Alexander Hofer (51) wird mit 1. April neuer ORF-Landesdirektor in Niederösterreich. Sein Vorgänger trat Anfang Februar nach Vorwürfen ÖVP-freundlicher Einflussnahme auf die Berichterstattung zurück.

"Untadelig und hervorragend" habe das Landesstudio schon über den Wahlkampf in Niederösterreich berichtet, so solle es weitergehen, sagt der bisherige ORF-2-Chef und Unterhaltungschef des ORF-Fernsehens.

Gute Vernetzung in Niederösterreich und der regierenden ÖVP relativiert Hofer im STANDARD-Interview. Wie die FPÖ als Regierungspartei mit dem ORF umgeht, weiß Hofer aus der ÖVP-FPÖ-Koalition im Bund, während der er 2018 Channel-Manager von ORF 2 wurde: "Wenn man nicht allein von Freunden umgeben ist, kann jede Situation herausfordernd sein."

Mit dem ORF Niederösterreich will Hofer Formate entwickeln, die "ins Land hineingehen und Menschen zusammenbringen", versuchen, "Gräben zuzuschütten und Menschen ins Gespräch zu bringen".

Wie will er den Menschen vermitteln, dass ab 2024 alle für ihren Hauptwohnsitz "ORF-Beitrag" zahlen sollen, auch jene, die mit alleiniger Streamingnutzung keine GIS zahlten? "Wenn alle Österreicherinnen und Österreicher hinkünftig ihren – geringeren als bisher – Beitrag leisten sollen, sollen sich alle weitestgehend abgebildet wissen." Der ORF müsse sich noch "breiter aufstellen".

Offen lässt Hofer, was er nach den drei Jahren bis 2026 als Landesdirektor im ORF noch werden will. Monika Lindner war Landesdirektorin in St. Pölten, bevor sie 2002 ORF-Generalin wurde. Andere Landesdirektoren wurden Zentraldirektoren, etwa für Programm.

"Niemand freut sich, wenn man in die öffentliche Diskussion gezerrt wird"

Alexander Hofer, ab 1. April neuer ORF-Landesdirektor in Niederösterreich.
Heribert Corn

STANDARD: Sie leiten ORF 2 und die TV-Unterhaltung mit drei- und zweistelligen Millionenbudgets, drehen die ganz großen programmlichen Räder im ORF. Warum wechselt man da als Direktor in ein Landesstudio mit vielleicht 15 Millionen Euro Jahresbudget?

Hofer: Als die Funktion ausgeschrieben wurde, habe ich gedacht: Ich bringe möglicherweise das nötige Rüstzeug mit, jetzt, mit 51, ist vielleicht ein guter Zeitpunkt für eine neue Herausforderung für die verbleibenden drei Jahre der Geschäftsführungsperiode bis Ende 2026. Das Budget ist kleiner, aber mit Radio, Fernsehen, Online ein weites Betätigungsfeld. Ich freue mich auf die neue Aufgabe.

STANDARD: Keine leichte Aufgabe: Die Belegschaft des Landesstudios dürfte nach dem Rücktritt des Landesdirektors, nach Vorwürfen des Politikeinflusses, verunsichert sein. Wie gehen Sie damit um?

Hofer: Niemand freut sich, wenn man in die öffentliche Diskussion gezerrt wird. Das hinterlässt etwas in einem Haus. Aber gerade in der Zeit eines Intensivwahlkampfs Anfang dieses Jahres hat die journalistische Arbeit hervorragend und untadelig funktioniert. Diesen Weg wird man fortsetzen.

STANDARD: Das Landesstudio brauchte einen neuen Direktor, weil dem Vorgänger zu viel Nähe zur Landeshauptfraupartei ÖVP vorgeworfen wurde. Was machen Sie anders? Haben Sie sich schon bei Johanna Mikl-Leitner vorgestellt?

Hofer: Nein, habe ich noch nicht. Aber selbstverständlich werde ich mit den politisch Verantwortlichen ins Gespräch kommen. Es gibt nach der Wahl eine neue Konstellation in der Landesregierung. Unsere Aufgabe als ORF ist, diese Verhältnismäßigkeiten abzubilden, zu berichten, nicht zu werten, nicht zu kommentieren.

