Ihr Vater war eigentlich Künstler, hatte ein absolutes Gehör, hat Klarinette und Geige gespielt und wurde mit 18 Jahren eingezogen. "Er kam schwerst traumatisiert und mit Gehörverlust auf einer Seite aus dem Krieg zurück, es gab keine Musik mehr, keine Kunst." Später war er bei der Gründung des ORF dabei, aber der Großvater, ganz Patriarch, hat gesagt: "So deppert werden die Leute nicht sein, dass sie in eine Kastl hineinschauen, die werden lieber zum Heurigen gehen. Diese Firma hat keine Zukunft, du gehst zur Gemeinde!" So wurde er Vermessungstechniker. Die Mutter war ängstlich, sie selbst überbehütet, sie wohnten auf 64 m2 im späteren Helmut-Qualtinger-Hof. Oft stand sie dort am Fenster und dachte: Da muss ich raus!

Martina Leibovici- Mühlberger und ihr Buchtipp.
Foto: privat

"In diesem Puppenhaus-Ambiente war der wöchentliche Bücherbus meine Rettung: Auf den habe ich hingegiert, habe die maximalen Bücherzahlen ausgeborgt, bald auch auf den Namen des kleineren Bruders, bald auch Erwachsenenbücher." Als erstes Nichtakademikerkind besuchte sie gegen alle Widerstände ("Mach die Kochschule! Mit der Matura wird dich kein Mann heiraten!") das BG 19. Dort hörte sie in den Pausen aus dem Mund anderer Schüler Sätze wie: "Dann geh ich halt in die Bibliothek vom Papa und schau, was der Schiller noch geschrieben hat!" Sie dachte: Eine Bibliothek! Ab da war ihr Maßstab für Reichtum der, sich irgendwann jedes Buch kaufen zu können, das sie wollte.

Ein Lieblingsbuch? "Ganz, ganz schwer! Jedes Buch ist eine definierte Liebesbeziehung, bei der ich Trennungsängste entwickle, wenn ich über der Hälfte bin. Aber gut: Die rote Couch ist ein Lieblingsbuch. In einer sehr fein gewobenen Form betrachtet Yalom den Berufsstand des Shrink, des Therapeuten, und zeichnet ihn in seiner Selbstverliebtheit und gleichzeitig hohen Verletzlichkeit, das ist alles so gut getroffen und sehr unterhaltsam!" Sie selbst schreibt auch erfolgreich Bücher. Zuletzt einen therapeutischen Roman, in dem sie in einer Szene "explizite sexuelle Gewalt gegen eine Frau in Zusammenhang mit der Fehlentwicklung von Liebe" schildert. Die Folge: Triggerwarnung! (Manfred Rebhandl, 25.3.2023)