Im Sommer 2021 rief eine Frau, die sich von ihrem Mann bedroht fühlte, die Polizei. Der Einsatz eskalierte, am Ende war sie diejenige, die eine Strafe erhielt.

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Es ist ein Fall, der im Sommer 2021 für einiges Aufsehen sorgte: Einer Wienerin, die Angst vor ihrem Mann beschrieb, wurde beim Eintreffen der Beamten nicht nur nicht geholfen, ihre Sorgen wurden ins Lächerliche gezogen – und am Ende war sie diejenige, die eine Strafanzeige erhielt. All das ist durch einen Audiomitschnitt belegt, DER STANDARD berichtete. Am Donnerstag wurde ein Polizist bei einem Prozess im Wiener Straflandesgericht wegen Amtsmissbrauchs zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Wieso der Polizist angeklagt war

Der Polizist war angeklagt, weil die Frau "in keinster Weise ein zu ahnendes Verfahren" gesetzt hatte. Der Beamte habe seine "Befugnis, durch Anzeige ein Verwaltungsstrafverfahren auslösen zu können", wissentlich missbraucht.

Die Situation wurde von einer Freundin der betroffenen Frau versehentlich aufgenommen, da die beiden Frauen zuvor das aggressive Verhalten des Mannes aufzeichnen wollten und die Aufzeichnung weiterlief. Zu körperlichen Angriffen sei es an dem Tag nicht gekommen, ihr Mann soll vor dem Einsatz gegenüber der Freundin mit der flachen Hand zum Schlag ausgeholt und gesagt haben: "Wenn du dich nicht sofort verpisst, wird dir gleich der Kopf von den Schultern fallen." Zitat eines Polizisten aus dem Tonmitschnitt: "Mal fuchteln in einer Streitsituation ist nichts Schlimmes." In der Anklageschrift heißt es, die Frau habe mit ängstlicher Stimme gesprochen. In der Aufnahme spricht sie aufgebracht, laut und zum Teil in gebrochenem Deutsch – an einer Stelle gibt sie zu verstehen, dass ihre Deutschkenntnisse nicht ausreichen, um alle Vorfälle gut zu beschreiben. Die Beamten sind mindestens ebenso laut.

Strafe statt Schutz

Der Angeklagte habe ein "ziemlich rüdes und aufbrausendes Verhalten" an den Tag gelegt, schreibt die Staatsanwältin Judith Zizka außerdem. An einer Stelle schrie er beispielsweise: "Schauen Sie, ich hab schon Frauen und Kinder eingesperrt, weil sie nicht aufgehört haben zu reden." Weil die Beamten kein Betretungsverbot gegen den Ehemann ausgesprochen hatten – wie von ihr erhofft –, sagte sie in Richtung des Beamten, sie habe gedacht, "Österreich sei ein gutes Land für Frauen und Kinder". Der Beamte zeigte sie wegen Lärmerregung und wegen Verletzung des öffentlichen Anstands an. Sie habe gesagt, dass sie nicht geglaubt hätte, dass in Österreich so blöde und unkompetente Polizisten herumlaufen, erklärte der Beamte. Auf dem Audiomitschnitt ist das aber nie zu hören. Die Frau sollte basierend auf den Anzeigen 200 Euro Strafe zahlen.

"Da ist sie so schon so gestraft durch das Zusammenleben mit dem aggressiven Mann, dann wird sie von der Polizei noch so niedergeputzt, und dann bekommt sie auch noch eine Strafe", sagte ihre Anwältin Alexandra Fux damals. Die Frau ist mittlerweile geschieden.

Das Schöffengericht verurteilte den Beamten am Donnerstag zu einer bedingen Haftstrafe von sechs Monaten. Eine Geldstrafe oder einer Diversion, der der Angeklagte auch zugestimmt hätte, lehnten sie schon aus "Signalgründen" ab. Bei der Freiheitsstrafe blieb es aber bei der Mindeststrafe. Der Angeklagte erbat sich Bedenkzeit, das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.

Die Frau gab an, seit dem Vorfall traumatisiert zu sein und kein Vertrauen mehr in die Polizei zu haben. Sie verlangte vom Beschuldigten 2.571 Euro Kosten für das von ihr bereits bezahlte Verwaltungsverfahren sowie weitere "symbolische" 1.000 Euro. Sie wurde auf den Zivilweg verwiesen.

Wenn die Polizei nicht gerufen wird

Der Fall ist aber auch über die individuelle Ebene hinaus relevant. Schließlich ist bekannt, dass in vielen Fällen von partnerschaftlicher Gewalt die Polizei gar nicht verständigt wird. Dafür gibt es viele Gründe. Dass Frauen "abgeschasselt" werden, zählt auch dazu. "Frauen berichten mir regelmäßig, dass sie nicht ernst genommen werden, dass sie die Polizei anrufen und dann gesagt bekommen: 'Gehen Sie doch vor Gericht'", sagt Fux. Meist erwirke man dann eine einstweilige Verfügung, "doch das dauert, die Frauen bleiben bis dahin in einer gefährlichen Situation".

Aus dem Innenministerium wird betont, dass die Zahl der speziell geschulten Beamtinnen und Beamten stets steige. Eine Schulung für das Ersteinschreiten bei Fällen häuslicher Gewalt, so schrieb Karl Nehammer (ÖVP) in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfragte im September 2021, als er noch Innenminister war, hätten außerdem alle Exekutivbediensteten durchlaufen – auch jene drei, die in der Wohnung der Frau waren, die Angst vor ihrem Mann hatte und später eine Strafe kassierte. Diese hätten, so schreibt Nehammer weiter, eine Gefährdungsanalyse durchgeführt, beide Seiten "fair" angehört. (Lara Hagen, 16.3.2023)