Verena Bogner, Franz Lichtenegger und Daniel Wiegärtner betreiben in ihrer Freizeit die Instagram-Seite Galerie Arschgeweih. Beruflich sind sie in der Medienbranche aktiv. Für das STANDARD-Interview erreichen wir die Meme-Künstler über Zoom.

STANDARD: Galerie Arschgeweih wurde 2018 ins Leben gerufen, mit welcher Intention?

Franz Lichtenegger: Ich wollte einen Ort im Internet schaffen, an dem deutschsprachige Popkultur aus den 2000ern zelebriert wird. So wie in den USA, wo auf Instagram-Accounts Britney Spears und Paris Hilton abgekultet wurden. Ich bin großer Fan von den No Angels, Sarah Connor, Jeanette Biedermann und ich dachte mir, die müssen irgendwo gefeiert werden.

Daniel Wiegärtner: Ich bin im Mai 2019 als Zweigstelle in Berlin dazugekommen. Zuvor hatte ich ständig unter den Beiträgen kommentiert. Man hat mich dann irgendwann gefragt, ob ich nicht "Galerist" werden möchte. Ich wollte Stars und It-Girls wie Kader Loth, die immer ein bisschen verpönt waren, zu der Aufmerksamkeit verhelfen, die sie verdienen. Es waren ja früher überwiegend männliche Redakteure, die sich über diese Frauen lustig gemacht haben. Einer der Gründe für unseren Erfolg ist, dass wir uns nicht über diese Popstars lustig machen, sondern Identifikation schaffen. Wir sind die Bibel der deutschen Popkultur.

Verena Bogner: Ich bin als Letzte dazugekommen. Franz und ich haben früher zusammengearbeitet. Wenn Franz und Dani sich über Inhalte nicht einig waren, wurde ich miteinbezogen. Irgendwann wurde ich gefragt, ob ich nicht mitmachen will.

STANDARD: Wie kamt ihr auf euren ursprünglichen Profilnamen "Galeria Arschgeweih", und wie kam der bei einer bekannten deutschen Kaufhauskette an?

Lichtenegger: Ich wollte die Popkultur der 2000er als Kunst verstanden wissen, "Galeria" hörte sich cool an. Und das "Arschgeweih" ist für die 2000er bezeichnend.

Wiegärtner: Wir haben übrigens auch ein Logo. Eines mit altdeutscher Schrift und ein anderes rundes Logo, auf dem die No-Angels-Flamme zu sehen ist.

Foto: Galerie Arschgeweih
Foto: Galerie Arschgeweih

STANDARD: Und wie war das nochmal mit der großen deutschen Kaufhauskette?

Bogner: Franz und ich waren im Büro, und plötzlich hieß es Alarmstufe Rot in unserer Whatsapp-Gruppe. Es kam ein gewisser Brief, in dem stand, dass der Kaufhauskonzern nicht happy über diesen Namen war und die Assoziation mit dem Wort Arschgeweih als negativ empfunden hat. So negativ, dass wir den Namen geändert haben und der Fall nach viel Angstschweiß mithilfe eines netten Anwalts ad acta gelegt werden konnte.

STANDARD: Könnt ihr Formate wie das Dschungelcamp anschauen, ohne sie in Memes zu übersetzen?

Lichtenegger: Ich hab das Dschungelcamp in diesem Jahr mit Verena geschaut und kann nur sagen: Es sprudelt einfach wie automatisch aus uns heraus.

Bogner: Wer Memes konsumiert, kann nicht anders. Wenn ich Djamila Rowe mit dem Fallschirm im Dschungelcamp landen sehe, denke ich mir: Das bin ich, wenn ich nach einer durchzechten Nacht beim Brunch auftauche.

Galerie Arschgeweih, auch auf Tiktok präsent.

STANDARD: Warum kommt Nostalgie-Content im Internet so gut an?

Lichtenegger: Weil der sich wie eine warme Decke über einen legt. Man kann sich einfach reinkuscheln.

Bogner: Nichts war schöner, als wenn "The Dome" läuft, und wenn man mit Kakao nach der Schule auf der Couch sitzt, und "Taff" fängt an.

STANDARD: Ihr feiert, was die Allgemeinheit als "Trash" abtut. Welche Medieninhalte wären eurem Verständnis nach der wahre Trash?

