Die Grünen betonen, dass die Nachbesetzung "jederzeit" abgeschlossen werden könnte.

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Die Spitze des größten Gerichts Österreichs bleibt vorerst weiter unbesetzt. Nach dem Pensionsantritt von Harald Perl Ende des vorigen Jahres ist nach wie vor ungeklärt, wer ihm als Präsident oder als Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) nachfolgen wird. Die Entscheidung liegt bei der türkis-grünen Bundesregierung, die dem Bundespräsidenten einen Kandidaten oder eine Kandidatin zur formalen Ernennung vorschlagen muss. Bis dato gibt es aber keine Einigung.

Eigentlich hatte die Besetzungskommission bereits am 13. Februar einen Dreiervorschlag für die Nachbesetzung an die Regierung übermittelt. Wie berichtet, wurde darin Sabine Matejka an erste Stelle gereiht, die Präsidentin der österreichischen Richtervereinigung und Vorsteherin des Bezirksgerichts Floridsdorf. Das Beamtenministerium unter Werner Kogler (Grüne) hat daraufhin einen Ministerratsvortrag erarbeitet, der "jederzeit beschlossen" werden könnte, heißt es auf Anfrage des STANDARD. Man warte aber seit Wochen auf eine "positive Rückmeldung" des türkisen Koalitionspartners. Eine Anfrage bei der ÖVP blieb bisher unbeantwortet.

Umstrittenes Verfahren

Die Nachbesetzung am BVwG hatte bereits im Vorfeld des Auswahlverfahrens für Aufregung gesorgt. Grund war der "Sideletter" für Postenbesetzungen der türkis-grünen Bundesregierung, der im Jänner 2022 in die Öffentlichkeit gelangte. Demnach sollte bei der Nominierung des Präsidenten oder der Präsidentin die ÖVP zum Zug kommen. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) hatte im Nachgang immer wieder betont, den Vorschlag der Personalkommission respektieren zu wollen.

Aufgrund von Umstrukturierungen mussten am BVwG zuletzt mehrere Leitungspositionen neu besetzt werden – noch bevor die neue Person an der Spitze ihr Amt übernimmt. Aus dem BVwG hieß es im Jänner auf STANDARD-Anfrage, dass keine endgültigen Entscheidungen getroffen werden, sondern die Besetzungen interimistisch erfolgen, um die künftige Gerichtsspitze nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen. "Dadurch wird sichergestellt, dass der:die neu zu bestellende Präsident:in seine:ihre Führungskräfte selbst auswählen können wird", schrieb das Gericht.

Wichtige Personalentscheidungen offen

Neben dem Chefsessel am BVwG ist eine weitere wichtige Position seit geraumer Zeit vakant. Nach dem Rücktritt des ehemaligen Chefs der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), Theodor Thanner, Ende 2021 wird die Behörde seit mehr als einem Jahr interimistisch von seiner Stellvertreterin Natalie Harsdorf-Borsch geleitet.

In dem Verfahren um die Nachbesetzung ging in einer umstrittenen Entscheidung der Personalkommission im Frühjahr Michael Sachs als Bestgereihter hervor. Sachs ist Vizepräsident am BVwG und leitet das Gericht interimistisch. Die Grünen wehrten sich jedoch gegen die Bestellung des ÖVP-nahen Juristen wegen angeblicher fachlicher Mängel und bevorzugen die Bestellung der BWB-Interimschefin Harsdorf-Borsch, die im Auswahlverfahren zweitgereiht wurde. Das ÖVP-geführte Wirtschaftsministerium unter Martin Kocher legte vergangenen Herbst wiederum ein Gegengutachten vor, das Sachs' Qualifikation bejahte.

Das Ergebnis: Sachs bleibt interimistisch Chef des BVwG, Harsdorf-Borsch bleibt interimistische Leiterin der BWB. Dass die Koalition diese Konstellation mit einem Tauschgeschäft auflösen könnte, wurde immer wieder kolportiert, offiziell aber stets dementiert. Ein Ende der gegenseitigen Blockade ist derzeit nicht in Sicht. (japf, gra, 23.3.2023)