Nasser Al-Khelaifi bei der Verkündigung der Vertragsverlängerung von Kylian Mbappé.

Foto: AP/Michel Spingler

Nasser Al-Khelaifi, der Präsident des Fußballklubs Paris Saint-Germain, ist ein Mann der Konflikte. Mit der Pariser Bürgermeisterin streitet er sich, weil der Klub der Stadt gerne das Prinzenpark-Stadion kaufen will; doch der Verein bleibt Untermieter in seiner eigenen Heimstätte. Seit Jänner ermittelt die französische Staatsanwaltschaft gegen Al-Khelaifi, weil der 49-Jährige in seinem persönlichen Beraterstab Schwarzarbeit geduldet haben soll. Ein weiterer Vorwurf, mit dem sich der Katarer konfrontiert sieht, eröffnet eine neue Dimension: Al-Khelaifi soll verantwortet haben, einen Mann zu entführen und zu foltern.

Ursprünglich wollte Al-Khelaifi Tennisprofi werden. Er wurde in Doha als Sohn eines Perlenfischers geboren, immerhin brachte er es auf zwei Profimatches auf der ATP-Tour. Eines davon verlor er gegen Thomas Muster: Im Jahr 1996 musste er sich in St. Pölten 0:6, 1:6 geschlagen geben. Auf dem Platz setzte es Niederlagen, das Netzwerk, das Al-Khelaifi sich über den Sport aufbaute, wurde zum Gewinn. Er lernte den heutigen Emir von Katar kennen, Tamim bin Hamad al-Thani. Alte Freundschaft rostet nicht: Als Katar über seinen staatlichen Investmentfonds 2011 die Mehrheitsanteile an PSG erstand, berief al-Thani seinen Spezl Al-Khelaifi als Klubpräsidenten ein.

Umstrittener TV-Sender

Die Wahrheit ist: Al-Khelaifi ist auch ein Mann der Interessenkonflikte. Nebenbei leitet der PSG-Chef die Geschäfte des Sportsenders beIN Sports, der Übertragungsrechte an Spitzenfußball im arabischen Raum, aber auch in Frankreich hält. Dieses Engagement brachte Al-Khelaifi schon mehrmals strafrechtliche Probleme ein. Im vergangenen Jahr klagte der Präsident der spanischen Fußballliga Al-Khelaifi: beIn Sports soll TV-Rechte an La Liga nicht bezahlt haben. Für die Rechte an den Fußball-Weltmeisterschaften eröffneten Schweizer Behörden 2017 ein Strafverfahren wegen Bestechung, die Ermittlungen wurden nach drei Jahren eingestellt. Bei bei den neuesten, bislang eindringlichsten Vorwürfen geht es ebenfalls um beIn Sports – und eine Zivilklage.

Der französisch-algerische Lobbyist Tayeb Benabderrahmane wirft Al-Khelaifi Freiheitsberaubung, Folter und Entführung vor. Benabderrahmane reiste im Jänner 2020 nach Katar, eigentlich wollte er höchstens drei Monate bleiben, doch er wurde festgehalten. Sechs Monate lang soll er inhaftiert und gefoltert worden sein, behauptet er in seiner Klage. Danach musste er in Hausarrest. Erst als Benabderrahmane eine Verschwiegenheitserklärung über sämtliche Vorkommnisse in Katar unterzeichnete, erhielt er eine Ausreisegenehmigung.

Wie die französische Sportzeitung "L’Equipe" berichtet, soll Benabderrahmane sensible Dokumente über die Organisation der WM in Katar gesichtet haben. Weiters dürfte er in Kenntnis pikanter Details über die TV-Rechtevergabe an beIn Sports erlangt haben. Bestätigt ist dies jedoch nicht.

Die Staatsanwaltschaft in Paris hat sich in der vergangenen Woche des Falls angenommen. "Wir freuen uns sehr, dass die eigentliche Akte dieser Geschichte endlich Gegenstand einer Untersuchung durch die französische Justiz ist", sagten die Anwälte von Benabderrahmane. Die Anwälte von Al-Khelaifi haben sich bisher nicht zur Causa geäußert.

Gescheiterte Offensive

"Wir träumen groß", sagte Al-Khelaifi bei seinem Antritt bei PSG im Jahr 2011. "Es ist simpel: Wir basteln ein Team zusammen, das eines der besten in Europa sein wird." Inzwischen entwickelte er sich zu einem der wichtigsten Personen im Weltfußball. Als in Pandemiezeiten Großklubs offen über eine geschlossene Super League philosophierten, erteilte Al-Khelaifi der größenwahnsinnigen Idee rasch eine Absage. Das steigerte sein Ansehen innerhalb der Uefa. Auch deshalb ist er heute Vorsitzender der European Club Association, einer länderübergreifenden Dachorganisation von 220 Vereinen.

Bei PSG zählt für ihn nur die Champions League, bis heute bleibt der heilige Gral des europäischen Klubfußballs trotz aller Investitionen unerreicht. Das bisher einzige Endspiel ging 2020 gegen die Bayern 0:1 verloren, auch im Achtelfinal-Hinspiel vor drei Wochen setzte es in Paris dasselbe Ergebnis.

PSG bleibt ein Konstrukt aus Stars, das den Transfermarkt kaputtmacht. Der politische Einfluss aus Katar wird immer augenscheinlicher, die Verantwortlichen wollen ihn auch gar nicht mehr verstecken. In dieser Saison sollte es Weltmeister Lionel Messi zusammen mit Kylian Mbappé und Neymar richten. Doch Neymar fällt mit einer Knöchelverletzung für den Rest der Saison aus. Messi sagt vor dem Rückspiel gegen die Bayern: "Wir sind gut vorbereitet und in der Lage, das Ganze zu drehen." (red, 8.3.2023)