Vor dem Handelsgericht Wien geht es um Österreichs mächtigstes Blatt, die "Krone". Nicht zum ersten Mal.

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Wien – Am Handelsgericht Wien ging es am Mittwoch um das Sagen bei Österreichs weitaus größter Tageszeitung, der "Krone". Um den erbitterten Kampf der Gründerfamilie Dichand auf der einen Seite und auf der anderen die deutsche Mediengruppe Funke, seit 2019 im Verbund mit Immobilienmilliardär René Benkos Signa-Gruppe. Und darum, wie es mit der "Krone" zwischen den beiden verfeindeten Hälfteeigentümern weitergeht. Die Dichands machten gerade einen Punkt in dem ewigen Match.

  • Updates zur Verhandlung am Mittwoch am Handelsgericht unten im Text.

Schiedsgericht entschied pro Dichand für Gewinnausschüttung

Die Familie Dichand, im "Krone"-Streit von Rechtsanwältin Huberta Gheneff vertreten, hat nach – unbestätigten – STANDARD-Informationen vor wenigen Wochen einen weiteren, nicht unwesentlichen Etappensieg erzielt: Im Streit um die von der Funke-Gruppe seit Jahren blockierte Gewinnausschüttung aus der "Krone" gab ein Schweizer Schiedsgericht den Dichands recht. Seit Ende 2018 soll Familie Dichand nach STANDARD-Infos keine Ausschüttung mehr erhalten haben.

Die Familie, das sind Hans Dichands Witwe Helga sowie seine drei Kinder Michael, Johanna und Christoph Dichand. Christoph Dichand ist Herausgeber, Chefredakteur und Vertreter der Familie in Sachen "Krone". Sie haben die 50 Prozent "Krone"-Anteile nach dem Tod von Hans Dichand in vier gleichen Teilen von 12,5 Prozent übernommen.

Aber darf ein Schiedsgericht das?

Die deutsche Funke-Gruppe aber steht auf dem Standpunkt: Schiedsgerichte wären nicht oder jedenfalls nicht mehr für einen solchen Gesellschafterstreit zuständig. Die Funke-Gruppe habe die Vereinbarungen darüber 2019 gekündigt. Und sie wolle nur noch ordentliche Gerichte damit befassen. Darum ging es im Grunde am Mittwoch in der Verhandlung vor dem Handelsgericht Wien.

Die Funke-Gruppe klagte in zwei parallelen Verfahren am Handelsgericht Wien, die sich mit der Zuständigkeit von Schweizer Schiedsgerichten bei Streitigkeiten von "Krone"-Gesellschaftern beschäftigen.

Anlass war eine Gesellschafterversammlung vom März 2019, in der die Funke-Gruppe Christoph Dichand als Herausgeber der "Krone" abberufen wollte. Da stand es 50:50 zwischen Dichand und Funke, und damit unentschieden.

Die Funke-Gruppe argumentierte aber, die Dichands hätten weniger Stimmrechte, weil sie beim Erben die 50 Prozent auf viermal 12,5 aufgeteilt hätten. Laut den Gesellschaftsverträgen gibt es eine Stimme nur für volle Prozente. Und Christoph Dichand hätte eigentlich nicht mitstimmen dürfen, weil von der Abstimmung betroffen.

Handelsgericht winkte schon einmal ab

In einem der beiden Funke-Verfahren hat das Handelsgericht Wien schon entschieden – und die Funke-Klage abgewiesen: Der Richter wies die Begründung für die Kündigung 2019 als nicht nachgewiesen zurück, er erkannte keinen "wichtigen Grund", der zu einer einseitigen Auflösung der Schiedsvereinbarung berechtigen würde.

Der Richter sah die Vereinbarungen und Rahmenverträge über die Zuständigkeit von Schiedsverfahren in "Krone"-Streitigkeiten als aufrecht und von der Funke-Gruppe in mehreren Schiedsverfahren anerkannt.

Oberlandesgericht bestätigt Handelsgericht – rechtskräftig

Gegen diese Entscheidung hat die Funke-Gruppe beim Oberlandesgericht Rekurs eingelegt. Doch die zweite Instanz hat inzwischen die Entscheidung des Handelsgerichts bestätigt. Sie ist rechtskräftig, wie man am Oberlandesgericht auf STANDARD-Anfrage bestätigt.

  • Update: Richter Patrick Schartner schränkte das Verfahren am Mittwoch am Handelsgericht wie das Parallelverfahren auf die Frage ein, ob für solche Auseinandersetzungen zwischen "Krone"-Gesellschaftern Schiedsgerichte oder ordentliche Gerichte zuständig sind. Schartner verwies auf die Entscheidungen im Parallelverfahren vor Handelsgericht und Oberlandesgericht und schloss sich deren Position zur Frage der Zuständigkeit an.
  • Update: Nicht erörtert wurden am Handelsgericht deshalb im Grunde die eigentlichen Klagen aus zwei zusammengelegten Verfahren: Einerseits klagte die Funke-Gruppe auf Ausschluss der Dichands aus der "Krone"-Gesellschaft mit dem Vorwurf angeblich treuwidrigen Verhaltens etwa in einem Schiedsverfahren. Zudem sollte das Handelsgericht klären, ob die Funke-Gruppe in einer Gesellschafterversammlung 2019 eine Mehrheit hatte, um Christoph Dichand als Herausgeber abzusetzen, was die Dichands bestreiten.