Wiegärtner: Leute, die nach unten treten, sich über andere lustig machen. Natürlich kann man auch mit Inhalten von "DSDS" arbeiten, aber nie diese Hardcore-Momente, in denen Menschen bloßgestellt werden.

Lichtenegger: Es ist ein ständiges Abwägen. Wenn man spürt, dass eine Person vorgeführt wird, und das eigentlich nicht möchte, dann würden wir das Material nie verwenden.

Wiegärtner: Bestes Beispiel ist die Sendung "Schwiegertochter gesucht", dazu existieren etliche Memes im Internet. Sowas würden wir nie memen, weil man sich da über Menschen lustig macht.

STANDARD: Warum sind solche Formate wie Dschungelcamp oder "Germany's Next Topmodel" trotz der Kritik immer noch so erfolgreich?

Bogner: Wenn bei "Germany's Next Topmodel" zum Beispiel so getan wird, als würde es dort nun mehr um Body-Positivity gehen, klopft man sich als Gesellschaft zu sehr auf die Schulter. Dabei ist das Schönheitsideal immer noch blond und dünn. Die Leute ergötzen sich auch heute gern daran, wenn normschöne Girls zum Weinen gebracht werden.

Wiegärtner: Formate wie das Dschungelcamp funktionieren als Event. Man trifft sich donnerstags um 20.15 Uhr mit Freundinnen, schaut das gemeinsam und freut sich darüber. Ehrlicherweise macht man sich auch über Leute lustig, lacht und lästert. Lästern ist ja immer auch ein soziales Ding, es fördert den sozialen Austausch.

STANDARD: Zuletzt sind einige österreichische Medien auf ein Satire-Posting von euch reingefallen. Habt ihr damit gerechnet?

Wiegärtner: Nein, man muss sich das einmal vor Augen führen: Auf einer Satire-Seite wird ein vermeintliches, komisch formuliertes Zitat aus Prince Harrys Buch "Spare" ausgewählt. Das las sich so, als sei es mit einem roten Warnzeichen gekennzeichnet. Und trotzdem wurde der Inhalt eins zu eins von einigen Medien übernommen. Das ist an Absurdität nicht zu übertreffen.

Lichtenegger: Die Community hat in dem Fall eine große Rolle gespielt. Sie hat in der Kommentarspalte Gas gegeben und sich einen Schmäh daraus gemacht und "ja, das stimmt wirklich" dazugeschrieben. Irgendein armer Mensch hat das geglaubt und es dann veröffentlicht.

Bogner: Wir waren geschockt, dass der Ö3-"Wecker" die Meldung übernommen hat und Millionen Menschen zugehört haben. Ich hatte Mitleid mit der Person, die das ernst genommen hat.

STANDARD: Verstehen eure Familien, was ihr im Internet macht?

Wiegärtner: Meine Oma eher nicht. Ich sag ihr einfach, "ich mache Witze im Internet". Unsere Eltern, also die Generation der Babyboomer, checken das schon. Mein Vater schickt mir oft alte Memes und lacht sich dann den Arsch ab.

Bogner: Am Anfang hat meine Mama das nicht gecheckt. Aber wie auch? Der Klassiker ist doch, wenn Eltern fragen: Kennst du die Person auf dem Bild? Worum geht's da? Das ist schon wieder ein Meme an sich. Mittlerweile feiert meine Mama Galerie Arschgeweih und likt alle Memes.

STANDARD: Ihr seid im ländlichen Raum aufgewachsen. Was denken denn die Daheimgebliebenen aus der Schulzeit über eure Memes?

Lichtenegger: Gute Frage. Ich hab heuer zehnjähriges Klassentreffen und bin gespannt. Ich weiß gar nicht, ob das überhaupt jemand am Schirm hat. Ist auch egal.

STANDARD: Gibt es, was euren Humor betrifft, ein Stadt-Land-Gefälle?

Wiegärtner: Ich habe tatsächlich noch Freunde aus dem Dorf aus der Schulzeit. Die feiern diesen Humor schon.

STANDARD: Habt ihr eine Zielgruppe, oder macht ihr das, was ihr selber witzig findet?

Wiegärtner: Immer Letzteres, wir machen den Account für uns.

Lichtenegger: Und wenn wir das generische Femininum verwenden, dann weil wir nur mit Frauen befreundet sind.

