Die Comicgrafik von "Pharao: A New Era" ist vermutlich Geschmackssache.

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Mit dem im alten Ägypten angesiedelten Aufbauspiel "Pharao" haben sich die Fans seit dessen Release im Jahr 1999 zig, wenn nicht gar hunderte Stunden um die Ohren geschlagen, alleine im deutschen Sprachraum verkaufte sich das Spiel über 100.000-mal. Mit "Pharaoh: A New Era" erscheint heute, am 15. März 2023, ein Remake des Klassikers. Mit hübscherer Grafik und Musik sowie ein paar Verbesserungen im Gameplay geht es auch diesmal darum, eine Stadt aufzubauen, Handel zu treiben sowie Einwohner und Götter gleichermaßen bei Laune gehalten.

Versprochen werden 50 Missionen mit über 100 Stunden Gameplay, dabei ist neben dem Hauptspiel auch die Erweiterung "Cleopatra: Queen of the Nile" integriert. Der STANDARD hat das Spiel knapp 20 Stunden auf dem PC getestet, und wir sind äußerst zwiegespalten. Denn obwohl das Remake Newcomer und alte Hasen gleichermaßen abholen kann, können wir zum aktuellen Zeitpunkt noch keine Kaufempfehlung aussprechen. Zu groß sind dafür zum aktuellen Zeitpunkt noch die technischen Probleme.

Teilweise unspielbar

Während des Testzeitraums wurde das Spiel mehrmals mit Patches versehen, um diverse technische Fehler noch in letzter Minute auszubessern. Das ist per se nicht ungewöhnlich, nur führten die Updates bei "Pharao: A New Era" teilweise zu groben Verschlimmbesserungen. Besonders extrem fiel dies beim jüngsten Update auf, das von den Entwicklern zwei Tage vor dem Releasetermin veröffentlicht wurde.

Dieses Popup ergibt keinen Sinn.
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Dieses hatte teils zum Effekt, dass das Spiel ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr auf Mausklicks reagierte und somit unspielbar wurde. Als dieser Bug zum ersten Mal auftrat, half es noch, das Spiel zu speichern und nach einer Rückkehr ins Hauptmenü neu zu laden. Beim zweiten Mal half auch dieser Workaround nicht mehr. Auch ein Neustart des Spiels und des PCs konnten das Problem nicht beheben.

Auch kleinere Fehler trüben das Spielerlebnis

Aufgetreten ist der Mausklick-Bug jedes Mal, nachdem eine Meldung in englischer Sprache erschien, obwohl wir das Spiel auf deutsche Sprache umgestellt hatten. In dieser Meldung heißt es kryptisch, dass feindliche Truppen unsere Stadt vorerst verschonen – nur damit wir kurz darauf doch noch eine Schlacht miterleben müssen. Das ergibt keinen Sinn.

Fehler dieser Art finden sich leider nicht wenige im Spiel. So erscheinen teilweise Codezeilen in den Popup-Meldungen, die dort definitiv nichts zu suchen haben. An anderer Stelle wiederum sind Animationen äußerst schleißig gestaltet: Menschen verwandeln sich in Boote oder verschwinden einfach so in Pyramidenwänden. Wird ein Fest zu Ehren einer Gottheit gefeiert, so signalisiert das Spiel dies ebenfalls bloß durch eine Popup-Nachricht – die Avatare der Menschen tatsächlich feiernd auf den Hauptplatz zu animieren hätte dem Ganzen etwas mehr Stimmung verliehen.

Was hat die Codezeile hier verloren?
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Wohlgemerkt: Diese kleineren Fehler zerstören das Spiel nicht derart wie der zuvor erwähnte Mausklick-Bug. Aber sie trüben den Spielspaß ebenfalls und zeigen, dass das Spiel schlichtweg noch nicht fertig ist.

Willkommen im alten Ägypten

Dabei hätte "Pharaoh: A New Era" durchaus Potenzial, wie das Original ein Spiel zu werden, mit dem man sich etliche Abende lang mit einer Tasse Tee vor dem PC verkriechen kann, um sich in einen Herrscher des alten Ägyptens zu verwandeln. Das zeigt sich in Grafik und Sound ebenso wie im Gameplay.

So wurde die pixelige Grafik aus den späten 1990er-Jahren im Remake in einen Comicstil umgewandelt, der sich in der Introsequenz, im Hauptmenü und natürlich im eigentlichen Spiel wiederfindet. Das kann einem gefallen oder auch nicht – man erinnere hier an die äußerst emotional geführten Diskussionen rund um das 2022 erschienene "Return to Monkey Island". Auf jeden Fall merkt man dem Grafikstil von Menschen und Gebäuden aber an, dass hier viel Liebe hineingesteckt wurde. Die Developer betonen in diesem Kontext auch gerne, dass sie sich von Historikerinnen haben beraten lassen, um diverse Details möglichst authentisch wiedergeben zu können.

