Mehr Zeit für Erholung? Gesetzlich haben Beschäftigte erst nach 25 Jahren in einer Firma Anspruch auf die sechste Urlaubswoche.

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Der Wunsch vieler Beschäftigter nach mehr Freizeit ist groß. Während aktuell vor allem Debatten rund um die Arbeitszeit geführt werden, sind auch zusätzliche Urlaubstage eine Möglichkeit für einen besseren Ausgleich zwischen Job und Privatleben. Diese Chance haben manche Unternehmen schon erkannt und bieten ihren Mitarbeitenden eine sechste Urlaubswoche, darunter auch die Anbieter für Montage- und Befestigungsartikel Förch und Würth. In beiden Unternehmen haben die Beschäftigten nun eine Woche mehr Zeit für Erholung, Familie und Hobbys.

Bei Würth ist der Anspruch jedoch an eine einjährige Betriebszugehörigkeit geknüpft. Dennoch habe man laut Geschäftsführer Wilhelm Trumler diesen Schritt vor allem gesetzt, um für den Nachwuchs attraktiver zu werden: "Die Lebens- und Arbeitsrealitäten unserer Zeit haben sich gewandelt. Mit Einführung der sechsten Urlaubswoche ermöglichen wir unseren Mitarbeitenden nicht nur eine bessere Work-Life-Balance, sondern sehen dies auch als Zeichen der Wertschätzung." Gesetzlich haben Beschäftigte in Österreich erst nach 25 Jahren in einem Unternehmen Anspruch auf die sechste Urlaubswoche. Für die meisten Arbeitenden ist dieser – trotz Anrechnung der Ausbildungszeit – nicht mehr zu erreichen.

Häufige Jobwechsel

"Vor allem die jungen Generationen wechseln ihre Jobs häufiger und sind durch diese Regelung automatisch ausgeschlossen", sagt Philipp Brokes, stellvertretender Leiter der Abteilung Sozialpolitik bei der Arbeiterkammer Wien. Seit Jahren fordern Arbeiterkammer und der Österreichische Gewerkschaftsbund deshalb eine Anrechnung unabhängig von der Unternehmenszugehörigkeit. Einzelne Initiativen würde Brokes zwar im Sinne der Vorbildwirkung und bei der Suche nach gefragtem Personal begrüßen, am Ende dürfe die sechste Urlaubswoche aber kein Benefit für wenige sein.

Mit 25 Urlaubstagen liegt Österreich im internationalen Vergleich derzeit in der Mitte. Beschäftigte in Brasilien, Finnland und Frankreich haben mit 30 Tagen einen hohen, Arbeitende in China und Kanada mit jeweils zehn Tagen einen sehr geringen Urlaubsanspruch. Ein Modell abseits von festen Urlaubstagen hat seit heuer der Tech-Riese Microsoft – allerdings nur für Beschäftigte in den USA. Damit sind sie nicht die Ersten, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unbegrenzten Urlaub anbieten. Auch Salesforce, Linkedin, Oracle und Netflix führten in der Vergangenheit ähnliche Regelungen ein. Hierzulande verkündete das Start-up Bitpanda im Vorjahr den Urlaub ohne Limit.

Anspannung abbauen

Was zunächst klingt wie eine Utopie, kann sich schnell ins Gegenteil umkehren. Manche Unternehmen haben die Regelung schon wieder abgeschafft, nachdem Mitarbeitende sich sogar seltener freinahmen als zuvor. Denn viele Beschäftigte hätten ein schlechtes Gewissen, wenn sie ihr Team mit zusätzlichen To-dos belasten würden, oder haben Sorge im Job als weniger motiviert und leistungsfähig gesehen zu werden. Gerade wenn es um das Konsumieren von Urlaub geht, sei das jedoch fatal: "Wer nie richtig abschaltet, ist ständig in einem Anspannungszustand", erklärt Arbeitspsychologin Claudia Altmann.

Und ab wann ist eine Auszeit wirklich entspannend? "Die ideale Urlaubszeit ist individuell. Es dauert je nach Person unterschiedlich lange, bis die Anspannung weg ist und Entspannung stattfindet", sagt Altmann. In der Regel spricht man aber von zwei bis drei Wochen: eine Woche, um wirklich abzuschalten, die zweite zum Entspannen und die dritte, um sich wieder auf den Arbeitsalltag einzustimmen. Doch auch kurze Erholungsphasen seien wichtig, um Stress abzubauen. In ihrer Praxis würde die Arbeitspsychologin oft den Wunsch nach einer sechsten Urlaubswoche hören: "Das Bedürfnis nach mehr Freizeit ist durchaus verständlich, vor allem weil nicht jeder Urlaubstag auch für Erholung genutzt wird – wenn beispielsweise an freien Tagen Erledigungen gemacht und Angehörige betreut werden müssen." (Anika Dang, 2.3.2023)