Rund 200 Mitglieder und Unterstützerinnen kamen zur Landesversammlung der Wiener Grünen im Bildungszentrum der Arbeiterkammer.

Foto: Stefanie Rachbauer

Üblicherweise arbeiten sich die in Wien oppositionellen Grünen auf ihren Parteitagen am liebsten an der im Rathaus regierenden SPÖ ab. Auf der Landesversammlung am Samstag hatten Spitzen in den Reden allerdings noch einen anderen Adressaten: die Volkspartei – und damit den Koalitionspartner der eigenen Parteikollegen im Bund. Zwei Sätze zur ÖVP müssten sein, erklärte der Wiener Grünen-Chef Peter Kraus gleich zu Beginn seiner Ansprache. Der Anlass: Der Streit in der türkis-grünen Bundesregierung um die gescheiterte Mietpreisbremse. Wie berichtet, soll nicht ins Mietrecht eingegriffen, sondern stattdessen eine Wohnkostenbeihilfe von 225 Millionen Euro ausgeschüttet werden.

Das Verhalten der ÖVP in dieser Sache sei "niederträchtig, herzlos und einer staatstragenden Partei nicht würdig", sagte Kraus an der Seite von Co-Parteichefin Judith Pühringer. Applaus von den rund 200 Mitgliedern im Bildungszentrum der Arbeiterkammer im vierten Wiener Bezirk war ihm damit sicher.

Die "machtbesessene ÖVP" habe seit Monaten vorgegaukelt, an einer Lösung interessiert zu sein, erklärte Kraus. Es sei verhandelt worden, die Grünen seien zu Zugeständnissen bereit gewesen. "Dann hat die ÖVP alles vom Tisch gewischt – nur um die Pfründe von ein paar Immobilienbesitzern zu sichern." Dabei seien erschwingliche Mieten das große soziale Thema: "Wenn sich die Menschen das Wohnen nicht mehr leisten können, dann haben wir ein Problem in dieser Stadt."

Kogler schimpft auf "Kellernazis"

Deutlich vorsichtiger hatte sich zuvor Werner Kogler, Vizekanzler und grüner Bundesparteichef in einer Videobotschaft geäußert. Angesichts von Schwarz-Blau in Niederösterreich schimpfte er über die "Kellernazis, die nun aus den Kellern in die Beletage von St. Pölten gehievt werden" und warb mit Blick auf die Salzburg-Wahl am 23. April für eine Fortsetzung der Dirndlkoalition aus ÖVP, Grünen und Neos – um dann zur Koalition im Bund zu kommen.

Die Arbeit dort sei "auch nicht immer leicht", räumte er ein. "Es ist ein langes und vielfaches Bohren harter Bretter". Einmal mehr strich Kogler heraus, was die grüne Regierungsbeteiligung bisher gebracht habe: Mehr anstatt weniger Ressourcen für die Justiz, ein neues Korruptionsstrafrecht, Fortschritte bei der Energiewende – etwa beim Ausbau von Photovoltaik und Windparks.

Was letzteren Bereich betreffe, sei Österreich von der Verzögerungsspur auf die Überholspur gewechselt. "Das sieht man schon, dass etwas weiter geht. Aber ja, da braucht es noch mehr", betonte Kogler. In Sachen Klimaschutz werde das Fehlen der Grünen in der Wiener Stadtregierung besonders deutlich. "Es passiert ja was, das diskutiere ich auch immer wieder mit dem Bürgermeister, aber es geht viel, viel mehr", befand der Vizekanzler – und schloss mit einem Reim: "Mit Judith und Peter wird Klimaschutz konkreter."

Kraus: "Klare Vision für 23 Bezirke"

Physisch anwesend war die Bundespolitik übrigens auch: In Person von Sigrid Maurer, grüne Klubchefin im Parlament, und etwa die Nationalratsabgeordneten Lukas Hammer, Eva Blimlinger und Meri Disoski. Als Motto für den Parteitag hatten die Grünen "Aufbäumen für Wien" gewählt. Konkret bedeute das, unbequem zu sein und sich für konkrete Lösungen einzusetzen, sagte Kraus.

Was die Stadtplanung betreffe, hätten die Grünen bereits Vorschläge vorgelegt: etwa für die Zweierlinie, die im Zuge des U-Bahn-Baus derzeit aufgerissen wird – eine "Jahrhundertchance", wie Kraus formulierte. Während die Stadtregierung zögere, hätten die Grünen bereits einen Plan ausgearbeitet: Demnach soll die Straße nach Fertigstellung der Arbeiten im Untergrund in einen fußgänger- und klimafreundlichen Prachtboulevard umgebaut werden. Ähnliche Pläne gebe es für die äußere Mariahilfer Straßen oder den Naschmarktparkplatz und andere Orte: "Wir haben für alle 23 Bezirke eine klare Vision, wohin die Reise gehen soll."

Pühringer: "Armseliges Politikverständnis"

Co-Parteivorsitzende Pühringer kritisierte Versäumnisse im Sozialbereich – angefangen von den Zuständen bei der Wiener Einwanderungsbehörde MA 35 oder dem jüngsten Fördermissbrauch beim privaten Kindergartenträger Minibambini. Im Wiener Rathaus omnipräsent sei eine "totale Ohnmacht", befand Pühringer. Als Beispiel brachte sie das Thema Personalmangel im öffentlichen Verkehr oder im Gesundheitsbereich: "Es ist, wäre die Stadt zum ersten Mal draufgekommen, dass Menschen in Pension gehen."

Längst hätte es Vorkehrungen seitens der SPÖ gebraucht, diese stelle immerhin seit Jahrzehnten den Bürgermeister. Stattdessen heiße es immer: "Der Bund muss, der Bund macht doch nicht, der Bund ist sowieso an allem Schuld." Das sei ein "armseliges Politikverständnis".

Auf die Reden der Parteispitze folgte eine Podiumsdiskussion mit Klimaaktivisten – Lena Schilling von Jugendrat bzw. Lobau bleibt und David Sonnenbaum von der Letzten Generation. Der Nachmittag wurde für Parteitagsroutine reserviert: Angesetzt wurden Wahlen für verschiedene Gremien wie den Erweiterten Bundesvorstand und den Bundeskongress. (Stefanie Rachbauer, 25.3.2023)