Mit Regenschirmen, FFP2-Masken und Brillen schirmten sich Protestierende von "Block Gas" gegen das exekutive Pfefferspray ab.

Foto: APA / TOBIAS STEINMAURER
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Wien – Nicht nur vom Regen, sondern auch vom Polizei-Pfefferspray wurden Montagmorgen Demonstrierende in Wiens Innenstadt nass. Zwei Kundgebungen gegen die im Marriott-Hotel gegenüber dem Stadtpark stattfindende Europäische Gaskonferenz der Gas- und Ölindustrie sorgten für einen massiven Einsatz der Exekutive. Zunächst versprühte die Polizei kanisterweise Pfefferspray, auch die Diensthundestaffel und die Spezialeinheit Wega waren vor Ort. Schlussendlich wurden beide Gruppen, eine in der Johannesgasse, die zweite auf dem Ring, stundenlang eingekesselt und kontrolliert.

DER STANDARD

Warum, darüber gehen die Ansichten auseinander. Die Pressestelle der Polizei berichtet: Die Protestierenden "zeigten ein überaus gewaltbereites Vorgehen. Sie haben versucht, sich mit Steinen als Wurfgeschossen auszustatten, versucht, die Sperrkette der Polizei zu durchbrechen, und haben unter anderem bei der Anhaltung Widerstände gesetzt." Zwei Beamte seien dabei verletzt worden, daher sei der Pfefferspraygebrauch gerechtfertigt gewesen, um ein Durchbrechen der Sperrkette zu verhindern und die mehr als 250 erwarteten Teilnehmer der Energieindustrie zu schützen, argumentiert die Behörde. Ein Demonstrant habe sich als verletzt gemeldet, konnte aber in häusliche Pflege entlassen werden.

Für Grün-Politiker "unangemessener Einsatz"

Naturgemäß anders kommentierten Demonstrierende und Beobachter die Sache. So konnte der Grünen-Nationalratsabgeordnete Georg Bürstmayer "keine Anzeichen für die vorgeworfenen gemeinschaftlichen Strafhandlungen entdecken", wie er auf Twitter schrieb. Der Einsatz von Pfefferspray und das Erscheinen der Diensthundestaffel erschienen ihm daher "unangemessen". Für Klimaaktivistin Lena Schilling wurden laut ihrem Beitrag auf derselben Plattform "friedlich Protestierende gepfeffert und geknüppelt".

Straßenbahnen und Radfahrerinnen durften passieren, sonst fuhr am Parkring bis Montagnachmittag nichts mehr.
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Ungewöhnlich war die kurzfristige Verordnung über ein Platzverbot um das Tagungshotel durch Landespolizeipräsidenten Gerhard Pürstl. Es trat erst um 9.43 Uhr in Kraft und wurde um 10.04 Uhr medial veröffentlicht. Auf STANDARD-Nachfrage, warum man nicht wie sonst zumindest 24 Stunden vorher informiert hat, weicht man bei der Pressestelle aus. "Aufgrund von Erhebungen im Vorfeld" seien Sachbeschädigungen gegen das Hotel und Angriffe auf Tagungsteilnehmende nicht auszuschließen gewesen, heißt es.

Vorbereitungszeit für beide Seiten

Gar so überraschend kann der Einsatz aber nicht gekommen sein – schließlich waren unter anderem Beamtinnen und Beamte der Einsatzeinheit Tirol beteiligt. Auch die Initiative "Block the European Gas Conference" hat sich nicht spontan gegründet. Die Internetseite, auf der mehrere Gruppen dazu aufrufen, vom 26. bis zum 29. März die Konferenz "zu blockieren und lahmzulegen", wurde ber eits am 22. Dezember 2022 registriert.

Die Gegner argumentieren, die Industrie würde politische Absichten bei Geheimkonferenzen unterlaufen. Doch warum geben sich die Konferenzveranstalter nicht transparenter? "Weil sie Angst haben, dass diese Proteste dadurch noch mehr befeuert werden", sagte ein Vertreter der Gasindustrie unter Zusicherung der Anonymität dem STANDARD. Früher habe er selbst regelmäßig an der Konferenz teilgenommen, dieses Mal nicht.

Gastagung seit 2010

Erstmals ausgerichtet wurde die führende Gaskonferenz Europas 2010 von Clarion, einem in London ansässigen Unternehmen, das vom Investmentriesen Blackstone gekauft wurde. In Wien deshalb, da sich Österreich im Lauf der Jahrzehnte zu der Gasdrehscheibe Europas entwickelt hat.

Die Themen heuer kreisen um verflüssigtes Erdgas (LNG), das in diesem Winter russisches Pipelinegas zu einem erheblichen Anteil ersetzt hat. Am Dienstag, wenn ab 18.45 Uhr eine weitere Demo über Kai und Ring zieht, wird generell über die Zukunft von Erdgas in Europa diskutiert, am Mittwoch stehen die Dekarbonisierungshoffnung für die Industrie und grüner Wasserstoff im Fokus. (Anna Giulia Fink, Michael Möseneder, Günther Strobl, 28.3.2023)