Salzburgs Jubel harrt am kommenden Donnerstag einer Fortsetzung.

Foto: EPA/Anna Szilagyi

Salzburg – Serienmeister Salzburg reist vorsichtig zuversichtlich zum Rückspiel am Donnerstag (21 Uhr) im Olimpico Roma. Schlaglichter als Rück- und Ausblick:

1. Salzburg kann auch anders

Schwer vorstellbar, dass ein Blatt wie La Repubblica den FC Salzburg vor einigen Jahren als "fahle, aber pragmatische" Mannschaft bezeichnet hätte. In den ersten 20 Minuten wäre davon auch noch keine Rede gewesen, die Bullen kickten, wie man das von ihnen erwartet: Rudelpressing samt Ballgewinnen in der gegnerischen Hälfte, flottes Passspiel, Schwung nach vorne. Dann riss der Faden.

"In der ersten Halbzeit lag es hauptsächlich an uns, dass wir nicht mehr so früh den Zugriff bekommen haben", sagte Salzburg-Trainer Matthias Jaissle auf STANDARD-Nachfrage. Erst nach der Pause habe er bei der Roma taktische Anpassungen gesehen. Die zweite Halbzeit bot dann einen zerfahrenen Kick. Immerhin: Auch der Vierte der Serie A konnte sich kaum entfalten.

Zu mutmaßen, die 70 Minuten Geholper seien ein Salzburger Wunsch gewesen, wäre Unsinn. Die meisten Fußballmannschaften, Diego Simeones düstere Schergen von Atlético Madrid vielleicht ausgenommen, bevorzugen Überlegenheit. Aber es ist auch eine Qualität, ein solches Spiel über die Zeit zu rumpeln. "Wir haben diszipliniert gespielt, sehr konsequent verteidigt", sagte Jaissle.

2. Salzburg braucht Stürmer in Form

Im Sturm zeigte der Serienmeister Schwächen. Dass Fernando sein immenses Fußballgenie nicht in der Verletzungspause im Herbst gelassen hat, bewies er schon am Wochenende mit einem Doppelpack beim 4:0 gegen Austria Lustenau – doch gegen die Roma machte er keinen Stich. Der Brasilianer ließ einige Male Übersicht vermissen, traf fragwürdige Entscheidungen und scheiterte in Eins-gegen-eins-Ansätzen.

Auch Noah Okafor war von der Roma-Defensive weitgehend abgemeldet, der Hohepriester des Übersteigers kam erst gar nicht in gefährliche Positionen. Wie auch der eingewechselte Junior Adamu hat der Schweizer bereits bewiesen, dass er in wichtigen Partien abliefern kann – es ist also eher die Tagesform das Thema als die Personalien.

3. Salzburg hat einen Goalie

"Wow, Philipp, du hast uns wieder einmal den Arsch gerettet", dachte sich Außenverteidiger Amar Dedic in der 80. Minute. Der angesprochene Philipp heißt Köhn, steht im Tor und wuchs gegen die Römer zweimal über sich hinaus. In der ersten Halbzeit zeigte er Tammy Abraham im Eins-gegen-eins den Meister, in der zweiten Halbzeit zauberte der 24-jährige Andrea Belottis Abschluss mit einem Weltklassereflex an die Latte: "Es ist alles so schnell gegangen. Ich habe versucht, die Fläche zuzumachen und die Arme hochzureißen."

Köhn hat es nicht per Lotterie in den mit mehreren Spitzengoalies gesegneten WM-Kader der Schweiz geschafft. Der gebürtige Deutsche gibt seinen Vorderleuten Sicherheit und hat keine Schwächen – eine Qualität, die auch starke Salzburger Teams in der Vergangenheit oft vermissten.

4. So wird das Rückspiel schwierig

Das Ergebnis gegen einen starken Gegner täuscht darüber hinweg, dass viele Spieler unter ihrer Leistungsgrenze blieben. Luka Sucic rannte im Zentrum gegen Wände, der ewige Andreas Ulmer ließ offensive Akzente vermissen, die Stürmer wurden bereits diskutiert.

Es gab auch Lichtblicke: Neben Köhn und Torschütze Nicolás Capaldo waren das vor allem der für seine 21 Jahre skandalös abgebrühte Nicolas Seiwald und Mittelfeld-Abräumer Lucas Gourna-Douath. Strahinja Pavlovic schien im Ballbesitz zwar 88 Minuten lang orientierungslos, seine Traumflanke zum Siegestor entschädigte dafür aber. Im Rückspiel ist der Innenverteidiger gelbgesperrt, Bernardo oder Jerome Onguene dürften ihn ersetzen.

In Summe bleibt dennoch der Eindruck, dass es im mit 70.000 Fans ausverkauften Olympiastadion eine Steigerung brauchen wird – und das Wissen, dass diese durchaus denkbar ist. "Es wird noch einmal um einiges schwerer", sagte Ulmer nach seinem 130. Europacup-Spiel. "Das Rückspiel wird knallhart", sagte Dedic. "Wir werden auf Konter warten." Vielleicht sogar fahl und pragmatisch. (Martin Schauhuber, 17.2.2023)