Auf Klimademos kam es in den vergangenen Jahren auch zu unerlaubter Gewaltanwendung durch Polizeibeamte.

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Polizeigewalt ist ein Thema. Nicht nur in Autokratien und Diktaturen, auch in Österreich. Das belegen zahlreiche Fälle der vergangenen Jahre, in denen Polizisten unzulässige körperliche Gewalt anwandten – zuletzt auch gegen Klimaaktivisten. Obwohl es nur bei wenigen Amtshandlungen zu Kompetenzüberschreitungen kommt und die allermeisten Beamten sich korrekt verhalten: Übergriffe auch durch einzelne Beamte sind fatal.

Denn Polizistinnen und Polizisten erfüllen zentrale Aufgaben in einer Gesellschaft, für das Funktionieren der Demokratie und zur Sicherung der Menschenrechte. Dafür, und nur dafür, hat die Exekutive das Gewaltmonopol. Wenn sie selbst Menschenrechte missachtet, ohne Legitimation Gewalt anwendet, wird das Vertrauen in die gesamte Polizei ausgehöhlt. Dieses Vertrauen ist für einen funktionierenden Rechtsstaat aber unabdingbar.

Zweifel an der Unabhängigkeit

Ebenso fatal ist es, wenn es für übergriffig gewordene Beamte keine nennenswerten Konsequenzen gibt. Wenn Kollegen einander aus falsch verstandenem Korpsgeist decken – und die Missetäter bestenfalls an andere Dienststellen versetzt werden. Genau das passierte in der Vergangenheit nur allzu oft, weil bei Verdacht auf Polizeigewalt nur intern untersucht wurde. Soll heißen: Die Polizei ermittelte gegen sich selbst.

Dass sich daran etwas ändern muss, hat die türkis-grüne Bundesregierung richtig erkannt und die Schaffung einer "unabhängigen Beschwerde- und Ermittlungsstelle" bei Polizeigewalt in ihr Koalitionsübereinkommen aufgenommen. Nach drei langen Jahren wurde die schon mehrfach angekündigte Einrichtung am Montag endlich vorgestellt – und ist trotz der langen Vorlaufzeit eine vergebene Chance. Denn an der tatsächlichen Unabhängigkeit der Stelle gibt es aufgrund ihrer Struktur erhebliche Zweifel: Sie ist dem Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung unterstellt und steht somit unter Weisungsbefugnis des Innenministers – wie auch die gesamte Exekutive.

Glaubwürdigkeit nicht gegeben

Dass Justizministerin Alma Zadić bei der Präsentation betonte, Weisungen dürften nur schriftlich erfolgen, ist gut, aber nicht gut genug: Wer Ministerien von innen kennt, weiß, dass informell dennoch oft zum Telefonhörer gegriffen wird. Andere Möglichkeiten zur Anbindung der Stelle hätte es durchaus gegeben – Fachleute verweisen etwa auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft oder auf die Volksanwaltschaft.

Zwar hätte jede dieser Einrichtungen als übergeordnete Stelle ihre Vor- und Nachteile. Doch die Weisungsbefugnis des Innenressorts lässt nicht nur politische Beobachter an der Unabhängigkeit der Stelle zweifeln. Auch Menschenrechtsorganisationen haben ihre Bedenken und kritisieren die Konstruktion. Das ist ein denkbar schlechter Start für eine eigentlich gut gemeinte Einrichtung. (Martin Tschiderer, 6.3.2023)