Überschuldung und Armut treten meist gemeinsam auf. Während eines Privatkonkurses müssen Betroffene den Gürtel enger schnallen.

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Es ist ein schwerer Weg, zu einer Schuldnerberatung zu gehen und sich in weiterer Folge über einen Privatkonkurs einer überbordenden Schuldenlast zu entledigen. Insgesamt 8.176-mal war dies im Vorjahr in Österreich der Fall, geht aus einer Erhebung des Gläubigerschützers KSV 1870 hervor. Damit wurden um mehr als 13 Prozent mehr Verfahren eröffnet als 2021 – und Experten erwarten, dass es heuer wegen der Inflationswelle noch einmal deutlich mehr werden.

Auffallend bei den Vorjahresdaten ist, dass zwei von drei Insolvenzen Männer betreffen und ihre Schuldenlast mit durchschnittlich 131.000 Euro mehr als doppelt so hoch ist wie jene von Frauen. "Auch wenn wir uns aktuell in sehr volatilen Zeiten befinden, so sind es vor allem Männer, die mit einer gewissen Konstanz Schulden aufbauen und diese in weiterer Folge häufig nicht mehr bedienen können", sagt Karl-Heinz Götze, der beim KSV 1870 den Insolvenzbereich leitet. Aber wieso betrifft Überschuldung vor allem männliche Zeitgenossen?

Selbstständigkeit als häufigster Grund

Der häufigste Grund für Privatkonkurse von Männern ist Götze zufolge frühere Selbstständigkeit, die 31 Prozent der Insolvenzen verursacht. Dahinter folgt eigenes Verschulden, also die Überschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit und das Konsumverhalten. "Männer sind nicht so risikoavers wie Frauen", fasst Götze zusammen.

Dass damit nicht nur ein Klischee bedient wird, bestätigt auch Bernadette Kamleitner, Konsumentenforscherin an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien. Empirische Daten würden darauf hindeuten, dass Männer mehr Risiko eingingen.

"Über Einzelpersonen kann man natürlich nichts sagen. Aber durchschnittlich begeben sich Männer dadurch eher in Settings, in denen ein Risiko der Überschuldung entsteht. Wo man etwas gewinnen kann, kann man eben auch etwas verlieren", resümiert sie. Dass die verstärkte Risikoaversion von Frauen stets zwei Seiten hat, betont auch Götze: Einerseits verringere es die Gefahr der Überschuldung, mitunter lasse man damit aber auch die Chancen aus, die mit dem Schritt in die Selbstständigkeit verbunden sind.

Vorsicht statt Nachsicht

Ferdinand Herndler, Chef der Schuldnerhilfe Oberösterreich, verweist auch darauf, dass Männer, etwa wegen der Kinderbetreuung der Frauen, öfter im Berufsleben stehen und durchschnittlich über höheres Einkommen verfügen. "Sie verdienen mehr und bekommen auch die höheren Kredite", erklärt Herndler. Damit ist auch die Fallhöhe bei Einkommensverlusten wie Arbeitslosigkeit größer.

Ob Männer im Schnitt länger zuwarten, bevor sie eine Schuldnerberatung aufsuchen, ist für den Experten zwar nur eine "Hypothese", der er aber etwas abgewinnen kann. Jedenfalls betont Herndler, wie wichtig es sei, finanzielle Probleme möglichst früh anzugehen. Wegen der "Kosten-Zins-Spirale" würden sich bei Betroffenen die Schulden etwa alle vier Jahre verdoppeln.

Selbstüberschätzung vornehmlich männliches Problem

Um Schulden überhaupt zu vermeiden oder zumindest gering zu halten, hilft auch eine realistische Selbsteinschätzung. Doch vor allem bei Männern gibt es WU-Expertin Kamleitner zufolge einen Hang zur Selbstüberschätzung. Der sogenannte Confidence-Bias sei durchschnittlich höher ausgeprägt.

Eine mögliche Folge: "Die damit einhergehende Zuversicht bezüglich der eigenen Fähigkeiten kann dazu führen, dass man die Ernsthaftigkeit der finanziellen Lage erst spät realisiert oder wahrhaben will." Das Problem vor sich herzuschieben ist dadurch gewissermaßen vorprogrammiert.

Doch gerade ein schnelles Handeln zahlt sich aus. Wird innerhalb von 30 Tagen nach Gerichtsbescheid eine anerkannte Schuldnerberatung aufgesucht, besteht seit Mitte 2021 die Möglichkeit, ein etwaiges Abschöpfungsverfahren im Privatkonkurs auf drei Jahre zu verkürzen. (Nicolas Dworak, Alexander Hahn, 1.2.2023)