Im Gastblog schreibt Europarechtsprofessor Thomas Ratka anhand eines Falles darüber, wann Privatschulen von Religionsgemeinschaften in Österreich gefördert werden – und wann nicht.

Kleinere Religionsgemeinschaften, die in Österreich gesetzlich nicht anerkannt sind, haben es im internationalen Vergleich schwer: Die gesetzliche Hürde, einen Antrag auf Anerkennung zu stellen, liegt – unter anderem – darin, dass der Religionsgemeinschaft mehr als 0,2 Prozent der Bevölkerung angehören müssen. Finanzielle Auswirkungen hat das etwa dann, wenn solche Religionsgesellschaften Privatschulen betreiben: § 17 Privatschulgesetz schließt diese – unabhängig von der Erfüllung der erforderlichen Qualitätskriterien – von der Antragstellung zur Erlangung öffentlicher Subventionen pauschal aus. Ein Besuch solcher Schulen wird damit viel schwerer bezahlbar. Nachdem der VfGH die 0,2 Prozent-Grenze vor einiger Zeit als verfassungskonform bestätigt hatte, schien auch der Weg zu öffentlichen Subventionen für Schulen zahlenmäßig schwächerer Religionsgemeinschaften lange versperrt.

Wie stehen die Möglichkeiten für eine Religionsgemeinschaft, die in einem anderen EU-Mitgliedsstaat anerkannt ist, hierzulande Subventionen für den Betrieb einer Privatschule zu erhalten?
Foto: IMAGO/U. J. Alexander

Eine unionsrechtliche Komponente erlangte die Fragestellung durch einen Fall rund um die "Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland". Diese ist in Deutschland, nicht aber in Österreich gesetzlich anerkannt und betreibt in Vorarlberg eine österreichische Privatschule, die in Österreich mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattet ist und teilweise als Brennpunktschule mit Fokus auch auf Kinder mit Sonderförderbedarf geführt wird. Eine weitere Schule sollte 2019 eröffnet werden. Die Bildungsdirektion für Vorarlberg wies die Anträge auf Personalkostensubventionen nach § 17 Privatschulgesetz mit der (altbekannten) Begründung ab, die Freikirche gehöre nicht zu den in Österreich anerkannten Religionsgesellschaften – inhaltliche Kriterien oder den Bedarf prüfe man daher erst gar nicht.

Pauschale Schlechterstellung

Die Freikirche argumentierte im Verfahren auch mit europarechtlichen Argumenten: Man werde von der Republik Österreich gegenüber in Österreich anerkannten Religionsgesellschaften unzulässig diskriminiert (im Herkunftsland Deutschland sei man schließlich als Körperschaft des öffentlichen Rechts staatlich anerkannt), und daher wäre man in seiner Niederlassungsfreiheit beschränkt – immerhin ist das Betreiben einer Privatschule (auch) eine wirtschaftliche Tätigkeit, die gegen Entgelt erfolgt (reine Religionsausübung ist demgegenüber vom Unionsrecht tendenziell nicht berührt). Die Ungleichbehandlung liege darin, dass das Schulgeld für die österreichische Privatschule einer – im Ausland anerkannten – Religionsgesellschaft in Österreich voll bezahlt werden müsse, während dieses bei einer konfessionellen Privatschule einer österreichischen Religionsgesellschaft (über den Umweg der Personalkosten) subventioniert werde.

Der letztinstanzliche Verwaltungsgerichtshof hatte Zweifel, ob dies mit dem Unionsrecht vereinbar ist, und legte die Fragestellung schließlich dem EuGH in Luxemburg im Rahmen eines "Vorabentscheidungsverfahrens" vor. Dieser stellte Anfang Februar in seinem Urteil zur Rechtssache C-372/21 ("Freikirche der Siebentagesadventisten in Deutschland KdöR gegen Bildungsdirektion Vorarlberg") fest, dass das Unionsrecht aufgrund der grenzüberschreitenden Komponente und der (auch) wirtschaftlichen Tätigkeit von Privatschulen zwar grundsätzlich anwendbar ist, eine in Österreich nicht anerkannte Religionsgesellschaft aber deswegen nicht mit öffentlichen Geldern gefördert werden muss, weil grundsätzlich eine Rechtfertigung für die Einschränkung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten vorliege. Die österreichische Regelung wolle nämlich sicherstellen, dass die subventionierten Schulen einen "bedeutenden Teil der Bevölkerung ansprechen": Konfessionelle Privatschulen würden "das öffentliche interkonfessionelle Schulsystem ergänzen, indem sie es den Eltern erleichtern, die ihrer religiösen Auffassung entsprechende Erziehung ihrer Kinder zu wählen".

Ist der österreichische Förderausschluss "kohärent"?

Damit ist die Sache für die Republik Österreich aber noch nicht vom Tisch: Der EuGH hat nämlich auch festgestellt, dass die nationale Einschränkung "geeignet" sein muss, "das betreffende legitime Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen." Daraus folgt, dass die nationale Maßnahme auch verhältnismäßig sein muss – und zwar im Sinne unionsrechtlicher Maßstäbe, die vom diesbezüglichen nationalen Verständnis zuweilen abweichen.

Ob ein argumentativ nicht überprüfbarer, weil pauschaler Ausschluss jedweder in Österreich nicht anerkannten Religionsgesellschaft von der Antragstellung "kohärent" ist und "in systematischer Weise" erfolgt, damit Österreich mit seinen Fördermaßnahmen tatsächlich nur "einen bedeutenden Teil der Bevölkerung" anspricht, wird nun vom Verwaltungsgerichtshof inhaltlich eingehend zu prüfen sein. Man darf gespannt sein.

Manche Privatschulen sind "gleicher"

Eine gewisse Brisanz hat der Fall vor allem dadurch, dass es in Österreich umgekehrt auch Religionsgemeinschaften gibt, die zwar die genannte 0,2-Prozent-Grenze ebenfalls (deutlich) nicht erreichen, ungeachtet dessen – aufgrund von Sonderregelungen – aber dennoch gesetzlich anerkannt sind (das trifft etwa auf die Österreichisch-Buddhistische Religionsgesellschaft zu) und damit vom Staat geförderte Privatschulen betreiben können – womit die vom EuGH genannten "legitimen Ziele" der österreichischen Privatschulförderung diesfalls aber gerade nicht erreicht werden, sondern eine offenkundige Ungleichgewichtslage geschaffen wird.

Interessant an der bevorstehenden Entscheidung ist, dass sich das oberste Verwaltungsgericht nicht einfach auf die bisherige VfGH-Judikatur hinsichtlich des Religionsrechts wird zurückziehen können, sondern die unionsrechtlichen Kriterien der "Kohärenz" und "Geeignetheit" des nationalen pauschalen Förderungsausschlusses, der jede Argumentation mit Qualitätserfüllung und Bedarf von vornherein aussichtslos macht, heranzuziehen hat. Insgesamt zeigt der Fall auch, dass eine politische Debatte über eine Reform der österreichischen Schulförderung, deren Bestimmungen zum Teil nur historisch mit Konkordat und anlassbezogenen Sondergesetzen, nicht jedoch systematisch zu erklären sind, geführt werden sollte. (Thomas Ratka, 1.3.2023)