Wiegärtner: Statt zu gendern, benutzen wir das Femininum. Bestimmt haben sich mal ein paar Macker aufgeregt, aber das ist uns egal.

STANDARD: Was wisst ihr sonst über eure Follower und Followerinnen?

Wiegärtner: Sie sind in unserem Alter, also Millennials. Außerdem folgen uns die Gen Z und die Generation über uns, die 34- bis 42-Jährigen. Das sind die drei am stärksten vertretenen Altersgruppen.

STANDARD: Aus welchen Städten kommen die meisten Follower?

Wiegärtner: Berlin, dann Hamburg?

Lichtenegger: Genau, und Wien ist in den top fünf.

STANDARD: Wie definiert ihr Humor?

Bogner: Es ist uns wichtig, dass wir nicht nach unten treten und nicht diesen 2000er-Fliesentisch-Humor befeuern.

Wiegärtner: Letztens haben wir Meme-Grußkarten mit dem Spruch "Wo bist du mein Sonnenlicht?" versehen. Viele haben darunter kommentiert: "Wo bischt du? Mein Sonnenlischt". Sich über Akzente oder Dialekte lustig zu machen ist nicht cool. Der Tonfall muss respektvoll bleiben.

Bogner: Es ist uns wichtig, dass die Person, die gememt wird, sich nicht verarscht fühlt, sondern sich darüber freut.

Lichtenegger: Verspotten ist lame.

"Wo bist du mein Sonnenlicht?"-Grußkarte auf Slide Nummer drei.

STANDARD: Welche der Stars, die bei euch zu sehen sind, haben euch kontaktiert?

Lichtenegger: 2018 hat Bahar von Monrose kommentiert, seither gefühlt alle. Dass niemand negativ reagiert hat, liegt wahrscheinlich daran, dass wir die Personen in einem guten Licht dastehen lassen möchten, weil wir Fans sind.

Wiegärtner: Genau das ist der Punkt. Ich würde eine Kader Loth nicht verarschen wollen. Sie hat genug Spott in ihrem Leben erfahren. Oder eine Djamila Rowe. Ich finde es immer so funny, wie Leute, die vorher auf sie eingeschlagen haben, sie jetzt abkulten. Nur Dieter Bohlen haben wir einmal mit einem Fischstäbchen verglichen.

Lichtenegger: Wir wurden einmal als "Die Racheengel des Trashs" betitelt. Darin haben wir uns wiedergefunden.

STANDARD: Habt ihr auch einige getroffen?

Lichtenegger: Die No Angeles inzwischen mehrfach, in Kärnten bei TV-Aufzeichnungen und bei einem Konzert in Berlin.

Wiegärtner: Ich habe mal Claudia Obert getroffen. Das war lustig, die gibt immer 120 Prozent.

STANDARD: Habt ihr zum Imagewandel einiger Promis beigetragen?

Wiegärtner: Wir haben Claudia Obert 2018 als Erste gememt. Irgendwann sind die Medien dann auch wieder auf sie aufgesprungen, und Claudia wurde plötzlich in viele TV-Formate eingeladen.

STANDARD: Ihr zeigt vor allem deutsche Promis in euren Memes. Wieso eignet sich die deutsche Promiszene besser als die österreichische für Memes?

Lichtenegger: Wir hatten in meiner Kindheit vier Jahre lang keinen ORF. Ich bin mehr mit deutschen Formaten aufgewachsen, "Tom Turbo" habe ich nie gesehen.

Bogner: Ich war immer ein Sat-Kind. "Popstars" war für mich als Fan der No Angels ein Highlight genauso wie "The Dome" und diese ganzen Shows. Die deutsche Pop-Landschaft gibt viel mehr her. Es gab mehr Reality- und mehr Castingshows. Auch wenn Christl Stürmer auch kultig war.

STANDARD: Wie unterscheidet sich der österreichische vom deutschen Humor?

Lichtenegger: Mit dem Internet verschwimmen diese Unterschiede.

Bogner: Man kann Humor nicht an einem Land festmachen. Eher an Interessen und an dem Umfeld, in dem man sich bewegt. Ich finde auch Memes lustig, die irgendeine Ami-Seite postet, bei der es um Corporate Millennials geht – einfach weil ich selber einer bin, und nicht, weil ich in den USA in einem Büro sitze und ein Burnout habe.

