Das Bauprojekt um die geplante Marchfeld Schnellstraße (S8) hat einen langwierigen Rechtsstreit entfacht (Symbolbild).

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Gänserndorf/Wien – Der jahrelange Rechtsstreit um die geplante Marchfeld-Schnellstraße (S8) zwischen der Asfinag und dem Land Niederösterreich auf der einen sowie Anrainern und Bürgerinitiativen auf der anderen Seite geht in die nächste Runde. Laut einem "Kurier"-Bericht vom Donnerstag hat nun der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) ein Machtwort gesprochen und einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) "wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben". Dieses müsse nun selbst prüfen, ob eine alternative Trassenführung möglich sei, heißt es in dem Bericht. Beide Konfliktparteien sind damit zufrieden und hoffen nun auf eine Entscheidung zu ihren Gunsten.

Hin und Her

Die Causa zieht sich bereits seit Jahren, deshalb ein Überblick: Das Verkehrsministerium unter dem damaligen Minister Norbert Hofer (FPÖ) hatte mit Bescheid von April 2019 die Umweltverträglichkeit der S8 im Abschnitt West – Knoten S1/S8 bis Anschlussstelle Gänserndorf/Obersiebenbrunn bestätigt und damit die Errichtung genehmigt.

Gegen den positiven Bescheid der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zogen Bürgerinitiativen, Umweltorganisationen und Nachbarn vor Gericht. Sie bekämpften den von der Politik gegen den Naturschutz und die Fauna-Flora-Habitatrichtlinie durchgedrückten UVP-Bescheid erfolgreich vor dem Bundesverwaltungsgericht. Das BVwG gab ihnen Recht und verwies das Verfahren im September 2021 wegen Mängeln im Behördenverfahren und "Missachtung natur- und artenschutzrechtlicher Bestimmungen" sowie der fehlenden Prüfung von Alternativen in der Routenführung an die zuständige Behörde im Verkehrsministerium zurück.

Beide Konfliktparteien enttäuscht

Beide Seiten hätten sich jedoch erwartet, dass das BVwG bereits in der Sache selbst entscheidet und die Causa nicht wieder zurück ins Ministerium verlagert. Die Konfliktparteien legten Revision beim Verwaltungsgerichtshof ein. Das Land Niederösterreich forderte die Aufhebung der BVwG-Entscheidung. Für Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) wurden "all jene, die auf die Umsetzung der Straße warten, zu Unrecht in die nächste Verlängerung des mittlerweile über zehn Jahre dauernden Verfahrens geschickt."

Die Umweltorganisation "Virus" sowie die Bürgerinitiativen Marchfeld (BIM) und "Rettet die Lobau" waren der Auffassung, dass das BVwG den Genehmigungsantrag für die S8 nicht an das Umweltministerium zurückweisen hätte dürfen, sondern ihn gleich selbst abweisen hätte müssen. "Wir vertreten die Rechtsauffassung, dass ausreichend Gründe vorhanden sind, um die Entscheidung gegen die S8 selbst zu treffen, da bereits festgestellt wurde, dass eine Alternative existiert, die das Schutzgut geringer beeinträchtigt und haben dies nun dem Höchstgericht vorgelegt", teilte "Virus"-Sprecher Wolfgang Rehm damals mit.

Beide Konfliktparteien sehen Teilerfolg

Das VwGH-Urteil werten nun beide Konfliktparteien als Teilerfolg. "Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Ansicht vertreten, dass diese Alternativenprüfung ein viel zu großer Aufwand für das Gericht ist und diese vom Verkehrsministerium durchzuführen ist", sagt Anwältin Fiona List, die einen Antragsteller in der Causa vertritt. "Der Verwaltungsgerichtshof hat nun aber entschieden, dass das Bundesverwaltungsgericht sehr wohl eine Alternativenprüfung durchführen und in der Sache selbst entscheiden muss." Das BVwG müsse nun "dem Einreichprojekt der Marchfeld Schnellstraße den Garaus machen", sagte Rehm.

Verkehrslandesrat Schleritzko erwartet sich laut ORF jetzt indes eine rasche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Interesse der Region und der Bürgerinnen und Bürger, die seit Jahrzehnten auf eine Verkehrsentlastung durch den Bau der S8 warten würden.

Im "Kurier"-Bericht vom Donnerstag hieß es, dass das BVwG bereits umfassende Ermittlungsschritte gesetzt hatte. So seien ein 16 Monate dauerndes ergänzendes Ermittlungsverfahren, zwei Lokalaugenscheine und mehrere mündliche Verhandlungen durchgeführt sowie verschiedene Sachverständigengutachten eingeholt worden. "Bei Erlass des Beschlusses im September 2021 hatte das BVwG nämlich von jenem Sachverhalt auszugehen, der zu diesem Zeitpunkt vorlag, also dem ergänzten Sachverhalt", heißt es demnach in der VwGH-Entscheidung.

Der Abschnitt West ist rund 14,4 Kilometer lang und umfährt Raasdorf, Deutsch Wagram, Markgrafneusiedl, Strasshof, Obersiebenbrunn und Gänserndorf. Mit der Schnellstraße sollen die an der B8 liegenden Ortsdurchfahrten entlastet werden. (red, APA, 23.2.2023)