Kanadas Premier Justin Trudeau steht im Austausch mit US-Präsident Joe Biden.

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Ottawa/Washington – Kanadische und US-amerikanische Streitkräfte haben am Samstagnachmittag (Ortszeit) ein weiteres unbekanntes Flugobjekt abgeschossen, diesmal über dem Norden Kanadas. Das teilte der kanadische Premier Justin Trudeau mit. Er habe mit US-Präsident Biden über das Flugobjekt gesprochen. Das Weiße Haus teilte mit, Biden und Trudeau hätten den Abschuss am Samstag gemeinsam genehmigt. Das Objekt sei aus Vorsicht und auf Empfehlung des Militärs abgeschossen worden.

Am Sonntag gab Trudeau bekannt, dass Suchmannschaften nach dem als "zylinderförmig" beschriebenen Objekt suchen: "Es ist noch sehr viel unbekannt, daher ist es besonders wichtig, das Objekt zu analysieren." Der US-amerikanische Mehrheitsführer im Senat Chuck Schumer teilte mit, dass der Flugkörper und der, den das US-Militär am Freitag über Alaska abgeschossen hatte, Ballons gewesen sein dürften. Beide Objekte seien kleiner gewesen als der mutmaßliche chinesische Spionageballon, der vor einer Woche vor der Ostküste der USA abgeschossen worden war. Herkunft und Ziel der beiden Flugkörper war vorerst ebenso unklar wie die Frage, ob sie in Zusammenhang zu dem chinesischen Ballon stünden.

Am Sonntagnachmittag (Ortszeit) sperrte die US-Luftfahrtbehörde FAA den Luftraum über dem Lake Michigan und erklärte ihn zur nationalen Verteidigungszone. Weitere Details wurden vorerst nicht bekannt.

Unterdessen bereitet sich auch China einem Medienbericht zufolge auf den Abschuss eines unbekannten Flugobjekts vor. Wie die Tageszeitung "Global Times" unter Berufung auf eine lokale Schifffahrtsbehörde berichtete, wurde das rätselhafte Flugobjekt am Sonntag vor den Gewässern der bezirksfreien Stadt Rizhao in der Provinz Shandong gesichtet. Fischer wurden in einer Nachricht dazu aufgefordert, besondere Acht auf ihre Sicherheit zu geben.

Zunächst gab es keine weitere Informationen dazu, um was für ein Flugobjekt es sich handelte. In Chinas sozialen Medien war die Nachricht am Sonntagabend das meist diskutierte Thema, allein auf der Online-Plattform "Weibo" klickten innerhalb weniger Stunden mehrere Millionen User auf den entsprechenden Hashtag.

Objekt in etwa zwölf Kilometern Höhe abgeschossen

Das abgeschossene Flugobjekt in Kanada war am Samstag über dem Gebiet Yukon im Nordwesten des Landes abgeschossen worden. Das Objekt sei in den vergangenen 24 Stunden vom Nordamerikanischen Luftverteidigungskommando Norad genau überwacht worden, hieß es aus Washington. In einem Telefonat hätten Biden und Trudeau darüber gesprochen, wie wichtig es sei, das Objekt zu bergen, um weitere Einzelheiten über seinen Zweck und seine Herkunft zu erfahren. Norad bestätigte zunächst einen Medienbericht nicht, dass womöglich auch nach einem zweiten Objekt gesucht werde.

Trudeau schrieb auf Twitter, dass an dem Abschuss kanadische und amerikanische Kampfjets beteiligt gewesen seien. Ein amerikanisches F-22-Flugzeug habe dann auf das Objekt gefeuert.

Die kanadische Verteidigungsministerin Anita Anand sagte, dass das Flugobjekt über Kanada in rund zwölf Kilometern Höhe abgeschossen worden sei. Auch das Objekt vor der Küste Alaskas war in dieser Höhe unterwegs – beide sollen unbemannt gewesen sein. Die Ministerin nannte das Objekt außerdem klein und sprach von einer "zylindrischen Form". Auch das hat es mit dem zuvor abgeschossenen Objekt gemeinsam. Medien berichteten unter Berufung auf US-Regierungsvertreter, dass dieses ebenfalls zylindrisch gewesen sei. Außerdem soll es silbergrau gewesen sein und die Größe eines Kleinwagens gehabt haben. Damit unterscheiden sich die beiden Objekte in Flughöhe und Größe deutlich von dem chinesischen Ballon.

Schwierige Bergung

Die Bergung beider Objekte war am Wochenende in vollem Gange. Besonders die Bergung des vor Alaska abgeschossenen Flugkörpers gestaltete sich als schwierig. Sie werde durch die "arktischen Wetterbedingungen" erschwert, teilte der Kommandostab Northern Command (Northcom) mit. Dazu zählten eisiger Wind, Schnee und eingeschränktes Tageslicht. Die Bergung der Trümmerteile finde auf dem Meereis statt.

Northcom betonte, noch keine weiteren Informationen zu dem Objekt zu haben: "Zurzeit liegen uns keine weiteren Details über das Objekt vor, einschließlich seiner Fähigkeiten, seines Zwecks oder seines Ursprungs." Die US-Regierung hatte den Abschuss des Flugobjektes über dem Bundesstaat Alaska am Freitag damit begründet, dass der zivile Flugverkehr gefährdet gewesen sei. Der Vorfall erinnerte an den mutmaßlich für Spionagezwecke eingesetzten chinesischen Ballon, der vor einer Woche von der US-Luftwaffe vom Himmel geholt worden war.

Vorübergehende Sperrung des Luftraums über Montana

Im Anschluss an den neuerlichen Abschuss sorgte die vorübergehende Sperrung des Luftraums über dem US-Bundesstaat Montana für Aufregung. Am Samstagabend (Ortszeit) sperrte die Flugaufsichtsbehörde FAA vorübergehend Teile des Luftraums über dem US-Bundesstaat Montana. Die Sperrung erinnerte an das Vorgehen des US-Militärs vor dem Abschuss des chinesischen Ballons.

Allerdings gab Norad schnell Entwarnung. Es habe eine "Radaranomalie" gegeben. Daraufhin seien Kampfflugzeuge geschickt worden, um diese zu untersuchen. "Diese Flugzeuge konnten kein Objekt identifizieren, das mit den Radartreffern in Verbindung gebracht werden konnte." Das Flugverbot umfasste ein Gebiet von etwa 50 mal 50 nautischen Meilen (93 mal 93 Kilometer) um Havre, Montana, nahe der kanadischen Grenze. Man werde die Situation weiter beobachten, teilte Norad mit. (APA, red, 11.2.2023)