Der Wiener Puppenspieler Christoph Bochdansky hat sich eine Unterwasserwelt an die Wand gepinselt. Abgesehen davon dominiert in seinem Wohnzimmer, um den Kopf auch mal leerzukriegen, Nüchternheit.

"Schon die Beatles wussten, wo es am schönsten ist. 1969 haben sie gesungen: ‚I’d like to be / under the sea / in an octopus’s garden.‘ Und ja, ich gebe zu, auch ich würde gerne mal einem Oktopus begegnen. Und vielen anderen Meerestieren auch. Außerdem finde ich diese Unterwasserwelt sehr spannend, obwohl ich selbst kein Taucher bin, aber ich versetze mich gerne in die Lage und stelle mir vor, wie das wäre: Tiefe, Dunkelheit, ein Dauerzustand in Schwebe.

Christoph Bochdansky in seinem selbstgemalten "Kelp" (Seetangwald) in seiner Wohnung in Wien.
Foto: Lisi Specht

Also hatte ich die Idee, einen Teil der Wohnung dieser Zauberwelt zu widmen. Es gibt Wasser und jede Menge Seegras, wobei ich hier nicht wirklich Wert auf Perfektion und naturalistische Darstellung gelegt habe. Viel mehr wollte ich frei aus dem Handgelenk drauflosmalen und loszeichnen. Meine Sehnsucht galt genau dieser Dynamik, dieser Bewegung, alles ist im Fluss. Ich kann nicht unter Wasser leben, dazu sind wir Menschen nicht gemacht, aber meine Sehnsucht kann dort zu Hause sein! Und das ist sie nun jeden Tag, seitdem ich hier eingezogen bin.

Neben dem Oktopus gibt es im Kelp auch ein paar Charaktere, die ich in meinen Büchern und Theaterpuppen bereits zum Leben erweckt habe – eine kleine Maus, ein ätherisches Reh, einen zweibeinigen Tintenfisch mit roten High Heels, den ich Legendary Loose Louis genannt habe, ein freches Kerlchen, das männlich genug ist, um sogar Damenschuhe zu tragen.

Die Nüchternheit seiner Wohnung ist für Bochdansky ein "erstrebenswertes Gleichgewicht, um nicht nur die Einrichtung unserer Gegenwart zu sehen, sondern den Kopf auch in zukünftige Ideenwelten vordringen zu lassen".
Fotos: Lisi Specht

Ich bin ja Puppenbauer und Puppenspieler, und auch in meinem Berufsleben geht es um die Reise in eine Fantasiewelt – wobei ich sie nicht so sehr als Fantasie sehe, sondern eher als Gegenwelt, als Jenseitskonstruktion, als Komplementierung zu unserem realen Leben. Natürlich ist eine Puppe ein totes Wesen, im Puppenspiel jedoch wird sie zu einer Art Verlängerung unserer Träume und Sehnsüchte, zu einem Vehikel, um diesen Träumen und Sehnsüchten eine Form und eine Sprache zu verleihen. Und manchmal auch, um Missstände aufzuzeigen und politische Kritik zu üben. Eine Puppe kann das manchmal besser in Worte fassen als wir Menschen.

Meine eigenen Sehnsüchte? Oh, davon habe ich viele! Eine Sehnsucht habe ich mir hier in dieser Wohnung erfüllen können. Für die meisten Menschen mag dieser Raum leer und vielleicht sogar etwas unsinnlich wirken, aber ich habe beruflich Tag für Tag mit so vielen Figuren und Charakteren zu tun, dass ich irgendwann einmal auch abschalten muss. Eine schöne, komplett durchgestaltete Wohnung würde mich, fürchte ich, überfrachten und überfordern. Diese blaue Unterwasserwand ist eine kleine, ganz und gar unlogische Ausnahme. Es ist genau perfekt, so wie es ist.

In der Wohnung gab es auch schon kleine Proben, "und Tänzer haben den Raum mit ihren Bewegungen belebt".
Fotos: Lisi Specht

Für mich sind diese freien Flächen eine Art Möglichkeit, um auch andere Ereignisse zuzulassen, die in Wohnungen normalerweise nicht stattfinden. Wir hatten hier schon kleine Proben, und Tänzer haben den Raum mit ihren Bewegungen belebt. So gesehen ist die Nüchternheit für mich ein erstrebenswertes Gleichgewicht, um nicht nur die Einrichtung unserer Gegenwart zu sehen, sondern den Kopf auch in zukünftige, noch nicht vorhandene Ideenwelten vordringen zu lassen. Dazu braucht es Leere. Idealerweise ist nicht nur die Wohnung leer, sondern auch der Esstisch. Für meinen Geschmack liegt auf der Tischoberfläche jetzt schon viel zu viel herum.

Die Leere, in der ich hier bin, ist circa 80 Quadratmeter groß und befindet sich in einem recht klassischen, unaufgeregten Neubau in Gersthof im 18. Wiener Gemeindebezirk. Das Schönste an dieser Wohnung ist ohne jeden Zweifel der Balkon vor dem Wohnzimmer und die sehr helle, lichtdurchflutete Blickrichtung nach Südwesten. Noch mehr interessieren würde mich allerdings der Ausblick aus einem Turmzimmer in einem Luftschloss über den Wolken. Überhaupt müssten wir wieder mehr Luftschlösser bauen, denn reale Häuser, die die Landschaft zersiedeln und die Welt verhütteln, haben wir schon genug errichtet." (20.2.2023)