Kai Wegner und die CDU sind die strahlenden Sieger der Wahl. Ob sie eine Regierung bilden können, ist aber noch unklar.

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Bangen und Warten gehört bei jeder Wahl für alle Parteien dazu. In Berlin konnte am Sonntag Stephan Bröchler, der Landeswahlleiter, zumindest schon am Nachmittag ein wenig aufatmen.

"Der Gesamteindruck ist, dass alles wirklich gut läuft", sagte Vladimir Prebilic, "die Dinge sind wirklich gut organisiert, das muss ich sagen." Er ist Leiter der zehnköpfigen Delegation des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarats und hat mit kleinen Teams Wahllokale in allen zwölf Berliner Bezirken besucht.

Wiederholung nach Pannenwahl

Schließlich war die Wahl am Sonntag eine Wiederholung der Pannenwahl vom Herbst 2021. Damals waren sowohl bei den Stimmabgaben für das Abgeordnetenhaus (also der Landtagswahl) als auch bei jenen für die Bezirksverordnetenversammlungen so viele gravierende Fehler passiert, dass der Berliner Verfassungsgerichtshof eine komplette Neuwahl ansetzte.

Und diese brachte dann auch nach vielen Jahren eine Neuheit. Erstmals seit der Wahl im Jahr 1999 wurde die CDU wieder stärkste Kraft und verwies die SPD, die seit 2001 den Chef oder die Chefin im Roten Rathaus stellte, auf Platz zwei.

Alle Stimmen ausgezählt

Nach Auszählung aller Stimmen gewann die CDU bei der Wiederholungswahl etwa zehn Prozentpunkte hinzu und kommt auf 28,2 Prozent. Im Pannenjahr waren es noch 18,0 Prozent.

Die Sozialdemokraten hingegen verloren, sie hatten 2021 noch 21,4 Prozent erreicht. Nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen landete die SPD der regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey mit 18,4 Prozent knapp vor den Grünen (ebenfalls 18,4 Prozent). Der Unterschied betrug lediglich 105 Stimmen. Derzeit regiert die SPD noch mit Grünen und Linken.

Die Linke kam auf 12,2 Prozent, die AfD legte dagegen mit 9,1 Prozent der Wählerstimmen zu (8,0). Die FDP kam auf 4,6 Prozent und wird dem Abgeordnetenhaus daher künftig nicht mehr angehören.

Vom Landeswahlleiter lagen in der Nacht auf Montag noch keine Angaben zur Mandatsverteilung vor. Laut Hochrechnungen von ARD und ZDF vom späten Abend kommt die CDU auf 48 bis 50 Sitze. Die Grünen erhalten demnach 31 bis 33 und die SPD 31 bis 32 Mandate. Die Linke kommt auf 21 bis 22 Sitze, die AfD auf 16.

Mögliche Koalitionsgespräche

Prächtig war die Stimmung natürlich am Sonntag bei der CDU und ihrem Spitzenkandidaten Kai Wegner. "Es gibt eine neue Regierungsoption für Berlin, die CDU hat den Regierungsauftrag", freute sich Mario Czaja, der Generalsekretär der Bundes-CDU.

Doch bei aller Freude, Wegner dürfte sich nicht leichttun, einen Koalitionspartner zu finden. Es hatte immer wieder geheißen, er würde gerne mit den Grünen koalieren und damit auch gleich ein Signal an den Bund senden: Die CDU ist in der Hauptstadt nicht mehr die "alte Tante", sie kann auch mit den Grünen.

Bürgermeisterin Giffey sprach von einem schweren Abend für ihre SPD – "daran gibt es nichts zu deuteln". Doch sei es kein Automatismus, dass nun die CDU den Regierungschef stelle. "Auch ein Herr Wegner wird politische Mehrheiten organisieren müssen." SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert räumte im ZDF ein: "Ja, selbstverständlich schmerzt das." Die CDU habe einen Nerv im Wahlkampf getroffen. Es könne daher kein Weiter-So etwa in der Verwaltung geben. Alle Parteien müssten jetzt schauen, wie Mehrheiten gebildet werden könnten.

Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken sieht trotz hoher Zugewinne der CDU "keine Machtoption" für deren Spitzenkandidaten. "Kai Wegner hat ganz klar einen Abgrenzungs- und Spaltungswahlkampf betrieben", sagte sie am Sonntagabend in der ARD-Talkshow "Anne Will". Daher sehe sie wenige Möglichkeiten für ihn zu einer Regierungsbildung.

Erinnerung an Skandal

Den Schwarzen hängt nämlich in Berlin immer noch die Erinnerung an den Bankenskandal um die Jahrtausendwende nach. Damals hatte der Zusammenbruch der landeseigenen Bankengesellschaft (BgB) das Land Berlin Milliarden gekostet. Die ohnehin nicht besonders wohlhabende Stadt verkaufte dann viele landeseigene Wohnungen – was sich heute, da Wohnraum in Berlin knapp ist, bitter rächt.

Doch es dürfte inhaltlich zwischen CDU und Grünen schwierig werden. Er wolle der Bürgermeister aller Berlinerinnen und Berliner sein, verkündete Wegner schon vor der Wahl – also auch der Autofahrer und Autofahrerinnen.

Die Grünen hingegen bestehen darauf, den Autoverkehr innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings drastisch einzuschränken. Umgekehrt haben die Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Bettina Jarasch, die in der jetzigen Koalition auch Senatorin für Mobilität ist, ein Problem mit der härteren Linie, die die CDU in der Sicherheitspolitik fahren will.

Wegener könnte auch die SPD hofieren und hoffen, diese als Juniorpartnerin in eine Koalition zu bekommen. Doch die Basis könnte sich eher in Opposition erholen wollen, als mit der CDU zu paktieren.

Der bislang letzte CDU-Bürgermeister Eberhard Diepgen, der 2001 über den Bankenskandal gestürzt war, hatte sogar folgende Variante ins Spiel gebracht: Die CDU wählt, auch als stärkste Partei, SPD-Frau Giffey noch einmal ins Amt. Das aber lehnt Wegner ab, er will einen "Politikwechsel für Berlin".

Ob er den bekommt, ist fraglich. Denn trotz der Verluste reicht es weiterhin für ein rot-grün-rotes Bündnis aus SPD, Grünen und Linken. Die drei Parteien könnten sich noch einmal zusammentun, die CDU wäre außen vor. Aber eines stellte Giffey am Wahlabend schon frustriert fest: "Die Berlinerinnen und Berliner sind nicht zufrieden." (Birgit Baumann aus Berlin, 12.2.2023)