Das Café Carmen ist zwar offiziell ein Kaffeehaus, in Wirklichkeit dann aber doch eher das, was man als Tschecherl bezeichnen würde. Und damit ist es dann nicht mehr das einzige in Zell. Denn die beiden Gasthöfe im Ort zielen wohl auch auf die gleiche Zielgruppe ab. Zell liegt rund eine halbe Autostunde südlich von Klagenfurt. Der Ort an sich ist mit mehr als 75 Quadratkilometer Fläche recht groß – vor allem wenn man bedenkt, dass hier weniger als 600 Menschen leben. Die allermeisten von ihnen, rund 90 Prozent, sind Kärntner Sloweninnen und Slowenen. Und dennoch hört man im Café Carmen kaum ein Wort Slowenisch.

Zell ist die Gemeinde mit dem größten Anteil von Kärntner Slowenen. Arbeitsplätze gibt es hier nur wenige und kaum Tourismus, wie Bürgermeister Heribert Kulmesch (SPÖ) bedauert.
Foto: Guido Gluschitsch

Das sei normalerweise anders, erklärt die Besitzerin. "Aber wenn eine Person im Lokal ist, die nicht Slowenisch spricht, dann reden wir alle Deutsch." Das gebiete die Höflichkeit. Und dieses Muster zieht sich durch den ganzen Ort. Nur das slowenische Kulturzentrum spart in der Außenansicht mit der deutschen Sprache. Die drohende Slowenisierung Kärntens, vor der die Freiheitliche Jugend (FJ) unlängst warnte – ist nicht einmal in Zell zu bemerken.

Verdrehte Augen

Wenn man sich in Kärnten umhört, dann heißt es meist: "Die Slowenen gehören zu Kärnten", oder man reagiert auf eine entsprechende Frage mit verdrehten Augen. Doch in einem Gasthaus in Zell findet sich spätabends ein Mann, der zwar schon leicht angeschlagen, sich aber umso leidenschaftlicher für das Windische einsetzt – und damit für Slowenen mit deutschfreundlicher Gesinnung. Die Bajuwaren werden in dem Gespräch noch öfter Thema sein als die Slowenen. Zu Streit mit den anwesenden Kärntner Slowenen führt das nicht. Die versuchen zu kalmieren und wieder über etwas anderes zu reden.

Manuel Jug ist Obmann des Zentralverbands slowenischer Organisationen (ZSO). Er befürchtet, dass es irgendwann keine Kärntner Slowenen mehr geben wird.
Foto: Thomas Hude

"Assimilation und Abwanderung", erklärt Manuel Jug, Obmann des Zentralverbandes slowenischer Organisationen (ZSO), seien die Hauptgründe dafür, dass die Volksgruppe der Kärntner Slowenen immer kleiner werde. Er meint damit, dass sich viele Kärntner Slowenen selbst nicht mehr als solche sehen.

Kärntner Slowenen in Wien

Wie viele es noch gibt, kann er nicht sagen, weil es dafür keine validen Daten gebe. "2001 waren es rund 12.000. Aber es werden immer weniger, und es kann passieren, dass es irgendwann gar keine mehr gibt. Jahrzehntelang herrschte eine antislowenische Stimmung, weil ranghohe Politiker eine solche Politik betrieben haben. Viele Kärntner Slowenen sind in die Städte ausgewandert, um dort einen Job zu finden", sagt er. Die meisten Kärntner Slowenen würden inzwischen in Wien leben, nimmt er an.

Heribert Kulmesch, SPÖ-Bürgermeister von Zell, fühlt sich in die Zeit des Ortstafelstreits zurückversetzt.
Foto: Guido Gluschitsch

Nach der Aussage der Freiheitlichen Jugend, dass Kärnten die Slowenisierung drohe, fühlt sich Heribert Kulmesch wieder in eine Zeit "zurückversetzt, in der es einen Ortstafelstreit und massive Angriffe gegenüber der Volksgruppe gegeben hat". Kulmesch ist Bürgermeister der SPÖ-Hochburg Zell und in der Gemeinschaft der Kärntner Slowenen und Sloweninnen aktiv. "Wir fühlen uns vor den Kopf gestoßen, das ist genau das, von dem wir geglaubt haben, dass das alles inzwischen überwunden ist. In den Slowenenkreisen sagt man, wir haben es schon immer gewusst, es ist noch nicht vorbei, die Angriffe kommen immer wieder, es ändert sich nichts."

Zurück im Tschecherl

Im Café Carmen ist man weniger empört, tut die Sache als fast schon lächerlich ab. Das Café ist ein ÖVP-Stammhaus, der einzige schwarze Gemeinderat von Zell ist der Bruder der Wirtin. Auf dem Tisch neben dem Eingang liegen türkise Flyer und Zuckerln zur freien Entnahme. Mit dem Bürgermeister ist man nicht bei allen Themen einer Meinung, auch wenn der ÖVP-Gemeinderat darauf besteht, dass er immer den Konsens suche. Jedenfalls einig ist man sich dabei, dass die Reaktionen auf den FJ-Sager eindeutig waren.

Wer die Landtagswahl gewinnen wird, darüber ist man sich in Zell einig.
Foto: Guido Gluschitsch

Kulmesch sagt, "es ist eine Protestwelle" wegen der Aussage entstanden. Die Bevölkerung, die Medien sprechen sich gegen die Diskriminierung aus, und auch die Rückmeldungen aus der Landespolitik seien eindeutig. "Was ich vermisst habe, ist, dass ich von der ÖVP keine Stellungnahme dazu gehört habe, dass das ungerechtfertigt ist."

So gut wie nie

Aber in den vergangenen Jahren habe sich viel verändert. "Da, wo wir leben, unsere Kultur und Sprache pflegen, geht es uns gut. Es gibt eine Konsensbereitschaft, und es sind unter Landeshauptmann Kaiser (SPÖ) viele gute Sachen umgesetzt worden. So gut wie jetzt ist es uns wahrscheinlich noch nie gegangen."

Ein altes Haus in Zell, unweit vom Gemeindezentrum, das wohl schon länger leer steht.
Foto: Guido Gluschitsch

Manuel Jug formuliert es etwas anders: "Es geht uns nicht so schlecht. Es gibt noch offene Punkte, aber es gibt auch viel, das schon gerichtet ist." Und was die Diskriminierung angehe, so gebe es nur mehr Einzelfälle, "die steht nicht mehr auf der Tagesordnung". (Guido Gluschitsch, 20.2.2023)