Die Raiffeisenbank International (RBI) verbucht Gewinnzuwächse. Grund ist unter anderem das gute Geschäft in Moskau.

Foto: REUTERS/LEONHARD FOEGE

Das neue, zehnte Sanktionspaket gegen Russland umfasse nicht weniger als die "weitreichendsten Sanktionen aller Zeiten", verkündete Ursula von der Leyen vergangenen Samstag. Im Zuge des ersten Jahrestags des Ukrainekrieges verabschiedeten die EU-Staaten einmal mehr neue Maßnahmen. Sie sollen Russlands Kriegsarsenal dezimieren und tief in die Wirtschaft eingreifen, hofft die Präsidentin der Europäischen Kommission.

Bereits einen Tag vor dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hatte die EU ein erstes Sanktionspaket beschlossen. Viele weitere folgten. Dass sie auch den erwünschten Effekt erzielt haben, wird allerdings von so manchem Experten bezweifelt. Die russische Inflation ist zwar hoch und die Wirtschaftsleistung leicht abgesackt. Existenziell getroffen wurde Russland bislang aber nicht.

Dass das zum Teil auch daran liegen könnte, das europäische Unternehmen Wege gefunden haben, die Sanktionen der EU zu umgehen, indem sie etwa Produkte über andere Staaten nach Russland verschiffen, stellt Georg Knill in Abrede. "Ich kenne kein Unternehmen, das versucht, die Sanktionen zu umgehen", sagte der Präsident der Industriellenvereinigung (IV) am Sonntag in der ORF-Pressestunde. "Die österreichischen Betriebe bewegen sich ganz klar innerhalb des Rechtsrahmens." Fakt ist allerdings, das viele österreichische Unternehmen legalerweise nach wie vor in Russland aktiv sind und das Vakuum für sich nutzen.

Drohnen und Kameras

Das neue Sanktionspaket der EU soll die Daumenschrauben jedenfalls weiter anziehen und Umgehungen der Sanktionen verhindern. Laut EU-Kommission umfasst das Paket Exportbeschränkungen in der Höhe von elf Milliarden Euro. Betroffen sind zudem 121 Einzelpersonen und Institutionen. Dazu kommen 96 Unternehmen und Behörden, darunter drei russische Banken. Erfasst sind erstmals auch iranische Unternehmen, die Russland Kampfdrohnen liefern.

Das Verbot, sogenannte Dual-Use-Güter nach Russland zu exportieren, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke genutzt werden können, wird ausgeweitet. Neu auf der Liste sind unter anderem elektronische Bauteile, Spezialfahrzeuge, Maschinenteile, Ersatzteile für Lastwagen und Triebwerke, Antennen, Kräne, Drohnen und Wärmebildkameras. Im Fokus stehen Produkte, die Russland nicht ohnedies über Drittstaaten wie China beziehen kann. Hinzu kommen neue Beschränkungen beim Import, zum Beispiel für synthetischen Kautschuk und Bitumen.

Viele von den rund 650 österreichischen Unternehmen, die bereits vor dem Krieg in Russland waren, sind indes nach wie vor im Land aktiv. Der Kranhersteller Palfinger etwa, der sich für einen dauerhaften Verbleib ebendort entschlossen hat. Man sei aus Verantwortung gegenüber den Menschen weiter vor Ort, habe den laufenden Austausch mit dem Betrieb aber mittlerweile gekappt, heißt es. Oder die Raiffeisenbank International (RBI), die seit 1996 in Russland aktiv ist und im Kriegsjahr 2022 noch besser als sonst verdient hat.

Profitiert die Raiffeisen?

Ein Mitgrund dafür könnte sein, dass die Raiffeisen das Vakuum nutzt, das andere westliche Banken in Russland hinterlassen haben – zumindest legt das ein aktueller Bericht der "Financial Times (FT)" nahe. Die britische Tageszeitung zitiert darin einen anonymen Raiffeisen-Manager. Die Bank wickle demnach mittlerweile "40 bis 50 Prozent aller Geldflüsse zwischen Russland und dem Rest der Welt ab". Die RBI könnte also indirekt vom Rückzug anderer Unternehmen und von den Sanktionen gegen Russland profitieren. Für eine entsprechende Anfrage des STANDARD war die Bank am Sonntag vorerst nicht erreichbar.

Wie viel Prozent des russischen Zahlungsverkehrs tatsächlich über die RBI laufen, ist laut Stefan Pichler, Bankexperte an der Wirtschaftsuniversität Wien, allerdings schwer zu beziffern. Daten dazu dürfte nur die russische Zentralbank selbst haben. Pichler vermutet, dass sich die anonyme Quelle in der "FT" auf das internationale Zahlungssystem Swift bezieht. Dort sei der relative Anteil der Bank zwar sicherlich gestiegen, der Anteil der Swift-Zahlungen am gesamten Zahlungsverkehr Russlands ist zuletzt aber stark gesunken.

Bei einer Pressekonferenz Ende Jänner hatte RBI-Chef Johann Strobl den hohen Gewinn auf mehrere Faktoren zurückgeführt. Man lukriere einen "enormen" Liquiditätszufluss und profitiere von der Aufwertung des Rubels. Die RBI ist in Russland eines der wenigen Institute, die noch an Swift teilnehmen dürfen. Die Zinserträge hätten 1,5 Milliarden Euro erreicht, die Provisionserträge rund zwei Milliarden Euro, hieß es seitens der Bank. Der Profit darf aber nicht abfließen, sondern muss in Russland bleiben.

Im Visier der USA

Fachleute dürfte es jedenfalls wenig überrascht haben, dass die RBI zuletzt ins Visier der US-Sanktionsbehörde Office of Foreign Assets Control (OFAC) geraten ist. Wie der STANDARD Mitte Februar berichtete, haben die amerikanischen Ermittlerinnen und Ermittler der Bank einen Brief mit Fragen zu ihren Geschäften in Russland, Belarus und in den besetzten Gebieten der Ukraine übermittelt.

Dabei handle es sich um Fragen "allgemeiner Natur", die darauf abzielen, "das Zahlungsverkehrsgeschäft und die damit verbundenen Prozesse der RBI im Lichte der jüngsten Entwicklungen in Bezug auf Russland und die Ukraine zu klären", teilte eine Banksprecherin damals mit. Man kooperiere in vollem Umfang und stelle mit Überwachungsinstrumenten sicher, dass die Sanktionen eingehalten werden.

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine vor einem Jahr dreht sich vieles im Raiffeisen-Konzern um die Frage, ob man sich aus dem russischen Markt zurückziehen solle. Auf Medienanfragen heißt es stets, dass man alle Optionen bis hin zu einem sorgfältig gesteuerten Ausstieg aus dem Land prüfe. Ein Rückzug wäre aber "komplex und langwierig", heißt es. Dazu komme, dass sich die "Rahmenbedingungen ständig ändern". (Jakob Pflügl, 26.2.2023)