Schiedsgericht: Kündigen ist nicht so einfach

Im Frühjahr 2020 hat ein Schiedsgericht nach Schweizer Recht zugunsten der Dichands entschieden, dass die Funke-Gruppe die Rahmenvereinbarungen über Sonderrechte für die Dichands und über die Zuständigkeit von Schiedsgerichten im Streitfall nicht so einfach kündigen kann. Das Schiedsgericht vertrat die Ansicht, dass die Vereinbarungen nur zusammen mit den "Krone"-Gesellschaftsverträgen zu kündigen seien. Wer die Gesellschaft aufkündigt, muss seine Anteile der jeweils anderen Gesellschaftergruppe zum – spotbilligen – Buchwert verkaufen.

Schweizer Bundesgericht, deutscher Bundesgerichtshof wiesen ab

Die Zuständigkeit von Schiedsgerichten hat die Funke-Gruppe beim Schweizer Bundesgericht und bei deutschen Gerichten bis hinauf zum Bundesgerichtshof bekämpft, bekam aber auf beiden Rechtswegen nicht recht.

Worum geht es im "Krone"-Streit?

Als die deutsche Funke-Gruppe 1987 unbedingt und in Konkurrenz zu anderen Medienhäusern bei der "Krone" einsteigen wollte, bekam sie mit weitreichenden Zugeständnissen den Zuschlag. Vorrechte für den Gründer und Herausgeber Hans Dichand und seine Nachkommen. Vor allem: ein garantierter Gewinn für die Dichands in kolportiert hoher einstelliger Millionenhöhe pro Jahr. Wenn ihn die "Krone" nicht einspielt, muss die Funke-Gruppe ihn den Dichands überweisen.

Funke-Überweisung an Dichands

Die Funke-Gruppe musste den Dichands schon in der Vergangenheit überweisen, wenn es bei der "Krone" und im gemeinsamen Verlag mit dem "Kurier", der Mediaprint, nicht so lief. Und das könnte spätestens nach dem jüngsten Geschäftsjahr wieder der Fall sein. Die "Krone" mit ihrer gewaltigen Druckauflage und der "Kurier" leiden massiv unter den vervielfachten Papierpreisen mit merklich zweistelligen Millionenbeträgen Mehrkosten pro Jahr.

Schiedsgerichte und Anteile

Mit weiteren Schiedsverfahren über Gewinnausschüttungen nach der Entscheidung über das Geschäftsjahr 2018/19 ist zu rechnen. Eine Denkvariante: Die Dichands könnten darauf spekulieren, mit einer Serie von Gewinnausschüttungen die Verkaufsbereitschaft der Funke-Gruppe für ihre "Krone"-Anteile zu erhöhen – an die Dichands.

Funke-Verlegerin Julia Becker bezeichnete die "Krone" allerdings bei den Medientagen 2022 in Wien als "Herzensangelegenheit". Sie brachte auch einige Tipps für ihre Führung und die Zukunft des Kleinformats mit zu dem Branchenevent.

Gesprächsbasis

Zwischen Becker und Christoph Dichand soll es immerhin eine Gesprächsbasis geben, bei den Medientagen im September 2022 gab es nach Beckers Auftritt auch ein Treffen. An der vertrackten Grundproblematik von Rahmenvereinbarungen und Vorrechten änderte das aber bisher nichts.

Zusätzliche Komplexität bringt der gemeinsame "Krone"-"Kurier"-Verlag Mediaprint. Dort entscheiden die Dichands, die Funke-Gruppe und "Kurier"-Mehrheitsgesellschafter Raiffeisen gemeinsam über Abopreise, Investitionen und Maßnahmen für beide Zeitungstitel. Eine Stimmrechtsbindung der Vertreter von Funke-Gruppe und Dichands in diesem Gesellschafterausschuss, abgeschlossen 2008, macht das alles nicht leichter.

Da war doch noch René Benko

Ein Schachzug der Funke-Gruppe von 2019 verkompliziert die Lage noch: Benkos Signa-Gruppe hat zum Jahreswechsel 2018/19 49 Prozent an der WAZ Ausland Holding GmbH übernommen, in der die Funke-Gruppe ihre 50 Prozent an der "Krone" sowie 49,44 Prozent am "Kurier" gebündelt hat. 80 Millionen Euro soll Benko dafür bezahlt haben. Weitere 80 Millionen sollten fließen, wenn Benko die übrigen Funke-Anteile an dieser WAZ Ausland Holding übernimmt, wie mit einer Option vereinbart.

Benko und seine Signa-Gruppe kommen seither in der "Kronen Zeitung" mit besonderem Nachdruck schlecht weg.

Schon wieder die Dichand-Vorrechte

Aber auch einer solchen Komplettübernahme der Funke-Anteile an der "Krone" stehen die Vereinbarungen zwischen Funke und Dichands im Weg: Werden die Anteile an der "Krone" mehrheitlich verkauft und nicht nur 49 Prozent an der Firma, die die 50 Prozent hält, dann haben die Dichands ein Vorkaufsrecht darauf.

Bedingung für eine Komplettübernahme der Funke-Anteile an der "Krone" war also in den Verträgen über den Einstieg eine Änderung der Vorrechte der Dichands. Danach sieht es zumindest bisher nicht aus. (Harald Fidler, 14.3.2023)

DER STANDARD hat beide Seiten, Dichand und Funke, vor Erscheinen um Stellungnahme gebeten. Bisher liegen keine vor.