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Wien – "Wir prüfen alle Optionen." So lautet der Satz, der aus der Raiffeisen Bank International (RBI) seit mehr als einem Jahr zu hören ist, wenn man nach dem noch immer aktiven Engagement der Bank in Russland fragt. Während die Kritik am Russland-Geschäft immer lauter wird, floriert selbiges und spült der Bank Milliarden in die Kasse. 2022 waren es rund zwei Milliarden Euro, rund 60 Prozent des RBI-Konzerngewinns. Ein Umstand, der auch schon die US-Sanktionsbehörde OFAC auf den Plan rief, die einen Fragenkatalog an die Bank geschickt hat. Die OFAC ist eine für die Kontrolle und Umsetzung der Sanktionen gegen Russland zuständige Abteilung des US-Finanzministeriums. Der US-Sanktionsbeauftragte James O'Brien war vor einigen Wochen bereits in Wien.

Ein Dorn im Auge ist den OFAC-Experten auch, dass die RBI in Russland als eine von wenigen Banken noch via Swift Geschäfte abwickeln kann. Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine haben die USA und Europa die meisten russischen Banken von dem internationalen Zahlungsnetzwerk ausgeschlossen, der prozentuelle Anteil, den die RBI-Tochter damit nun abwickelt, ist folglich gestiegen. Im schlimmsten Fall könnte die OFAC der RBI Transaktionen in Dollar verbieten, was die RBI in schlimme Turbulenzen bringen würde. Die Situation ist also heikel.

Interessent für RBI Russland landete auf Sanktionsliste

Nächste Woche wird es für die RBI aber sowieso spannend. Am Donnerstag, dem 30. März, kommen die RBI-Aktionäre ab 10 Uhr zur ordentlichen Hauptversammlung (HV) zusammen, und dort wird das Thema Russland wohl einiges an Raum und Zeit einnehmen. Die börsennotierte Bank, die mehrheitlich den Raiffeisen Landesbanken gehört, ringt sich zu keiner Entscheidung durch. Laut Informationen des STANDARD hat es zwischendurch sogar bereits einen Kaufinteressenten für die russische RBI-Tochter gegeben, die Gespräche mit ihm seien auch bereits sehr weit gediehen gewesen. Dann allerdings sei der potenzielle Käufer auf einer Sanktionsliste gelandet – was den Deal verunmöglicht habe.

Das Pikante am Timing der HV: Ebenfalls am 30. März, ab 9.05 Uhr, wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seine virtuelle Rede vor dem österreichischen Nationalrat halten. Die FPÖ will nicht dabei sein, alle anderen Parteien schon. Wohlinformierte gehen davon aus, dass der ukrainische Präsident auch das Thema RBI ansprechen wird.

Die Ukraine erhöht ihren Druck stetig, sie hat ja bereits einige Maßnahmen gegen die RBI gesetzt, unter anderem sind fast alle RBI-Vorstandsmanager rund um Vorstandsvorsitzenden Johann Strobl auf einer sogenannten Prä-Sanktionsliste ("awaited sanctions") gelandet. Und der Chef der russischen Banktochter, Sergej Monin, und weitere Vorstandsmanager sind bereits sanktioniert. Für diese Schritte ist unter anderem die ukrainische "Nationale Agentur für Korruptionsvorbeugung" (Nask) zuständig, deren Chef Olexandr Nowikow dem "Trend" sagte, Ziel sei es nicht zu bestrafen, sondern Verhalten zu ändern. Man markiere bestimmte Personen, um ihnen Zeit einzuräumen, in Bezug auf Russland umzudenken und ihr Verhalten zu ändern. "Ich möchte aber klarstellen, dass unsere Agentur nicht anstrebt, dass österreichische oder andere Staatsbürger – Ausnahme: russische – sanktioniert werden", erklärte Nowikow dem Wirtschaftsmagazin.

Liste der internationalen Kriegssponsoren

In allerjüngster Zeit hat die Ukraine diesen ihren Druck auf die RBI weiter erhöht. Die RBI ist nun auch in die "Liste der internationalen Kriegssponsoren" ("International Sponsors of War") aufgenommen worden; darauf finden sich laut Homepage ausländische Unternehmen, die trotz internationaler Sanktionen weiterhin mit dem "Aggressor Russland kooperieren". Auch Geschäftspartner und Manager solcher Unternehmen sind in der Liste angeführt – darunter beispielsweise RBI-Chef Strobl und alle seine Vorstandskollegen. Auch auf dieser Liste findet sich der Chef der Russland-Bank, Monin.

