Botschafterin Pirkko Hämäläinen spricht im Interview über die Sauna und Krieg, finnische Grillwurst und Saunadiplomatie.
Foto: Regine Hendrich

Ein roter Teppich geleitet Gäste die Stufen hinauf bis zur Tür. Ein goldenes Schild im Stiegenhaus verrät, dass sich hier die Residenz der finnischen Botschaft befindet. Hier empfängt Pirkko Hämäläinen den STANDARD. Sie ist seit 2019 Botschafterin Finnlands in Österreich, 61 Jahre alt, hat braunes Haar, trägt eine Brille im selben Farbton und elegant-förmliche Kleidung.

Ihre Residenz in Wien besteht aus mehreren Räumen, die teils österreichisch, teils finnisch anmuten. In einem hängt ein Bild, das das Café Central zeigt. In einem anderen sind Möbel eines finnischen Architekten und Designers arrangiert. Hier wird später auch noch Wurst mit Senf und Bier serviert werden – ein typisches finnisches Saunagericht. Schließlich geht es an diesem Tag genau darum: die Sauna und die Frage, ob sie auch ein politischer Ort sein kann.

In Finnland schwitzten schon der ehemalige Präsident Kekkonen und Chruschtschow gemeinsam, im Parlament in Helsinki gibt es eine Sauna, und selbst auf Friedensmission nehmen finnische Truppen eine mit.

Die Wiener Botschaft selbst habe keine repräsentative Sauna, sagt die Botschafterin, die ihre private Sauna in der Residenz für einen Aufguss und ein Gespräch mit dem STANDARD zur Verfügung stellt.

Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Frau Botschafterin, jetzt wird es langsam warm hier. Was ist das Tolle am Schwitzen?

Hämäläinen: Schwitzen ist gesund. Nicht nur physisch, sondern psychisch. In der Sauna können wir sozial sein, aber wir können auch still sein. Wenn niemand spricht, ist das nicht unhöflich. Die Sauna ist ein Ort, wo alles möglich ist, ganz oft geht es um gemütliches Zusammensein. Man kann allein sein oder mit anderen Leuten zusammen. Nackt sind wir alle gleich. Auch wenn man zum Beispiel Minister ist.

STANDARD: Das heißt, man geht in Finnland immer nackt in die Sauna?

Hämäläinen: Ja. Wenn es Saunen gibt, in die Männer und Frauen zusammen gehen, dann haben wir einen Badeanzug an, aber normalerweise haben wir Saunen für Frauen und Männer getrennt, und dann gehen wir nackt. Wir sind schon als Babys in der Sauna, das ist für uns normal. Ich könnte gar nicht mit einem Handtuch in die Sauna gehen.

STANDARD: Wie oft sind Sie im beruflichen Kontext in der Sauna?

Hämäläinen: Als ich in Riga war (ebenfalls als Botschafterin, Anmerkung) hatten wir eine sehr schöne Sauna, und es gab auch Platz um zum Essen, Sitzen und zum Sprechen. Da hatten wir Saunaabende mit unterschiedlichen Menschen. Fast in jeder Botschaft gibt es eine repräsentative Sauna. Das ist normal für uns, aber es heißt natürlich nicht, dass Leute in die Sauna gehen müssen, wenn wir sie einladen. Es geht um die Idee und das entspannte Zusammensein.

STANDARD: Waren Sie in Wien schon einmal mit jemandem aus Diplomatie oder Politik in der Sauna?

Hämäläinen: Leider nicht. Wir haben in der Botschaft keine Sauna, in der ich oder meine Kollegen und Kolleginnen etwas organisieren könnten. Ich würde gerne eine solche repräsentative Sauna haben.

STANDARD: Was wäre in einer repräsentativen Sauna anders?

Hämäläinen: Das hier ist nur eine Privatsauna. Eine repräsentative wäre größer, es könnten zwischen acht und zehn Personen hier sitzen, wir hätten größere Duschmöglichkeiten und auch eine Umkleide und ein Kaminzimmer.

Foto: Regine Hendrich

Es zischt, als die Botschafterin mit der Kelle einen Aufguss macht. Zwischen 70 und 80 Grad hat es in dem kleinen Raum mit den hölzernen Bänken.

STANDARD: In Finnland sind schon sehr prominente Personen zusammen in der Sauna gewesen, zum Beispiel der sowjetische Politiker Nikita Chruschtschow mit dem ehemaligen finnischen Präsidenten Urho Kekkonen. Wie verhandelt es sich anders in einer Sauna – verglichen mit einem Verhandlungstisch?

Hämäläinen: Es ist natürlich nicht so, dass wir in der Sauna Verhandlungen führen, bei denen wir Papier dabei haben und mitschreiben. Es ist eine freie Diskussion. Präsident Kekkonen war glaube ich unser erster Saunadiplomat und sehr berühmt dafür. Ich denke, das war mehr ein Gespräch über verschiedene Dinge, dann kommt man zur Hauptsache und danach zurück zu etwas Leichtem. Vielleicht hatten die Leute nach dem Saunabesuch das Gefühl, dass sie etwas erreicht haben – aber noch nichts Festgeschriebenes. Am nächsten Tag kann man dann über die angesprochenen Themen diskutieren, und die Sauna hat zuvor eine gute, gemütliche Stimmung bereitet. Vielleicht hilft das ein bisschen dabei, eine Lösung zu finden.

Urho Kekkonen (links) mit mehreren Ministern im August 1952 in einer Sauna der finnischen Saunagesellschaft in Helsinki.
Foto: A. Pietinen / Otavamedia / Press Photo Archive JOKA / Finnish Heritage Agency

STANDARD: Worum geht es bei der Saunadiplomatie?

