Am Mittwoch erklärte sich Olaf Scholz im Bundestag. Christian Lindner und Robert Habeck waren auch wieder dabei.

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Und wieder sitzen sie nebeneinander. Als Olaf Scholz (SPD) am Mittwochnachmittag auf der Regierungsbank im Bundestag Platz nimmt, warten dort Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP). Die beiden hat Olaf Scholz seit Sonntagabend zur Genüge in seinem Kanzleramt gesehen.

Dort tagte von Sonntagabend bis Dienstagabend der Koalitionsausschuss, man beriet mit Unterbrechungen 30 Stunden über weitere Maßnahmen zum Klimaschutz und für den schnelleren Ausbau der Infrastruktur.

"Sehr, sehr gute Ergebnisse", hatte Scholz irgendwann, als die Marathonsitzung noch lief, angekündigt. Ihre Präsentation überließ er aber dann den Parteichefs Lars Klingbeil (SPD), Ricarda Lang (Grüne) und Christian Lindner (FDP).

"Stillstand ist zu Ende"

Doch am Mittwoch im Bundestag nimmt Scholz natürlich Stellung, wenngleich viel nüchterner als am Tag zuvor. "Die Regierung hat sich vorgenommen, dieses Land zu modernisieren. Der Stillstand der letzten Jahrzehnte, den wir konservativer Politik zu verdanken haben, ist endgültig zu Ende. Jetzt kommt Tempo nach Deutschland."

Schaffen will Scholz das mit folgenden Maßnahmen:

·Heizungen Es braucht grundsätzlich effizientere Heizungen, da war man sich einig. Doch Streit gab es um die Methode. Der umstrittene Gesetzesentwurf von Habeck zum Einsatz klimafreundlicher Heizungen wird entschärft. Der grüne Minister hatte vorgehabt, ab 2024 den Einbau von Heizungsanlagen auf Basis ausschließlich fossiler Energieträger (Öl und Gas) nicht mehr zu erlauben.

Schnellere Umsetzung von Infrastrukturprojekten

Das hatte viele Hauseigentümer besorgt, da der Umstieg auf Wärmepumpen teuer ist. Laut Lindner soll nun jedoch der Grundsatz der "Technologiefreiheit" gelten, Gasheizungen auch weiter mit grünem und blauem Wasserstoff oder Biomasse genutzt werden.

Im Beschlusspapier der Ampel heißt es zudem: "Unbillige Härten auch zum sozialen Ausgleich werden vermieden." Es werde geprüft, wie der Austausch von Gas- und Ölheizungen "gezielt und bürokratiearm" mit Mitteln aus dem Klima- und Transformationsfonds gefördert werden könne.

·Verkehr Infrastrukturprojekte sollen schneller umgesetzt werden – das war grundsätzlich auch allen Parteien recht. Doch während die Grünen dabei an die Schiene dachten, hatte die FDP auch Autobahnen im Blick.

Lange umstritten

Dieses Gesetz war lange zwischen FDP und Grünen umstritten gewesen. Jetzt sollen nebst Bahn- und Brückenbauten auch 144 Projekte im Bereich Autobahn und Bundesstraßen vorrangig ausgebaut werden. Entlang von neuen Autobahnen müssen dafür Solarpaneele installiert werden.

Um die Deutsche Bahn zu stützen, werden bis 2027 45 Milliarden Euro gebraucht. Dafür müssen ab 2024 auch schon Lkws ab 3,5 Tonnen Maut bezahlen, nicht mehr nur jene ab 7,5 Tonnen. So erhalten auch Güterbahnen einen Vorteil im Vergleich zur Straße. 80 Prozent dieser Einnahmen gehen in die Schiene.

·Klimaschutzgesetz Im aktuellen Gesetz hat jeder Sektor wie Energie, Gebäude oder Verkehr CO2-Vorgaben pro Jahr, die erfüllt werden müssen. Besonders der Verkehr, derzeit in Verantwortung von Volker Wissing (FDP), tut sich damit schwer und sprengte die Vorgaben bereits zweimal.

Jetzt heißt es, nicht zu seinen Ungunsten: Die Einhaltung der Klimaschutzziele soll zukünftig anhand einer sektorübergreifenden und mehrjährigen Gesamtrechnung überprüft werden. Damit kann ein Sektor die Verfehlungen eines anderen ausgleichen.

Man schweigt sich auseinander

Nicht nur Scholz zeigte sich im Bundestag zufrieden, auch die Chefs der drei Parteien hatten sich positiv geäußert. FDP-Mann Lindner fand sogar Gefallen an den schier unendlichen Verhandlungen und meinte, das solle man ruhig öfter machen. Lindner: "Man schweigt sich auseinander, und man diskutiert sich zusammen."

Doch am Tag danach, am Mittwoch, machte Grünen-Chefin Ricarda Lang schon deutlich, dass die Grünen nicht ganz happy sind. Sie sprach zwar von Fortschritten, sagte aber auch: "Das, was wir beschlossen haben, das reicht noch nicht. Deshalb werden wir auch dranbleiben."

Habeck wurde im ZDF-Talk von Markus Lanz gefragt, wie oft es in den Verhandlungen "zwei gegen einen" gestanden habe, also SPD und FDP gemeinsam gegen die Grünen. Seine Antwort: "Ist doch egal."

Habeck zeigt sich enttäuscht

Am Mittwoch zeigte sich Habeck in einer Videobotschaft auf Twitter enttäuscht über die Ergebnisse des Koalitionsausschusses. "Es ist ein Kompromisspapier, da beißt die Maus keinen Faden ab", sagte der Grünen-Politiker. Es seien darin gute Dinge. Aber: "Es gibt Dinge, die hätte ich jetzt nicht gebraucht." Habeck nannte die Vereinbarungen im Verkehrssektor nicht genügend.

"In der Summe reichen sie nicht, um die Lücke im Verkehrsbereich zu schließen. Das ist für mich das, was am unbefriedigendsten ist", sagte er weiter. "Aber mehr ist in dieser Koalition nicht möglich." Es sei in den mehrtägigen Gesprächen Ziel gewesen, den Knoten in der Koalition zu lösen. Andernfalls wäre sie dauerhaft gelähmt gewesen. Letztlich sei es eine Reaktion auf den Reformstau der vergangenen Jahre gewesen.

Reaktionen fallen gemischt aus

Das Echo auf die Pläne fällt naturgemäß gemischt aus. "In den Verhandlungen wurden für eine Reihe von strittigen Themen pragmatische und vernünftige Lösungen gefunden", sagt die Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Monika Schnitzer.

Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, sprach von einem "positiven Signal" für die Wirtschaft. "Vieles davon geht in die richtige Richtung: Schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren auch bei den vielen Engpässen auf Autobahnen, mehr Geld für die Schiene sowie ein höheres Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien sind gute Vorhaben für Deutschlands Unternehmen."

Scharfe Kritik kommt dagegen von der Klimaschutzbewegung Fridays for Future: "Eine Woche nachdem der Weltklimarat deutlich gemacht hat, dass die Welt an einem dramatischen Kipppunkt steht, hat die Ampel beschlossen, so zu tun, als sei ihr das mehr oder weniger egal." (Birgit Baumann aus Berlin, red, Reuters, 29.3.2023)