Zuerst der Fußball – und jetzt die Mathematik. Nicht einmal ein Monat nachdem Lionel Messi den Titel des Weltfußballers des Jahres gewonnen hat, geht eine weitere hohe Auszeichnung für besondere Leistungen an einen Argentinier. Dieser Preis wird im aktuellen Fall allerdings nicht für ballesterische Fähigkeiten vergeben, sondern für geniale Kopfarbeit: Es handelt sich um den Abelpreis, der so etwas wie der Nobelpreis für Mathematik ist und von der Norwegischen Akademie der Wissenschaften verliehen wird.

Luis Caffarelli erhält den wichtigsten Mathematikpreis der Welt für seine Verdienste um die Weiterentwicklung partieller Differentialgleichungen.
Nolan Zunk, The University of Texas at Austin

Gewonnen hat den mit 7,5 Millionen Norwegischen Kronen (umgerechnet etwa 660.000 Euro) dotierten Preis heuer der 74-jährige argentinische Mathematiker Luis Caffarelli, der in Argentinien geboren wurde und dort 1972 auch promovierte. Er ist damit der erste Südamerikaner, der den seit 2003 verliehenen Preis erhalten wird.

Professuren in den USA

So wie Messi ist aber auch Caffarelli seit vielen Jahren "Legionär": Seit seiner Dissertation an der Universität von Buenos Aires verdient Caffarelli sein Geld in den USA. Unter anderem arbeitete er zehn Jahre lang am legendären Institute for Advanced Study in Princeton. Nach mehreren Professuren an anderen US-Unis forscht und lehrt er seit vielen Jahren an der University of Texas in Austin, die übrigens bereits zwei Abelpreise einheimste (John Tate 2010 und Karen Uhlenbeck 2016, die bisher einzige damit ausgezeichnete Frau).

Das Spezialgebiet von Caffarelli sind seit über vier Jahrzehnten sogenannte partielle Differentialgleichungen. Diese Gleichungen beruhen auf Methoden, die von Isaac Newton und Gottfried Leibniz bereits im 17. Jahrhundert entwickelt wurden, um Dinge zu beschreiben, die sich im Verhältnis zueinander kontinuierlich verändern. Fast jede bekannte Gleichung, die physikalisches oder menschliches Verhalten modelliert, ist eine partielle Differentialgleichung. Auch die Navier-Stokes-Gleichungen in der Fluiddynamik und die Black-Scholes-Gleichung im Finanzwesen fallen in diesen Bereich.

Vielfältige Anwendungen

"Mathematik in Verbindung mit Physik ist am interessantesten. Ich halte nicht viel von superabstrakter Forschung, die nur ein halbes Dutzend Mathematiker verstehen können", sagt der Argentinier, dessen Arbeiten vielfältige Anwendung gefunden haben: für die Analyse des Blutkreislaufs eines Menschen ebenso wie für die Vorhersage des Fließens von Öl, für die Konstruktion eines Automotors ebenso wie für die Finanzmathematik oder die Verfeinerung der grundlegenden Modelle zur Erklärung des Universums.

Caffarellis erste Großtat war die mathematische Beschreibung schmelzender Eiswürfel mithilfe partieller Diffentialgleichungen, die ihm 1977 gelang. Konkret geht es dabei darum, wie sich die Ränder der Würfel beim Schmelzen abrunden und an den Kontaktflächen neue Mikrowelten zwischen fest und flüssig entstehen. Verbessert wurden diese Gleichungen erst 2021 durch einen ehemaligen Mitarbeiter Caffarellis, den Italiener Alessio Figalli (heute Professor an der ETH Zürich), der 2018 die Fields-Medaille erhielt. Das ist neben dem Abelpreis die andere wichtige Mathematikauszeichnung, die allerdings nur an Personen unter 40 Jahren verliehen wird.

Kein einsames Genie

Caffarelli, der mit seiner argentinischen Fachkollegin Irene Martínez Gamba verheiratet ist, ebenfalls an der University of Texas in Austin arbeitet, ist außerordentlich produktiv und alles andere als ein einsames Genie. Er hat bis jetzt 320 Arbeiten veröffentlicht, mit mehr als 130 Kolleginnen und Kollegen zusammengearbeitet und mehr als 30 Doktoranden betreut. Seinen eigenen Stil, Mathematik zu betreiben, beschreibt er als "fröhlich", und er genieße bei seiner Tätigkeit Zusammenarbeit, Kreativität und langjährige Freundschaften.

In einer Gemeinschaftsarbeit hat sich Caffarelli auch bei der Erforschung der sogenannten Navier-Stokes-Gleichungen hervorgetan, die seit 1845 etwa die Strömung einer viskosen Flüssigkeit wie Öl beschreiben. Mit zwei Kollegen – Louis Nirenberg (Abelpreisträger 2015) und Robert Kohn – legte er 1982 ein Teilergebnis vor das im Wesentlichen bis heute die beste bekannte Lösung ist und für Caffarelli selbst seine wichtigste Leistung darstellt.

Die vollständige Regelmäßigkeit ist aber immer noch eine offene Frage, und im Jahr 2000 wurde sie vom Clay Mathematics Institute als eines der sieben Millenniumprobleme aufgenommen. Wer eines davon löst, erhält eine Million US-Dollar. (tasch, 23.3.2023)