Franziska Giffey (SPD) will in Berlin Platz machen für Kai Wegner (CDU). Er soll, mithilfe der Sozialdemokraten, nächster Bürgermeister werden.

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"Ich mache das für Berlin. Aus Verantwortung für unsere Stadt. Für einen echten Neubeginn darf es kein 'Weiter so' geben." Mit diesen Worten informierte Franziska Giffey auf Instagram über ihre Entscheidung.

Niedergeschrieben hatte die Berliner Bürgermeisterin dies handschriftlich, sie postete ein Foto von dem Zettel – vielleicht, um ihren eigenen Beitrag deutlich zu machen, nämlich den Verzicht auf eine weitere Legislaturperiode als Chefin im Roten Rathaus.

In diesem sitzen seit 22 Jahren Sozialdemokraten: erst Klaus Wowereit (2001 bis 2014), dann Michael Müller und seit Dezember 2021 Franziska Giffey. Das hätte, nach roter Lesart, natürlich auch nach der Wahl am 13. Februar so weitergehen sollen – am besten im bisher regierenden Bündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei.

Deutlicher Vorsprung

Doch es ist bei dieser Wiederholung der Pannenwahl vom September 2021 anders gekommen. Die CDU zog deutlich an der SPD vorbei. Mit ihrem Spitzenkandidaten Kai Wegner kam sie auf 28,2 Prozent. Dahinter landeten SPD und Grüne, beide kamen auf 18,4 Prozent. Die SPD liegt dabei 53 Stimmen vor den Grünen. Insgesamt hat das bislang regierende linke Bündnis verloren.

Giffey zeigte sich zunächst zwar zerknirscht und sondierte auch mit der CDU, strebte aber dennoch eine Neuauflage von Rot-Grün-Rot an. Auch die bisherigen Partner – Grüne und Linkspartei – waren dafür bereit.

Doch nun erfolgte der Schwenk, Giffey schlug den Berliner Sozialdemokraten einen anderen Weg vor: nämlich sich als Juniorpartnerin in eine große Koalition unter Führung der CDU und Kai Wegner zu begeben. Im Raum stand auch eine Rückzugsdrohung, sollte der Vorstand nicht ihrem Ansinnen folgen.

SPD-Vorstand uneinig

Giffey aber konnte sich durchsetzen, das Ergebnis zeigt allerdings eine gewisse Zerrissenheit. Es gab 25 Ja-Stimmen für Koalitionsverhandlungen mit der CDU und zwölf Nein-Stimmen.

Nach dem Votum setzte die 44-jährige Giffey zu einem regelrechten Interviewmarathon an, um ihre Wende zu erklären. Sie sprach plötzlich von "Respekt vor dem Wahlergebnis". Zudem habe die SPD von den Grünen "eher Signale bekommen, dass Ziele, die uns wichtig waren, relativiert werden".

Immer wieder betonte die SPD-Politikerin, dass sie die Entscheidung nicht leichtfertig getroffen habe: "Ein Bündnis einzugehen, bei dem wir das Rote Rathaus verlieren, ist keine leichte Entscheidung." Es sei ihr aber auch um die Frage gegangen: "Wo bekommen wir so viel wie möglich SPD?"

Eben nicht in einer Koalition mit Linken und Grünen, so lautet das Fazit. Dies ist auch in einem Papier niedergeschrieben, in dem die SPD Bilanz über die Sondierungen zieht. Darin wird den Grünen Unzuverlässigkeit beim Verhandeln vorgeworfen. In "nahezu allen politischen Teilbereichen haben die Grünen erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Verabredungsfähigkeit aufkommen lassen", heißt es.

Als Beispiele werden Wohnungsbau in der deutschen Hauptstadt, der Neubau von Schulen, aber auch die Fortführung des 29-Euro-Tickets genannt. Die Linken gelten der SPD ebenso als unsichere Kantonisten.

Über sie heißt es, sie stünden vor einer "Zerreißprobe", man habe "erhebliche Zweifel an der Durchsetzungsfähigkeit verabredeter Positionen in der Breite der Partei". Mehr "Gestaltungsmacht" rechnet sich die SPD nun doch in einer Koalition mit der CDU aus.

Grüne kalt erwischt

Kalt erwischt von Giffeys Schwenk wurden die Grünen. Diese waren davon ausgegangen, am Mittwoch die rot-grün-roten Gespräche gemeinsam zu bewerten. "Von den Plänen der SPD wurden auch wir aus der Presse überrascht", sagte Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch. Jetzt werde es wohl zu einer "Rückschrittskoalition" kommen.

Der Meinung sind jedoch auch einige in der SPD. Vor allem die Jusos lehnen Schwarz-Rot ab und wollen die Koalition noch stoppen. "Eine Koa mit der CDU halten wir nach wie vor für einen großen Fehler. Was jetzt folgen wird und muss, ist die größte parteiinterne Kampagne, die die @spdberlin je gesehen hat. Seid bereit, denn wir sind’s", twitterten sie am Donnerstag.

Wenn ein schwarz-roter Koalitionsvertrag vorliegt, dann müssen bei den Sozialdemokraten noch die Mitglieder darüber abstimmen. Hier sehen die Jusos eine Chance zur Kurskorrektur.

Auch die CDU tendiert jedenfalls zur "GroKo", wie Donnerstagabend erneut klar wurde. Da entschied die Berliner Stadtpartei, ebenfalls zunächst mir der SPD in Koalitionsverhandlungen zu gehen. Ganz unumstritten war das nicht gewesen, aus der Partei war immer wieder zu hören, dass es schon auch gute Gründe für eine Koalition mit den Grünen gegeben hätte. (Birgit Baumann aus Berlin, 2.3.2023)