"Wir im ORF haben nicht den Eindruck, von vielen Freunden umgeben zu sein."

STANDARD: Die ÖVP ist nun in einer Koalition mit der FPÖ, die für eine besonders ORF-kritische Haltung bekannt ist. Könnte eine schwierige Situation für den ORF-Landesdirektor werden.

Hofer: Wenn man nicht allein von Freunden umgeben ist, kann jede Situation herausfordernd sein. Derzeit ist so eine Zeit. Wir im ORF haben nicht den Eindruck, von vielen Freunden umgeben zu sein. Aber: Das Publikum mag uns trotzdem nach wie vor, das zeigen die täglichen Nutzungsdaten.

STANDARD: Sie haben im ORF schon Erfahrung mit ÖVP-FPÖ-Konstellationen – 2018 wurden Sie bei Türkis-Blau im Bund Channel-Manager von ORF 2, dem wichtigsten Informationskanal des ORF.

Hofer: Man kann das mit meinem Dienstantritt als ORF-2-Chef im Mai 2018 vielleicht ein bisschen vergleichen. Nun gibt es eine ähnliche Regierungskonstellation auf Landesebene. Man wird das Gespräch suchen und trotzdem immer wieder klarmachen, wer wo steht. Auf der einen Seite gibt es das Niederösterreichische Landhaus, auf der anderen Seite das Landesstudio des ORF. Jeder wird seine Aufgaben entlang der genau definierten Grenzen wahrnehmen.

"Grundsätzlich sind die Standards im ganzen ORF gleich. Es kommt darauf an, was man daraus macht."

STANDARD: Im von Ihnen geleiteten Channel ORF 2 laufen die wichtigsten Newssendungen, eine "ZiB", eine "ZiB 2". Sollten in den Landesstudios nicht dieselben Maßstäbe für unabhängigen ORF-Journalismus angelegt werden wie in den zentralen Infosendungen?

Hofer: Grundsätzlich sind die Standards im ganzen ORF gleich, auch das Redaktionsstatut, das der Generaldirektor 2022 deutlich verschärft hat. Das gilt in der "ZiB"-Redaktion genauso wie bei "Niederösterreich heute", "Burgenland heute" oder "Vorarlberg heute". Es kommt darauf an, was man daraus macht. Der ORF Niederösterreich hat gerade in der Hoch-Zeit des Niederösterreich-Wahlkampfs unter Beweis gestellt, dass man sich keine Sorgen zu machen braucht.

STANDARD: Das ORF-Gesetz sieht vor, dass der ORF-Generaldirektor den Landeshauptmann oder die Landeshauptfrau vorinformiert, wer im Bundesland ORF-Direktor werden soll. Wie hat Johanna Mikl-Leitner Ihren Namen aufgenommen?

Hofer: Das weiß ich nicht. Soweit ich weiß, hat Generaldirektor Roland Weißmann im Stiftungsrat erklärt, dass hier von dem Anhörungsrecht nicht Gebrauch gemacht wurde.

"Ich glaube nicht, dass ich ein niederösterreichisches Netzwerk habe, das andere Netzwerke ausschließt."

STANDARD: In meinen Porträts über Alexander Hofer kommt immer der Hinweis, Sie seien "sehr gut vernetzt in Niederösterreich, auch mit der das Land lange dominierenden ÖVP". Trifft die Beschreibung zu?

Hofer: Ich würde den Begriff ein bisschen relativieren. Ich habe von 1992 bis 1999 acht Jahre im Landesstudios gearbeitet, habe viel gemacht, im Aktuellen Dienst wie in der Unterhaltung. Da lernt man automatisch Menschen kennen. Mit manchem bleibt man in Verbindung. Ich glaube nicht, dass ich ein niederösterreichisches Netzwerk habe, das andere Netzwerke ausschließt. Ich habe auch in anderen Bundesländern gute Verbindungen.

STANDARD: Was machen Sie, wenn die Landeshauptfrau oder ihr Pressemann anruft und sich beschwert, dass am Vorabend ein Beitrag, zum Beispiel über Grafenegg, auf Sendung ging ohne O-Ton der Landeshauptfrau?

