Das Leben ist zu kurz für mittelmäßige Mozzarella. Gute Laune gibt es in der Alser Straße sogar gratis dazu.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Oh Madonna, la Mozzarella! In Apulien, wo an jeder Ecke ein Caseificio den weltberühmten Brühkäse aus hauseigener, tagesfrischer Fertigung feilbietet, ist sie Religion und Grundnahrungsmittel in einem. Kleinkinder dürfen lang vor dem ersten Zahn dran nuckeln, die Alten tun es noch lange nach dem letzten ebenso. Alles dazwischen ist sowieso süchtig. Echte, von Hand in der brühheißen Lake gezogene Mozzarella: Das ist Süditalien in seiner reinsten, aus purer Milch erschaffenen, Elixier gewordenen Form.

So kulturfern kann ein Apulier gar nicht sein, als dass es ihm einfiele, den in seiner Lake schwimmenden Glücksball im Kühlschrank aufzubewahren. Alles Aroma würde solcherart flöten gehen, statt göttlichem Milchduft bloßer Gummikäse daraus werden! Ganz frisch ist natürlich am besten, zwei oder drei Tage in der brüllenden Sommerhitze hält frische Mozzarella in der Lake aber locker aus. Manche schätzen den funky fermentierten Stich sogar besonders, der sich in der Glut des Sommers nach und nach in milde Wucht der Milch webt.

Scamorza, Provolone und Stracciatella

Pasquale und Gianni Valentino stammen aus Santeramo in Colle, einem Nest unweit von Altamura (wo das legendär haltbare Hartweizenbrot des italienischen Südens herkommt). Auch Nicola Andriola stammt von da. Während Pasquale und Gianni schon seit vielen Jahren in Wien leben, der eine die längste Zeit als Projektleiter für das Innendesign der Erste-Filialen, der andere als Pizzabäcker in der Pizza Mari’ oder Disco Volante, hat Nicola mit seinen 62 Jahren auf das Deutschlernen bislang verzichtet. Der Mann ist erst seit vergangenem Jahr in Wien, von Berufs wegen muss er auch nur mit der Milch kommunizieren. Als Mastro Casaro ist er dafür zuständig, Mozzarella und andere, apulische Formen der Milch wie Scamorza, Provolone oder Stracciatella werden zu lassen.

Die längste Zeit seines Lebens machte Nicola das zu Hause, in Santeramo, seit September des Vorjahrs ist er in eine Molkerei auf der Alser Straße umgezogen. Die Rohmilch stammt von einem Kuhbauern aus Laab im Wienerwald, ansonsten hat sich aber wenig geändert. Wobei, Moment: Mozzarella ungekühlt aufbewahren, das gilt hier als lebensmitteltechnischer Irrsinn, einer grenzdeutschen Industrienation nicht würdig und natürlich verboten. Also lächelt Nicola Andriano sein müdes Lächeln und kühlt die köstlichen Knödel eben runter. Sollen sie doch essen, was sie wollen, die Barbaren!

Eine Auswahl Käsegenuss.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Weißer Riese

Das tun wir. Es gibt Fior di Latte in herzigen Zöpfen und unverschämt cremige Ricotta in entzückenden Kleinförmchen, es gibt Cacioricotta und Provolone, und demnächst, weil er (obwohl norditalienisch) halt gar so gut ist, sogar Taleggio aus eigener Fertigung. Stracciatella, für den Fäden von der Mozzarella mit extradickem Obers vermengt werden, sind die wohl sündigste Form der Milch, die man in sich hineinlöffeln oder auf ein kräftig geröstetes Weißbrot schmieren darf. Burrata ist fast dasselbe, nur halt in Mozzarellaform, mit der Obersgemeinheit als Fülle. Focaccia bäckt Gianni, wenn es die Zeit erlaubt, zu paradeisiger Perfektion. Leider ist abends fast immer zu viel los für solche Spompanadeln. Dafür gibt es zum Frühstück warme Cornetti, gefüllt mit Zitronenricotta.

Crostini mit Lardo, Panini mit dem besten Südtiroler Speck diesseits des Brenners, ganz fantastische, über Holzkohle gegrillte Artischocken aus dem Glas aber gibt es immer und auf jeden Fall. Und beim Negroni-Rühren sind die Brüder schon sehr fortgeschritten. Kein Wunder, dass die winzigen Wandboards und die schmale Schank allabendlich mit "Reserviert"-Schildern verstellt sind. Doch es sind alle willkommen, solange die Türe noch zugeht. (RONDO, Severin Corti, 10.2.2023)