In diesem Video wird erklärt, wie der Soundtrack entstand.
Dotemu

Lob kann auch für Sound und Musik ausgesprochen werden. Auch nach 20 Stunden Gameplay nervt der Soundtrack noch nicht, einleitende Texte wurden vertont und werden von einem Sprecher vorgelesen. Und, was sich im Forum viele Veteranen schon gefragt haben: Ja, es ist auch wieder möglich, einzelne Bewohner anzuklicken, sodass diese in der gewohnt charmanten Weise den Status-quo kommentieren.

Übersichtlich, und doch komplex

Ebenso muss dafür gelobt werden, dass man sich Gedanken um das Gameplay gemacht hat. So sind die zahlreichen unterschiedlichen Gebäudetypen derart auf Untermenüs verteilt, dass man maximal zwei Klicks zum Auswählen des Gebäudes benötigt. Der Aufbau des Menüs ist dabei zwar nicht immer intuitiv gestaltet – das für die Landwirtschaft nötige Silo befindet sich nicht in dem Landwirtschafts-, sondern in einem separaten zu "Lager&Vertrieb" -Menüpunkt, nach einiger Zeit stellt sich hier aber Eingewöhnung ein.

Spezialkarten wiederum geben einen Überblick darüber, wie die Lage in einzelnen Stadtteilen – etwa zu Kriminalität oder den ägyptischen Plagen – ist, der Menüpunkt "Aufseher" lässt Berichte über einzelne Erfolgsfaktoren des Spiels abrufen. So müssen in "Pharaoh: A New Era" die Götter gleichermaßen wie die Bevölkerung bei Laune gehalten werden, zu diesem Zweck bekämpfen wir Kriminalität und mögliche Stadtbrände durch das Errichten von Polizei- und Feuerwachen und treiben Handel mit anderen Städten, um unsere Wirtschaft florieren zu lassen.

Die Aufseher erklären uns, was wir falsch machen.
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Das alles kombiniert sich zu einem Spiel, das durch seine kindliche Grafik zuerst recht simpel wirkt, mit der Zeit aber immer komplexer wird. Es gibt einfach immer etwas zu tun, die verschiedenen Aufseher müssen im Auge behalten und neue Gebäude errichtet werden – und dann gibt es auch noch die feindlichen Völker, wegen derer wir unser Heer aufrüsten sollen. Für Einsteiger haben wir daher vorab Tipps für "Pharaoh: A New Era" zusammengestellt.

Noch viel Luft nach oben

Außerdem wurden im Remake weitere Gameplay-Verbesserungen gegenüber dem Klassiker vorgenommen. So ist es möglich, Raubtiere zu deaktivieren, sodass diese keine Arbeiter fressen. Demografische Aspekte wie eine alternde Arbeiterbevölkerung können aktiviert oder deaktiviert werden. Und man kann entscheiden, ob ein Arbeitsbeauftragter die Arbeiter für die einzelnen Gebäude suchen soll oder diese schlichtweg verfügbar sein sollen. Und schließlich auch neu: Über Strg+Linksklick können Gebäudetypen kopiert werden – dafür muss man also nicht mehr ins Baumenü.

Freilich können auch Pyramiden errichtet werden.
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Fraglich ist hingegen, warum nicht auch andere Aspekte erneuert, hinzugefügt oder entfernt wurden. So ist es nicht möglich, die Karte zu drehen – was schade ist, weil man sich das eigene Reich doch ganz gerne mal aus verschiedenen Perspektiven ansehen würde. Straßen zwischen Grünland und fruchtbarem Nilufer können noch immer nicht über diagonale, sondern nur über gerade Ufer gebaut werden.

Zudem müssen nach wie vor Sperren errichtet werden, damit die Arbeiter – deren KI nicht sonderlich ausgefeilt sein dürfte – tatsächlich in ihrem Zielgebiet herumgehen und nicht einfach ziellos über die Karte wandern. Und auch einen Map-Editor sucht man in der aktuellen Version des Spiels noch vergebens.

Fazit: Lieber noch ein paar Patches abwarten

"Pharaoh: A New Era" ist ein Spiel mit sehr viel Potenzial. Grafik und Sound sind angenehm umgesetzt, sodass sich Spielerinnen und Spieler auf das eigentlich Gameplay konzentrieren können. Dieses wiederum lockt mit kniffligen Missionen, einer Vielfalt an Aufgaben und Optionen sowie dem Charme der Einwohner, der schon im Klassiker zu unterhalten wusste.

Schade daher, dass die unbefriedigende technische Umsetzung all diesen Bemühungen einen Strich durch die Rechnung macht – zumindest zum aktuellen Zeitpunkt. Viele Features hätten anders gestaltet werden, viele Bugs vermieden werden können. Doch nun bleibt ein Spiel, das man schweren Herzens als "unfertig" bezeichnen muss.

Die Empfehlung lautet daher, vorerst noch die nächsten Patches abzuwarten und Bewertungen auf "Steam" zu beobachten. Sind die Fehler einmal behoben, so dürfte "Pharaoh: A New Era" Newcomer und alte Pharaonen gleichermaßen begeistern können. (Stefan Mey, 15.2.2023)

Hinweis im Sinne der Leitlinien: Ein Exemplar des Spiels wurde dem STANDARD zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.