Hofer: Dann wird man den Anruf entgegennehmen, an die Chefredaktion und die Kollegen das Aktuellen Dienstes verweisen. Es wird einen Grund geben, warum kein O-Ton der Landeshauptfrau vorkam.

STANDARD: Sie wollen die – wie Sie formulieren: untadelige und hervorragende – Berichterstattung wie während des Niederösterreich-Wahlkampfs fortsetzen. Und was hat sich der neue ORF-Landesdirektor – der immerhin Unterhaltungschef des gesamten ORF und ORF-2-Chef war – vorgenommen mit dem Studio?

Hofer: Ich habe immer das Bedürfnis gehabt, so publikumsnah wie möglich Programm zu machen. Das ist unsere ureigenste Aufgabe. Wenn wir etwas anbieten, wo das Publikum sich und seine Interessen wiederfindet, in der Information wie in der Unterhaltung, haben wir gute Zahlen. Immer wenn Regionalität eine Rolle spielt, werden wir gut genutzt. Wir sind die Einzigen mit Regionalberichterstattung in diesem Umfang, in dieser Schlagzahl in Bild und Ton. Das ist ein klares Alleinstellungsmerkmal des ORF, dessen Mittel bei Fiction und teils auch Shows nicht mit internationalen Mitbewerbern mithalten können.

"Was es braucht, sind Möglichkeiten, mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen."

STANDARD: Was also gibt es zu tun im Landesstudio Niederösterreich?

Hofer: Was es braucht, sind Möglichkeiten, mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen. Vor allem in einer Zeit von Brüchen in der Gesellschaft, in der sich manche Publika ausgegrenzt fühlen, muss man einen Dialog anregen – und ihn nicht allein im Netz stattfinden lassen. Noch stärker, als wir es im Programm bisher anbieten. Das könnte zu einem Role-Model werden für Programmideen auch in nationalen Sendungen, wenn es gut funktioniert.

STANDARD: Wie kommen Sie ins Gespräch?

Hofer: Da haben die Landesstudios den Vorteil einer unmittelbaren Nähe. Ich will mit der Mannschaft Formate entwickeln, die Menschen zusammenbringen, Diskussionen anregen, Kontroversen auf der Basis sachlicher, faktenorientierter Information zulassen. Das werden wir rasch angehen. Das kann ein Format sein, in dem wir hinausgehen, off air ein Thema setzen, verschiedene Leute an einen Tisch zu bringen versuchen, die derzeit nicht so gerne miteinander ins Gespräch kommen wollen. Ich will über die Sorgen und Anliegen des Publikums reden, über gesellschaftliche Entwicklungen.

"Wir wollen versuchen, Gräben zuzuschütten und Menschen zusammenzubringen."

STANDARD: Die Radio-Niederösterreich-"Stammtisch"-Tour?

Hofer: Das muss dann so nicht heißen. Wir wollen ein starkes Medium sein, das versucht, Gräben zuzuschütten und Menschen zusammenzubringen, und das auch im Programm abbilden. Sie sollen, das Argument des anderen verstehend, auseinandergehen. Ich will niemanden überzeugen oder überreden, sondern ins Gespräch kommen. Das ist unsere Aufgabe, und das würde ich gerne mit dem einen oder anderen Format im Team des Landesstudios entwickeln.

STANDARD: Kommt die ORF-Niederösterreich-Entschädigung für die Corona-Berichterstattung?

Hofer: Nein, aber natürlich ist Corona ein Thema, das Gräben durch Freundeskreise und Familien zieht. Oft auch wenig faktenbasiert. Wir bewegen uns immer auf dem Fundament seriöser Fakten.

STANDARD: Roland Weißmann hat in seiner Bewerbung für die ORF-Generaldirektion angekündigt, er wolle vor allem die ländliche Jugend wieder stärker für den ORF gewinnen. Was tun Sie dafür in Niederösterreich?

Hofer: Die Jugend ist ein Riesenthema. Sie erreichen wir teilweise schwer bis gar nicht. Radio Niederösterreich ist gut aufgestellt, an einer Flottenstrategie aller ORF-Radios wird gearbeitet. Mit Formaten, die ins Land hineingehen und Menschen zusammenbringen, da spielen Jugend und Jugendliche, die bisher schwer mit der Marke in Berührung kommen, schon auch eine große Rolle.

