Auch wenn es manche Grüne nun anders darstellen wollen: Die Kärntner Landtagswahl war für die Ökopartei eine herbe Enttäuschung. Lediglich 3,9 Prozent der Wählerinnen und Wähler konnten die Grünen am Sonntag überzeugen. Vor dem Ergebnis steht zwar ein Plus – allerdings nur ein sehr kleines von 0,7 Prozentpunkten. Für den erhofften Wiedereinzug in den Kärntner Landtag reicht das nicht.

Die grüne Klubobfrau im Parlament, Sigrid Maurer, gab sich am Wahlabend dennoch zufrieden. "Wir haben dazugewonnen – aus der außerparlamentarischen Opposition heraus. Das ist natürlich sehr erfreulich", erklärte Maurer in einer ersten Reaktion auf das vorläufige Wahlergebnis. Das erzielte Plus der Grünen zeige, dass es "viele Menschen gibt, die unseren Weg unterstützen".

Video: Vizekanzler Werner Kogler über den verpassten Wiedereinzug in den Landtag, Klimaschutz als Wahlkampfthema und die Rolle der Bundespartei.
DER STANDARD

Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht ganz klar, ob die Grünen vielleicht doch noch die Fünfprozenthürde überspringen und damit in den Landtag einziehen. Wenig später stand fest: An diesem Ziel sind sie gescheitert. Aber warum? Die Ausgangslage war für die Grünen gar nicht so schlecht.

"Aufstehen, Krone richten, weiterkämpfen", richtete Parteichef Werner Kogler der Kärntner Spitzenkandidatin Olga Voglauer aus.
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Dass grüne Politik auch in Kärnten funktionieren kann, hat die Partei bereits beweisen. Bei der Landtagswahl 2013 bekamen die Grünen 12,1 Prozent der Stimmen – ein respektables Ergebnis. Danach sind sie in die Landesregierung eingezogen. Damals mit SPÖ und ÖVP. Bei der kommenden Wahl folgte der Absturz: 2018 kamen die Grünen gerade noch auf 3,1 Prozent und flogen aus dem Landtag. Die herben Verluste wurden als Quittung für damaligen Streitereien und Querelen der Bundesgrünen interpretiert.

Die gegenwärtige Themenlage spielte den Grünen hingegen eigentlich in die Karten. In Vorwahlbefragungen seien Umwelt- und Klimathemen – also grüne Kernanliegen – am zweithäufigsten als Wahlmotiv genannt worden, sagt Wahlforscher Christoph Hofinger im STANDARD-Chat. (Thema Nummer eins war die Teuerung.) Hinzu kommt: Ein so klares Wahlziel, wie die Fünfprozenthürde zu nehmen, kann Menschen motivieren und mobilisieren.

Woran sind die Grünen also gescheitert?

1. Die Krux mit der Demografie

Eine Erklärung, die von vielen Grünen nun gerne vorgebracht wird, lautet: Kärnten sei ein kompliziertes Terrain. "Kärnten ist ein traditionell schwieriges Pflaster für die Grünen", erklärte etwa Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler. Er zeigte sich in seiner Wahlanalyse etwas nüchterner als Klubobfrau Maurer: Es sei schade, dass die Kärntner Grünen nicht in den Landtag einziehen werden. Der Kärntner Spitzenkandidatin Olga Voglauer stärkte er den Rücken: Sie werde dennoch eine starke grüne Stimme in Kärnten bleiben. "Aufstehen, Krone richten, weiterkämpfen", befand Kogler.

Richtig ist, dass es in Kärnten für die Grünen verhältnismäßig lange gedauert hat, überhaupt Fuß zu fassen. Obwohl sie seit 1986 im Nationalrat vertreten waren, zogen sie erst 18 Jahre später in den Kärntner Landtag ein. 2004 bekamen die Grünen dort die ersten Mandate. Eine mögliche Ursache dafür ist die Demografie.

Das 560.000 Einwohner starke Bundesland habe vergleichsweise weniger junge Bewohnerinnen und Maturanten oder Uni-Absolventinnen, sagt Wahlforscher Hofinger. Bereits im Wahlkampf wiesen Polit-Fachleute mehrfach darauf hin, dass Kärnten kaum urbane Zentren aufweist, wo sich derartige Bevölkerungsgruppen tendenziell finden. All das bedeutet: Das klassische Grün-affine Publikum ist dort weniger zu finden als in anderen Regionen Österreichs. Das ist aber bei weitem nicht der einzige Grund für das magere grüne Ergebnis.

