Die OFAC, die nun der Raiffeisen International einen Brief geschrieben hat, ist eine der mächtigsten Institutionen der USA.

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Wer mit OFAC zu tun bekommt, dem Office of Foreign Assets Control in Washington, der sollte sich besser warm anziehen. Die Behörde gehört zum US-Finanzministerium, beschäftigt um die 200 Leute, vor allem Ermittler und Juristen – und ist eine der mächtigsten Institutionen der Vereinigten Staaten. Sie ist für die Umsetzung und Kontrolle aller US-Sanktionen zuständig – und kann in dem Zusammenhang Vermögen einfrieren, auf der ganzen Welt Dollar-Ströme abschnüren sowie Strafen wegen Sanktionsverstößen verhängen. Weder muss sie dafür ihre Dokumente offenlegen, noch braucht sie dafür die Gerichte.

"Die vier Buchstaben des Schreckens", nannte die deutsche Welt das Namenskürzel jener mächtigen Sanktionsspezialisten, die sich nun die Raiffeisen Bank International (RBI) und ihre Moskauer Tochter vorknöpfen. Insofern, als sie ihr im Jänner einen Brief zukommen ließen, mit allen Fragen, die mit dem Russland-Geschäft der börsennotierten Bank zusammenhängen.Die RBI betonte dazu, die Nachfrage sei nicht durch "eine bestimmte Transaktion oder Geschäftsaktivität" ausgelöst worden, sondern es gehe eher um allgemeine Fragen und das "Zahlungsverkehrsgeschäft und die damit verbundenen Prozesse der RBI" rund um Russland und die Ukraine.

Laut Nachrichtenagentur Reuters geht es auch um Aktivitäten im Donbas und in Syrien und um einzelne Kunden des Instituts. Die russische RBI-Tochter ist ja – trotz Sanktionen gegen russische Banken und deren Ausschluss aus dem Zahlungsverkehrssystem Swift – nach wie vor aktiv und im Swift und hat im Vorjahr einen Rekordgewinn von zwei Milliarden Euro geschrieben. Sie trägt somit rund 60 Prozent zum RBI-Konzernergebnis bei, wenngleich das Geld in Russland bleiben muss.

Im entferntesten Winkel

Unternehmen, etwa Banken, die wegen Sanktionsverstößen mit der hochspezialisierten OFAC-Truppe zu tun bekommen, kooperieren in aller Regel, verhandeln und einigen sich nicht selten auf Strafzahlungen, die sich mehr als gewaschen haben.

Geldinstitute sind besonders gefährdet, ins Netz der Behörde zu geraten, weil die Listen der von den USA sanktionierten Personen und Unternehmen enorm umfangreich sind und die Institute de facto all ihre Kundenbeziehungen mit diesen Listen abgleichen müssen.

Und die Beamten der OFAC sind gut darin, den Spuren des Geldes zu folgen: Dafür gibt es eine eigene Unterabteilung, das Office of Global Targeting, das Geldströme noch in den entferntesten Winkeln der Welt und in den diskretesten Steuerparadiesen aufspürt. Einige europäische Banken haben das am eigenen Leib erfahren. Die französische BNP Paribas hält mit einer Strafzahlung von fast neun Milliarden Dollar den Rekord: So viel zahlte sie 2014, weil sie mit ihren Geschäften gegen Sanktionen gegen den Sudan, Iran und Kuba verstoßen hatte.

Der Grund für deren Bereitschaft, sich auf hohe Geldstrafen einzulassen, ist vor allem folgender: Wenn die OFAC US-Korrespondenzbanken verbietet, Geschäfte mit einem bestimmten Institut zu machen, wird es sehr schnell sehr brenzlig. Denn damit wird die Bank von Dollar-Geschäften abgeschnitten, was sehr rasch zu großen Problemen führt – ein wenig so, als drehte man jemandem die Luftzufuhr ab. "Mit der OFAC darf man sich nicht spielen. Wenn sie sich bei einer Bank meldet, dann ist das sehr heikel", analysiert es ein Wiener Banker.Laut der Agentur Reuters, die zuerst über den Brief an die RBI berichtete, haben die USA der Bank für die Beantwortung ihrer Fragen Zeit bis Februar gegeben. Das Institut habe einen Antrag auf Fristerstreckung gestellt und verhandle, die Fragen im April, Mai und Juni in drei Tranchen beantworten zu dürfen.

Rute ins Fenster gestellt

Wie die Anfrage der Sanktionsbehörde aus Washington an die RBI über ihre Geschäfte zu interpretieren ist, das beschäftigt die Bankenbranche und die Aufsichtsbehörden gerade sehr. Dass die Amerikaner der RBI Zeit für die Abarbeitung der Fragenliste geben, deute darauf hin, dass sie keinen allzugroßen Druck aufbauen wollen, sagen mit der Sache Vertraute. Sonst hätte die OFAC ja Sofortmaßnahmen gegen die Bank ergreifen können. Möglicherweise habe die OFAC der RBI die Rute ins Fenster gestellt, um sie dazu zu bringen, rund um ihr Russland-Engagement "etwas zu unternehmen", sagt ein Informierter.

Es sei aus US-Sicht auch naheliegender, einmal die Bank aus dem neutralen Österreich zu adressieren, als Bank-Austria-Mutter Unicredit, die ja auch in Russland aktiv ist. Schließlich spiele Italien im Weltgeschehen eine bedeutendere Rolle als Österreich, Italien gehört wie die USA zur G7.

Die Unicredit hat gemäß STANDARD-Recherche keine Anfrage aus Washington bekommen. Dass die RBI für 2022 einen derart hohen Gewinn ausgewiesen hat, statt etwa hohe Risikovorsorgen für Russland in die Bücher zu nehmen, das sorgt freilich in der Branche und auch Aufsehern für Kopfschütteln. Das sei in diesen Kriegszeiten "eine Provokation" und möglicherweise auch auf Begehrlichkeiten mancher Landesbanken zurückzuführen, die ihre Wertansätze für die RBI nicht verringern wollten. Den Landesbanken gehört die RBI zu fast 59 Prozent und der Sektor ist in Österreichs Bankwirtschaft enorm wichtig: Alle Raiffeisenbanken zusammen haben einen Marktanteil von rund 33 Prozent. (Renate Graber, 19.2.2023)