Hämäläinen: Präsident Kekkonen war sehr berühmt für seine Verhandlungen, aber heutzutage ist die Sauna eher ein Ort, an dem wir unsere Kultur und unseren Lebensstil vorstellen.

STANDARD: Ist ein Saunabesuch eher etwas, das man in Finnland mit ausländischen Gästen unternimmt, oder ist es auch unter finnischen Politikern und Politikerinnen, Geschäftsleuten, Diplomatinnen und Diplomaten üblich?

Hämäläinen: Beides. In unserem Parlament gibt es eine Sauna, in die Politikerinnen und Politiker gehen. Im Außenministerium in Helsinki haben wir eine, die für repräsentative Abende und für Gäste genutzt wird. Saunadiplomatie ist sehr freiwillig. Wenn man nicht in die Sauna gehen möchte, kann man im Kaminzimmer sitzen, essen und andere Diskussionen führen.

Ein Blick aufs technische Equipment zeigt erstens, dass es den Saunabesuch bisher offenbar unbeschadet überstanden hat, und zweitens, dass es gute zwanzig Minuten waren, die die Botschafterin erzählte. Nach der Sauna wird abgeduscht. Bei einem Glas Wasser geht das Gespräch weiter.

STANDARD: Wären Sie normalerweise noch länger in der Sauna geblieben?

Hämäläinen: Ungefähr 20 Minuten sind gut, das mache ich normalerweise auch so.

STANDARD: Wie oft gehen Sie ungefähr in die Sauna?

Hämäläinen: Mindestens zweimal pro Woche. Wir hatten immer bestimmte Saunatage, als ich jung war, bei mir zu Hause waren das Mittwoch und Samstag. In Finnland sagt man, dass der Mittwoch der kleine Samstag ist.

Vom Saunabereich geht es zurück in die anderen Räumlichkeiten, wo nun Wurst mit Weißbrot und Senf serviert wird. Bier gluckert ins Glas. Beim Anstoßen erklärt die Botschafterin, dass das finnische "kippis" (Prost auf Finnisch) vom deutschen Wort "kippen" komme. Hätte sie damals schon von dem Interview gewusst, hätte sie von einer Finnland-Reise Grillwurst mitgebracht, sagt Hämäläinen. An diesem Tag gibt es nun eine finnische Tradition, zubereitet mit einer Zutat, die auch hierzulande erhältlich ist: Knacker. Die Botschafterin testet die Wurst zum ersten Mal, wie sie sagt.

Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Schmeckt die Knacker finnisch?

Hämäläinen: Ganz gleich schmeckt das Gericht nicht, fast, aber vielleicht transportiert es ein bisschen die Stimmung. Diese Wurst ist salziger, aber interessant. Der Senf ist sehr, sehr stark. Wir haben in Finnland immer sehr milden Senf zur Grillknacker.

STANDARD: Ich hätte noch ein paar Fragen auf meinem Zettel. Im Ukrainekrieg hat Estland die ukrainischen Truppen mit einer mobilen Sauna unterstützt. Halten Sie das für eine ungewöhnliche Maßnahme, oder hat es Sie nicht überrascht, dass eine Sauna im Kriegskontext verwendet wird?

Hämäläinen: Dazu fallen mir finnische Friedensmissionen ein: Das Erste, was die Truppen da machen, ist eine Sauna zu bauen. Immer, auch an heißen Orten wie zum Beispiel in Golan. Das ist ganz normal für uns, wir denken nicht, dass das irgendwie ungewöhnlich ist.

Im Finnish Wartime Photograph Archive sind viele Aufnahmen aus den Jahren 1939 bis 1945 einsehbar. Sie zeigen, dass Saunen offenbar auch zum Krieg gehörten.
Foto: SA-kuva

STANDARD: Aus welchen Gründen nimmt man eine Sauna mit in den Krieg oder Friedenseinsatz?

Hämäläinen: Für die Sauberkeit, außerdem ist es ein warmer Ort. Und auch aus sozialen Gründen: Ich glaube, es ist schön, dort zusammen Zeit zu verbringen. Es ist so schwierig zu erklären, warum das so in unserer Seele verankert ist. Die Sauna kann sich zum Beispiel in einem Zelt befinden, das ist typisch. Die Botschaft in Kabul zum Beispiel hatte im Garten auch eine solche Zeltsauna.

STANDARD: Sie haben jetzt viel aus Ihrer Sicht als Botschafterin erzählt. Welche Bedeutung hat die Sauna für die breite Bevölkerung in Finnland?

Hämäläinen: Wir sind 5,5 Millionen Leute und haben 3,3 Millionen Saunen. Meine Familie hatte für einige Jahre zwei Sommerhäuser, und die Sauna war das Erste, das wir gebaut haben. Und danach das Sommerhaus. Natürlich gibt es auch in unserer Wohnung in Helsinki eine Sauna.

Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Zum Abschluss: Gibt es ein finnisches Sauna-Sprichwort?

Hämäläinen: Wir sagen immer "Löylyä lissää" wenn wir auf den Holzbänken in der Sauna sitzen. Löylyä ist der Aufguss, und lissää heißt "mehr". Wir singen dann: Löylyä lissää, löylyä lissää, eihän tää tunnu missään.

Der Spruch handelt davon, dass es richtig heiß werden soll und man die Hitze richtig spüren muss. Oft folgt in Finnland auf die Hitze ein Sprung ins Wasser. Müsste eine repräsentative Botschaftssauna in Wien dann nicht eigentlich an der Donau liegen? Darüber sei sogar einmal gesprochen worden, sagt die Botschafterin. "Na ja, vielleicht als Witz", ergänzt sie. Richtig finnisch wäre es aber wohl, bei einem Umzug zuerst die Sauna zu bauen. Und dann erst die Botschaft. (Christina Rebhahn-Roither, 9.3.2023)