"Das war ein Fernsehmoment, die richtige Entscheidung": Alexander Hofer über den Samstag Live-Berichterstattung über die Folgen des Ibiza-Videos im Mai 2019.
Heribert Corn

STANDARD: Sie waren jetzt fast fünf Jahre ORF-2-Chef, der erste des ORF. Braucht man die Funktion eines Channel-Managers?

Hofer: Ja. Nicht nur, weil ich nach fünf Jahren nicht sagen würde, das war ein Holler. Klare Ausrichtung der Kanäle in einer Flottenstrategie über klare Führungspersönlichkeiten sind der Garant für die Einhaltung einer Flottenstrategie. Ich war ein Fan des Channel-Managements und werde es weiter sein.

STANDARD: Was war das wichtigste Werk in der Zeit als Channel-Manager?

Hofer: Wir haben in diesen Jahren so viel erlebt, wie manche in einem ganzen Arbeitsleben nicht erleben, von Ibiza und Regierungswechseln bis Pandemie. Ich werde den Samstag nach dem Ibiza-Video im Mai 2019 nicht vergessen, wo wir nach der Sondersendung nach dem Vormittag entschieden haben: Wir bleiben darauf. Das hat unser Image geprägt, der Mannschaft viel geprägt, im Haus viel ausgelöst. Das war ein Fernsehmoment, die richtige Entscheidung, und hat vieles erleichtert in einem flexibleren Umgang mit dem Programm.

STANDARD: Sie waren parallel Unterhaltungschef des ORF-Fernsehens: Was war Ihr wichtigstes Werk hier?

Hofer: Die Etablierung von "9 Plätze 9 Schätze" ist schon etwas, was mich unheimlich freut. Weil es so gut funktioniert, weil es Regionalität in den Hauptabend holt, und weil es für diesen 26. Oktober eine wenig hoamatelnde, chauvinistisch anmutende, selbstbewusste Sendung mit den Schönheiten des Landes geworden ist. Natürlich muss ich auch das Engagement des Hans Sigl für die "Starnacht" erwähnen, das uns die erste Eurovision seit dem Tod des "Musikantenstadl" bringt. Die ARD ist deutschlandweit dabei.

STANDARD: Sie sprechen viel davon, das Publikum zu gewinnen. Wie gewinnt man das Publikum dafür, dass ab 2024 alle einen "ORF-Beitrag" zahlen müssen, geringer als bisher, aber dafür auch die bisher streamenden GIS-Sparer?

Hofer: Mit Programm für alle. Wenn alle Österreicherinnen und Österreicher hinkünftig ihren – geringeren als bisher – Beitrag leisten sollen, sollen sich alle weitestgehend abgebildet wissen. Das haben wir natürlich auch bisher schon versucht. Wir müssen uns noch breiter aufstellen als bisher. Rundfunk der Gesellschaft, Plattform der Gesellschaft soll auch im ORF Niederösterreich keine Worthülse bleiben, das wollen wir mit Leben erfüllen. Das ist unsere Aufgabe, gerade in Diskussionen über unsere Finanzierung und immer wieder, auch unsachlich geführten Legitimationsdebatten. Dazu möchte ich meinen persönlichen Beitrag leisten.

STANDARD: Als Willkommensgeschenk für die Akzeptanz des ORF-Beitrags verzichtet die neue Landesregierung auf Landesabgaben.

Hofer: Es war auch kaum möglich, den Menschen zu erklären, dass der ORF nur rund zwei Drittel der Mittel bekommt, die die GIS einhebt. Das ist damit klarer.

STANDARD: Es sind schon Direktoren des Landesstudios Niederösterreich zum ORF-Generaldirektor aufgestiegen, aus anderen Landesstudios TV-Direktoren geworden. Was ist die nächste Herausforderung des Alexander Hofer nach dem Job als Landesdirektor bis 2026?

Hofer: Ich habe einen Vertrag, der noch nicht begonnen hat. Lasst mich mal das Büro besiedeln. Ich bin bis 31.12.2026 bestellt. Ich freue mich auf die drei Jahre. Was dann kommt, steht in den Sternen.

"Was nach 2026 kommt, steht in den Sternen."
Heribert Corn

(Harald Fidler, 30.3.2023)