Was von ukrainischen Städten übrig bleibt, wenn Russland kraft seiner Artillerie die "Entmilitarisierung" und "Entnazifizierung" des Landes vorantreibt, führen Drohnenaufnahmen aus der einst 10.000-Seelen-Gemeinde Marjinka in der Ostukraine der Welt vor Augen. Seit 2014 wird dort gekämpft, im vergangenen Jahr richtete die russische Armee die Stadt nahe Donezk vollends zugrunde – kein Haus steht mehr, ganze Straßenzüge wurden durch Granaten ausgelöscht, die orthodoxe Kirche zu Ehren der Gottesmutter von Kasan völlig zerstört. Jedes Leben, so scheint es, ist aus Marjinka gewichen.

Apokalyptische Zerstörungen werden aus der ostukrainischen Stadt Marjinka gemeldet. Der Vorort von Donezk wurde von russischer Artillerie in Grund und Boden geschossen.
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Der 100 Kilometer weiter nordöstlich gelegenen Stadt Bachmut droht ein ähnliches Schicksal. 70.000 Menschen haben dort vor dem Beginn des russischen Angriffskrieges gewohnt, wer heute noch dort ist, lebt in Kellern. Strategisch ist die Stadt von geringer Bedeutung, für Moskau wäre ihre Einnahme aber ein langerwarteter – und mit vermutlich tausenden Soldatenleben erkämpfter – Erfolg. Am Freitag hatte Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnergruppe Wagner, Bachmut für umzingelt erklärt.

Inner-russische Front

Am Wochenende mehrten sich Gerüchte, wonach die ukrainischen Verteidiger unmittelbar vor ihrem Rückzug aus Bachmut stünden. Bis Montag gab es dafür aber keine Bestätigung. Im Gegenteil: Wolodymyr Nasarenko, ein ukrainischer Kommandant in Bachmut, erklärte auf Telegram, die Verteidigung halte, auch wenn die Lage kritisch sei. "Die Situation ist ziemlich die Hölle, wie auf der ganzen Ostfront."

Die Situation in Bachmut lässt auch eine innerrussische Front wieder aufbrechen: Am Montag erklärte Wagner-Chef Prigoschin, dessen Kämpfer einen Gutteil der russischen Truppen in Bachmut ausmachen, seinem Vertreter sei der Zugang zum russischen Einsatzhauptquartier in der Ukraine verwehrt worden.

Seinem Unmut machte der Söldnerchef mit einer handfesten Drohung Luft. Adressiert war sie an den Kreml: Bekämen seine Leute nämlich nicht bald die versprochene Munition, die sie für ihren Kampf gegen die ukrainische Armee brauchten, würde sich Wagner zurückziehen. Dies, so Prigoschin, könnte den Zusammenbruch der gesamten Front nach sich ziehen. "Im Moment versuchen wir herauszufinden, was der Grund dafür ist: Ist es nur gewöhnliche Bürokratie oder ein Verrat."

Verteidigungsminister Sergej Schoigu, der besonders in der Kritik des Söldnerchefs steht, besuchte am Montag einen weiteren Ort, dessen Name symbolisch für Russlands Vernichtungskrieg steht: Mariupol.

Schoigu habe während seiner Inspektionsreise die Arbeit der Baubrigaden kontrolliert, teilte das Verteidigungsministerium am Montag mit. Die ostukrainische Hafenstadt, die gleich zu Beginn der Invasion vor einem Jahr massiv angegriffen worden war, soll nach den Plänen Moskaus schon bald neu erblühen – als russische Stadt. Schoigus Dienstreise soll auch der zunehmenden Kritik Wind aus den Segeln nehmen, wonach die Führung in Moskau den Krieg in der Ukraine weitgehend von ihren Büros im Kreml aus führe.

Das ukrainische Militär erklärte unterdessen, dass Kommandanten von Russlands 155. Brigade, die bei der Stadt Wuhledar südlich von Bachmut im Einsatz sind, Befehle verweigerten. Man wolle nicht länger auf die Kommandos ungeschulter Offiziere hören, die russische Soldaten mangelhaft ausgerüstet in die Schlacht schickten, hieß es. (Florian Niederndorfer, 6.3.2023)