STANDARD: Auf eurem Instagram-Profil verlinkt ihr zu Spenden-Webseites für Frauen in Afghanistan, die Ukraine, People of Color. Dadurch werden ernste Themen mit eurer Meme-Seite verknüpft. Wäre es für euch denkbar, mehr politische Inhalte zu machen?

Wiegärtner: Machen wir tatsächlich manchmal oder auch indirekt. Memes können ja auch auf Missstände aufmerksam machen. Am Ende des Tages sind wir eine Wohlfühloase, ein Safespace. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, auch auf Missstände aufmerksam zu machen.

Fan-Liebe, die unter die Haut geht: No-Angel-Tattoos auf den Armen der Macher von Galerie Arschgeweih.

STANDARD: Habt ihr persönliche Lieblings-Memes?

Wiegärtner: Ich finde Vergleiche witzig. Wir haben in letzter Zeit zum Beispiel Cascada mit Beethoven verglichen, oder die No Angels mit den Beatles.

STANDARD: Für welche Memes schämt ihr euch? Habt ihr welche gelöscht?

Lichtenegger: Gar keines. No regrets!

Wiegärtner: Früher haben wir Postings stundenlang besprochen, bis wir sie veröffentlicht haben. Mittlerweile sind wir entspannter, weil wir uns mehr als Spielwiese sehen. Wir versuchen immer das Beste rauszuholen, wir schämen uns für nichts.

Bogner: Das wäre ja auch ein bisschen wie Wasser predigen und Wein trinken. Wir wollen bei Galerie Arschgeweih zeigen, dass man sich für nichts schämen muss – egal was man lustig findet, welche Musik man gerne hört oder Promis, die man mag.

Lichtenegger: Dafür stehen wir ja auch: Es gibt kein Guilty-Pleasure. Die Formate, die wir schauen, sehen wir nicht mit ironischem Abstand, sondern mit ernsthafter Begeisterung an. Die Musik, die wir feiern, finden wir wirklich gut.

Die Galeristen von links nach rechts: Franz Lichtenegger (29), Verena Bogner (30) und Franz Wiegärtner (33).
Foto: Daniel Wiegärtner

STANDARD: Habt ihr Humorvorbilder, mögt ihr bestimmte Comedians?

Bogner: Es gibt keinen Comedian, den ich jemals lustig fand. Es gibt nichts schlimmeres als deutsches Stand-up.

STANDARD: Ein Schweizer Nachrichtenportal hat euch als Onlineversion von "TV total" bezeichnet. Wie findet ihr diesen Vergleich?

Lichtenegger: Das finde ich geil. Diese Clips, die es in der Sendung früher gab, haben sich kollektiv in unser Gedächtnis eingebrannt. Zumindest mir geht es so mit den Videos, die wir verwenden.

Bogner: Die "TV total"-Clips waren Memes, bevor es Memes gab. Zum Beispiel dieses "Ich trink n' Sekt vielleicht", das sagt man heute noch. Vielleicht ist das so ein bisschen ein Millennial-Cringe, sowas zu sagen.

Legendärer "TV total"-Clip: "Ich trink n' Sekt vielleicht".

STANDARD: Stichwort Millennial-Cringe, habt ihr zum Revival der 2000er-Jahre im deutschsprachigen Raum beigetragen?

Lichtenegger: Das Revival war unvermeidbar. Wir haben das zum richtigen Zeitpunkt gespürt, damals hat das noch niemand anderes gemacht. Ich glaube schon, dass wir im deutschsprachigen Raum dazu beigetragen haben.

STANDARD: Habt ihr vor, in Zukunft einen 2010er-Jahre Account zu betreiben, oder überlasst ihr das der nächsten Generation?

Wiegärtner: Mittlerweile arbeiten wir auch damit. Unser Herz schlägt natürlich immer noch für die 2000er, nichtsdestotrotz haben wir auch aktuelle Formate.

Bogner: Man muss als cringer Millennial am Puls der Zeit bleiben.

STANDARD: Habt ihr noch Ideen für ein Last-minute-Faschingskostüm für cringe Millennials, inspiriert von Galerie Arschgeweih?

Bogner: Die einzelnen Elemente der No Angels. Jede Freundesgruppe soll bitte als No Angels gehen! (Anna Caroline Kainz, 18.2.2023)