"Die RBI hält sich strikt an alle geltenden österreichischen und EU-rechtlichen Vorgaben, die die territoriale, politische und wirtschaftliche Integrität der Ukraine anerkennen", sagt dazu eine Sprecherin der Bank auf Nachfrage des STANDARD. Entgegen den Behauptungen in den sozialen Medien sei die RBI weder direkt noch über ihre Tochtergesellschaften in den Gebieten der Regionen Donezk und Luhansk sowie der Halbinsel Krim geschäftlich tätig.

EZB macht Druck auf RBI

Druck auf die RBI kommt aber auch von der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie verlange von der Bank zwar keinen sofortigen Rückzug aus dem Land, poche aber auf einen Plan, wie das Bankgeschäft dort aufgegeben und die Risiken bewältigt werden können, sagten fünf mit der Angelegenheit vertraute Personen zur Nachrichtenagentur Reuters. Einer der Insider erklärte, der Plan könnte einen Verkauf oder die Schließung der Tochterbank in Moskau beinhalten. Die Bank sei der Forderung der EZB aber bisher nicht nachgekommen und zeige auch keine Absicht, dies zu tun, sagten die Insider.

"Wir haben die Banken aufgefordert, das Geschäft in Russland weiterhin genau zu beobachten und im Idealfall so weit wie möglich zu reduzieren und abzubauen", teilte eine Sprecherin der EZB auf Anfrage von Reuters mit. Das habe die EZB nach Kriegsbeginn in der Ukraine bei allen betroffenen Instituten getan.

Auch UBS und Credit Suisse sind im Visier

Und als ob die Schweizer Banken Credit Suisse und UBS – Letztere musste Erstere in einem Notdeal übernehmen – nicht schon genug Sorgen hätten, prüfen die US-Behörden nun ebenfalls das Russland-Engagement der beiden Häuser. Hierbei geht es laut einem Bericht der Agentur Bloomberg unter anderem darum, ob Credit Suisse und UBS im Zusammenhang mit etwaigen Hilfen für russische Oligarchen Sanktionen umgangen haben. Das Justizministerium befasse sich neben den beiden Großbanken auch mit Mitarbeitern einiger US-Finanzinstitute hießt es. Die entsprechenden Schreiben mit Bitten um Auskunft seien dabei vor der Übernahme der Credit Suisse versandt worden.

Einem Insider zufolge will das Ministerium wissen, welche Mitarbeiter für entsprechende Kunden zuständig gewesen und wie sie in den vergangenen Jahren überprüft worden seien, hieß es in der Meldung von Bloomberg. In einem weiteren Schritt könne dann nachgeforscht werden, ob gegen Gesetze vorstoßen worden sei.

"Keine einfache Lösung"

Zurück zur RBI, die stark in Osteuropa aktiv und die wichtigste westliche Bank in Russland und ein wesentlicher Spieler für den internationalen Zahlungsverkehr ist. Im Vorjahr hatte die Bank einen Nettogewinn von rund 3,8 Milliarden Euro erwirtschaftet, vor allem dank der genannten zwei Milliarden Euro aus Russland. Die RBI wickelt nach eigenen Angaben rund ein Viertel der Überweisungen in Euro nach Russland ab. Seit dem Ausbruch des Krieges habe die Raiffeisenbank Russland ihr Kreditgeschäft aber weitgehend eingestellt und ihr Kreditvolumen um rund 30 Prozent reduziert, sagt eine RBI-Sprecherin zum STANDARD.

Auch die italienische Unicredit ist in Russland präsent, aber in geringerem Umfang. Die französische Société Générale hingegen hat sich kurz nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine vor mehr als einem Jahr zurückgezogen, andere hatten ihr Engagement zurückgefahren.

Die Hoffnung auf Frieden

Klar sei, dass es keine "einfache Lösung" gebe, das Geschäft in Russland abzubauen, sagte einer der Insider. Ein Verkauf der russischen Tochterbank sei auch nur mit Zustimmung von Präsident Waldimir Putin möglich. Einige österreichische Beamte hofften, dass die Bank dem Druck lange genug widerstehen könne, bis im Ukraine-Krieg eine friedliche Lösung gefunden sei und sich die Geschäftsbeziehungen mit Russland wieder normalisierten, sagten drei der Insider.

Ein Sprecher des Finanzministeriums in Wien verwies darauf, dass die meisten westlichen Unternehmen, einschließlich der Banken, Russland nicht verlassen hätten. Anzeichen für ein hartes Vorgehen der Amerikaner sehe man nicht. "Im Gegenteil, zwischen Russland und dem Rest der Welt findet ein reger Handel mit Rohstoffen wie Getreide, Düngemitteln, Öl, Gas, Nickel und anderen Metallen statt, für die natürlich Zahlungsvorgänge erforderlich sind, um Hungerkrisen und schwere Schäden für die Weltwirtschaft zu vermeiden." (Renate Graber, Bettina Pfluger, 24.3.2023)