Ines Stilling für die SPÖ in die Landesregierung einziehen könnte. All diese Personalentscheidungen will Hergovich in den kommenden Wochen fällen.

Sparen ist angesagt

Dem Ökonomen stehen auch einige schwierige wirtschaftliche Entscheidungen bevor. Denn die Verluste bei der Wahl bedeuten für die SPÖ schwere finanzielle Einbußen. Rund eine halbe Million Euro weniger haben die Roten an Klub- und Parteiförderung in Niederösterreich zu erwarten. Damit stehen der Partei in Zukunft etwa 5,6 Millionen Euro zu. In der Partei wird bereits über Sparmaßnahmen gemutmaßt, beliebt machen sich Parteichefs mit solchen Dingen üblicherweise nicht.

Bei den anstehenden Verhandlungen über eine Regierungszusammenarbeit könnte der SPÖ eine mächtige Rolle zukommen. Die Freiheitlichen verweigern ja die Wiederwahl von Johanna Mikl-Leitner, diese bräuchte also jedenfalls die Stimmen der Roten. Das wird es den Sozialdemokraten auch erleichtern, einflussreiche und prestigeträchtige Kompetenzen in der Landesregierung zu bekommen. Mit Johanna Mikl-Leitner habe er jedenfalls ein gutes Arbeitsverhältnis noch aus seiner Zeit als Chef des niederösterreichischen Arbeitsmarktservice, sagte Hergovich. (Sebastian Fellner, Max Stepan, 1.2.2023)