Volkan Kahraman: 1979 – 2023

APA/HERBERT P. OCZERET

Volkan Kahraman war einer jener Fußballer, die sich immer rechtfertigen mussten. Nicht weil es an den Fähigkeiten oder am Talent mangelte. Ganz im Gegenteil. Gerade deshalb. "Warum haben Sie nicht mehr aus Ihrem Talent gemacht?", wurde er immer wieder gefragt. Der türkischstämmige Wiener galt als einer der talentiertesten Kicker seiner Zeit. Und scheiterte auch irgendwie an genau dieser. War es doch eine Zeit im Fußball, in der Talent, Technik und Spielwitz nicht mehr ausreichten, um eine ganz große Karriere zu zünden.

Kahraman wurde am 10. Oktober 1979 in Wien geboren, verbrachte seine Kindheit und Jugend kickend in den Parks der Venediger Au rund um den Praterstern. Nach einem Gastspiel in der Schülerliga rief die Wiener Austria. Kahraman folgte dem Ruf, wurde bald aus der violetten Jugend ins Nachwuchsnationalteam einberufen. Bei einem Turnier spielte sich der Linksfuß in die Aufmerksamkeit von Feyenoord Rotterdam: Probetraining in Rotterdam, erster Profivertrag mit 17 Jahren, ordentlich Vorschusslorbeeren. Das Talent würde für zwei Karrieren reichen, hätte man damals gesagt.

90er TV

Kahraman war ein Zangler, ein Mittelfeldspieler mit einem starken linken Fuß und einer noch stärkeren Technik. Das Problem war: Kahraman wusste das. Mit dem Wechsel zu Feyenoord ging der junge Mann auf die Reise durch Fußballeuropa. Von Feyenoord wurde er an den Satellitenklub Excelsior Rotterdam verliehen, in der zweiten niederländischen Liga absolvierte er 47 Partien, eher er zu Trabzonspor in die Türkei wechselte. Über seine nächste Station Erzurumspor (ebenfalls in der Türkei) ging es zurück nach Österreich zu Pasching in die zweite Liga. Und dort zündete Kahraman so richtig.

Meister mit der Austria

Pasching, der oberösterreichische Dorfverein, war auf der Überholspur und Kahraman ein wichtiges Rad am Wagen von Coach Georg Zellhofer. Der erzählte im Fußballmagazin "Ballesterer" von seiner Zeit mit Kahraman: "Er ist zwischen Genie und Wahnsinn geschwankt." Der Mittelfeldspieler galt als eigenwillig, eckte immer wieder an. Zellhofer: "Dann musst du dir überlegen: Wie viele Kahramans verträgt eine Mannschaft?" Für Hans Krankl war die Antwort: einen.

Der damalige ÖFB-Teamchef berief den Wiener ins A-Nationalteam ein, am 21. August 2002 feierte er gegen die Schweiz sein Debüt, steuerte nach seiner Einwechslung den Assist zu Roman Wallners Tor zum 2:3 bei. Insgesamt brachte es Kahraman auf drei Einsätze im Nationalteam. 2003 wechselte Kahraman von Pasching zurück zu seinem Jugendverein Austria Wien. "Die Austria war mein Ziel, jetzt möchte ich mir hier einen Namen machen", sagte er damals.

Ambitionen waren auch bei den Veilchen angesagt, unter Mäzen Frank Stronach sollten Erfolge eingefahren werden. Das gelang: Mit Trainer Christoph Daum holte man den 22. Meistertitel. Kahraman zog weiter, über Salzburg noch einmal ins Ausland zu Xanthi und wieder zurück nach Oberösterreich (LASK, Pasching). Nach einigen Stationen im Unterhaus beendete Kahraman früh, mit 27 Jahren, seine Karriere.

Wahl mit der ÖVP

Der Wiener blieb dem Fußball erhalten. Über die Schwierigkeiten seiner aktiven Karriere wusste Kahraman Bescheid: "Ich habe den Fußball immer anders gesehen als meine Trainer und nicht immer gemacht, was von mir verlangt wurde. Dazu gehörte sicher auch die Laufarbeit", sagte er einst zum STANDARD. Und: "Ich war oft verletzt und habe oft mit Trainern gestritten." Kahraman wurde als 29-Jähriger Teammanager bei Purbach, absolvierte die Trainerausbildung und gründete 2010 den Verein Besiktas Wien. Es ging ihm dabei "auch um Integration und Inklusion", wie er dem "Ballesterer" erzählte.

Kahraman war auch politisch aktiv: 2015 wurde er für die Plattform Gemeinsam für Wien (GfW) in den Simmeringer Bezirksrat gewählt, 2016 zog es ihn zur ÖVP, für die er 2017 auch bei der Nationalratswahl antrat. Am Mittwoch wurde Kahraman im Alter von 43 Jahren in Wien-Simmering von einem 46-Jährigen erschossen. Der Täter hat anschließend Suizid begangen. (Andreas Hagenauer, 8.2.2023)