2. Liberale rote Konkurrenz

Die Grünen haben in Kärnten im linken Spektrum starke Konkurrenz von den Sozialdemokraten. Politologie Reinhard Heinisch formuliert es im Gespräch mit den "Salzburger Nachrichten" so: Das Problem der Grünen sei, dass die SPÖ sehr intellektuell, "kaiserartig" und liberal auftrete.

Für das große Potenzial an Rot-affinen Wählerinnen und Wählern, die diesmal kein Kreuzerl bei der SPÖ gemacht haben, kamen die Grünen offenbar nicht als Alternative infrage. "Die Wählerströme zeigen, dass es den Grünen nicht gelungen ist, demotivierte Sozialdemokratinnen zu gewinnen", sagt Wahlforscher Hofinger. "Da hätte es ja genug am Wählerinnenmarkt gegeben." Diese Gruppe sei aber vor allem zu Gerhard Köfers Team Kärnten oder gar nicht wählen gegangen.

3. Zu monothematisch

Ein weiterer Grund der geringen Attraktivität der Grünen für enttäuschte SPÖ-Wähler sei der Fokus auf den Klimaschutz als einziges Thema, sagt Hofinger. "Rot-grüne Wechslerinnen hätten da offenbar was anderes gebraucht." In diese Richtung ging am Montag auch die Problemanalyse in grünen Regierungskreisen. Klimaschutz und Energiewende seien für Voglauer die wichtigsten Themen im Wahlkampf gewesen, das sei auch nachvollziehbar und bei den Wählern angekommen. Allerdings seien nicht genug Menschen damit erreicht worden, das müsse man nicht schönreden, hieß es zum STANDARD.

Klubchefin Maurer hatte Sonntagabend noch erklärt: "Der Grund für die Teuerung sind ja die hohen Energiepreise und der Krieg in der Ukraine und damit verbunden die Abhängigkeit vom russischen Gas." Die Energiewende sei das "zentrale Thema schlechthin", um diese Abhängigkeit zu "durchbrechen", argumentierte sie.

4. Fluch Regierungsbeteiligung

Auffällig war im Wahlkampf die starke Präsenz von Vertreterinnen aus der grünen Regierungsriege in Kärnten. Vizekanzler Kogler war vor Ort, ebenso Justizministerin Alma Zadić und Umweltministerin Leonore Gewessler. War das hilfreich, oder wurde damit ein Bärendienst erwiesen?

Am Freitag vor der Landtagswahl gaben sich Spitzenkandidatin Olga Voglauer und Umweltministerin Leonore Gewessler beim Wahlkampffinale noch zuversichtlich.
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Dass die grüne Regierungsbeteiligung im Bund zumindest eine kleine Rolle gespielt haben dürfte, ist naheliegend. Es gibt diesbezüglich zwei Sichtweisen. Jemand aus der Partei analysiert: Die Kärntner Grünen würden sich zwar in der außerparlamentarischen Opposition befinden, durch die Koalition mit der ÖVP im Bund seien die Grünen aber dennoch sehr präsent. Möglicherweise habe das die Motivation bei Kärntner Grünen-Sympathisanten, die Ökopartei wieder zurück in den Landtag zu holen, etwas geschwächt. Gefühlt seien die Grünen schließlich gar nicht "weg" gewesen.

Die andere Sichtweise wäre: Grün-Sympathisanten haben der Partei für ihre Performance im Bund einen Denkzettel verpasst. Die Kärntner Grünen beraten am Montag über den weiteren Weg der Landespartei, auch hier werden Probleme analysiert werden. Olga Voglauer dürfte als Landesparteichefin jedoch unumstritten sein.

5. Ressourcenfrage

Fakt ist: Als nicht im Landtag vertretene Partei hatten die Grünen im Wahlkampf eine strukturell schlechtere Ausgansposition als die Landtagsfraktionen. Auch die öffentliche Bühne war dadurch deutlich kleiner für die Grünen. Der Rauswurf aus dem Landtag hatte einen Mitarbeiterschwund gebracht – das rächt sich in einem Wahlkampf. Auch finanzielle Mittel kamen abhanden, 450.000 Euro für die Kampagne kamen von den Bundesgrünen. Dieser Ressourcenmangel ist ein Problem, das die Grünen mit den Neos teilen.

Eine weitere bittere Pille für die Kärntner Grünen: Wäre der Wiedereinzug in den Landtag gelungen, wäre der neu zu bildenden Fraktion ein 500.000 Euro schwerer Bonus zugestanden. Den bekommen sie nun nicht. (Katharina Mittelstaedt, Stefanie Rachbauer, 6.3.2023)