Zu viele Mitarbeiter aus Ministerinnenkabinetten werden später aus parteipolitischen Motiven in die öffentliche Verwaltung gehievt, kritisieren Expertinnen und Experten.

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Etliche Korruptionsaffären haben Österreich in den vergangenen Jahren erschüttert. Und neben dem Schmieröl der Maschinenräume politischer Parteien und der Rolle einzelner Dreh- und Angelpunkte wie des einstigen Öbag-Chefs Thomas Schmid haben sie vor allem eines offengelegt: wie die aktuelle Verzahnung von Politik und Verwaltung die Republik anfällig macht. Für Korruption, für parteipolitische Postenbesetzungen im öffentlichen Dienst, aber auch für schlechtes Krisenmanagement und mangelnde Vorbereitung auf erwartbare Ausnahmesituationen – Stichwort Corona-Pandemie oder die großen Flucht- und Migrationsbewegungen 2015/16.

Eine neue Initiative von prominenten Expertinnen und Experten will diesen Tendenzen entgegenwirken – mit einem breiten Katalog an Forderungen und Verbesserungsvorschlägen, die sie jüngst erstmals präsentierte. Das größte Asset des 16-köpfigen Zusammenschlusses: Alle Mitglieder der "Initiative bessere Verwaltung" haben – teils jahrzehntelange – Innensicht. Die meisten sind oder waren selbst im öffentlichen Dienst aktiv, häufig in Spitzenpositionen der Republik. So finden sich in der Initiative der einstige Justizminister Clemens Jabloner, die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Irmgard Griss, der Verfassungs- und Verwaltungsrechtler Heinz Mayer oder der Antikorruptionsexperte Martin Kreutner.

Schlechte Noten im internationalen Vergleich

Als zentrale Probleme ortet man die zu übergroßen Apparaten angewachsenen Ministerkabinette und deren interne Abläufe, die Besetzung von Leitungspositionen nach parteipolitischem Kalkül und mangelnde Langzeitstrategien, aber zu viele politische Eingriffe in die Verwaltung. Das führe nicht nur zu mangelhafter Qualität im Service, sondern auch zu sinkender Motivation beim Personal – und zu längerfristigen Problemen: Das Management wie auch die Prävention von Krisen funktionierten nicht gut, wofür die Fachleute etwa das Corona-Management in Ischgl und das schnell gescheiterte Projekt "Kaufhaus Österreich" anführen. Auch die Unterbringungskrise nach den großen Flucht- und Migrationsbewegungen 2015/16 hätte mit besserer Vorbereitung teils verhindert werden können – schließlich hatte sich diese zu dem Zeitpunkt schon länger abgezeichnet.

Auch der internationale Vergleich ist für die heimische Verwaltung nicht eben schmeichelhaft: Bei den laufenden Leistungen stünden den in Österreich besonders hohen Kosten nur durchschnittliche Ergebnisse gegenüber, was sich auch in einer Verschlechterung in internationalen Rankings abbilde. Alles zusammengenommen führten die verschiedenen Problemfelder auch zu sinkendem Vertrauen der Bevölkerung in den Staat und seine Institutionen.

Parteigünstlinge in Beamtenjobs

Als Verbesserungsvorschläge stellt die Initiative 50 konkrete Forderungen auf, die sie in sieben Kapitel von der Organisation der Ministerien bis zu Transparenz und Antikorruption unterteilt. So wird etwa gefordert, die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kabinetten der Ministerinnen und Minister auf sechs Personen zu beschränken. Die Hälfte davon muss auch schon zuvor im jeweiligen Ressort gearbeitet haben. Hintergrund: Neue Minister besetzen bei Antritt ihres Jobs ihre jeweiligen Kabinettsposten mit Vertrauensleuten – häufig aufgrund parteipolitischer Erwägungen.

Parteigünstlinge in Ministerkabinetten wechseln allerdings später sehr häufig in Spitzenjobs im öffentlichen Dienst. Das färbt die Verwaltung weiter politisch ein und erschwert oft qualifizierteren Beamtinnen und Beamten ohne Parteinähe den Aufstieg. "Kurz bevor Ministerinnen und Minister gehen, bringen sie ihre Leute noch in der Verwaltung unter", sagt Griss zum STANDARD. Als Beispiel führt sie den einstigen Mitarbeiter des Bundeskanzleramts an, der kurz vor dem Ende der Regierung Kurz unter falschem Namen eine dienstliche Festplatte schreddern ließ. "Der wurde kurz darauf zum Abteilungsleiter befördert", sagt Griss.

Auch klare Qualifikationskriterien für Funktionen in Kabinetten und – besonders hohen – Verwaltungspositionen fordern die Expertinnen und Experten in ihrem 25-seitigen Papier. Und: die Abschaffung der weisungsberechtigten, politisch besetzen Generalsekretäre, die unter Türkis-Blau mit einer nie dagewesenen politischen Macht ausgestattet wurden und so zu einer "Bauchrednerpuppe" des jeweiligen Ministers avancierten, wie es Jabloner am Dienstag bei einer Pressekonferenz formulierte. Und Jabloner, könnte man ergänzen, muss es wissen, war er doch von Mitte 2019 an für rund sieben Monate selbst Minister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, wie es damals hieß – allerdings als Parteifreier in der Expertenregierung der damaligen Kanzlerin Brigitte Bierlein.

Transparentere Auswahl gefordert

Die Initiative fordert zudem Transparenz bei allen Auswahl-, Bewerbungs- und Besetzungsverfahren – statt der in der Verwaltung immer wieder auftauchenden Ausschreibungen, die bereits auf gewünschte Bewerber zugeschnitten sind. Denn immer wieder kommt es zu Fällen, in denen parteipolitische Nähe bei Auswahlprozessen offenbar fachliche Qualifikation und Erfahrung schlägt. Zuletzt sorgte etwa die Bestellung des langjährigen Sprechers von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Etienne Berchtold, zum Botschafter in Abu Dhabi für Aufsehen. Die Gleichbehandlungskommission, an die sich ein unterlegener Kandidat gewendet hatte, schrieb darauf in einem Gutachten, das Außenministerium habe sie "nicht davon überzeugen" können, dass diese Personalentscheidung auf einer sachlichen und objektiven Grundlage beruhe "und eben nicht auf einem weltanschaulichen Motiv".

Überhaupt ist mehr Transparenz ein zentraler Faktor im Forderungskatalog. Österreich sei dabei im internationalen Vergleich weit abgeschlagen. Dabei sei Transparenz "ein anerkanntes Präventionstool gegen Korruption", wie es im Papier heißt. Gefordert wird daher der Beschluss eines umfassenden Informationsfreiheitsgesetzes, mit dem auch das Amtsgeheimnis abgeschafft werden soll. Beides hat die türkis-grüne Regierung schon in ihrem Koalitionsübereinkommen Anfang 2020 festgehalten. Mehr als drei Jahre und mehrere Ankündigungen später ist das Gesetz allerdings immer noch nicht beschlossen.

Eine weitere Forderung in diesem Zusammenhang: eine lückenlose Dokumentation der Entscheidungsprozesse der Verwaltung, die sowohl Politikerinnen als auch Beamte in Führungspositionen betreffen soll. Die Löschung dienstlicher Nachrichten und jegliche Kommunikation zu Angelegenheiten, die die Republik betreffen, über Privatgeräte soll verboten werden. (Martin Tschiderer, 2.3.2023)