Europa will den Ausbau seiner Solarkraftwerke deutlich beschleunigen.

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Es gilt als eines der wichtigsten Ziele der europäischen Klimapolitik: das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Es legt unter anderem fest, welcher Anteil der Energie in der EU bis 2030 durch Sonnen- und Windkraft gedeckt werden muss und inwiefern andere Energiequellen als "erneuerbar" angerechnet werden dürfen – diskutiert wurde dazu über die Rolle von Wasser- und auch Atomkraft sowie Biomasse.

Nach langen Verhandlungen einigten sich die EU-Staaten und das Parlament am frühen Donnerstagmorgen schließlich auf einen Kompromiss. Bis 2030 sollen 42,5 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen stammen. Damit liegt die Latte niedriger, als die EU-Kommission zuletzt vorgeschlagen hatte. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hatte sie sich für 45 Prozent ausgesprochen – eine Marke, die das EU-Parlament unterstützte.

Dem Rat war das allerdings zu viel, einigen konnte man sich schließlich auf 42,5 Prozent – mit einem freiwilligen Top-up um 2,5 Prozent, für das sich die Staaten entscheiden können, um extra Ambition zu zeigen.

EU auf Kurs für 45 Prozent

Die 45 Prozent könnte Europa leicht erreichen, mahnt der Energie-Thinktank Ember. In einer neuen Analyse zeigt Ember, dass die EU derzeit auf Kurs sei, diesen höheren Anteil an Erneuerbare-Energie zu decken. "Das relativ niedrige Ziel riskiert, dieses Momentum abzubremsen", so Ember-Analyst Chris Rosslow.

2021 bezog die EU 22 Prozent ihrer Energie aus Strom, Wind, Wasser und anderen alternativen Quellen. Allerdings variiert dieser Anteil je nach Land stark. Während Schweden auf 63 Prozent kommt und damit Spitzenreiter ist, liegen Luxemburg, Malta, die Niederlande und Irland unter 13 Prozent. Österreich lag bei knapp 40 Prozent.

"Überragendes öffentliches Interesse" für Erneuerbaren-Ausbau

Beschlossen werden mit dem neuen Gesetz auch konkrete Ziele für einzelne Bereiche, etwa im Gebäude- und Verkehrssektor sowie für die Industrie. Außerdem sollen Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigt werden. Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze liegt künftig im "überragenden öffentlichen Interesse". Damit ist es leichter, bestimmte Flächen der Energiegewinnung zu widmen. Außerdem können so Umweltprüfungen beschleunigt werden.

Jeder EU-Staat muss zudem mindestens ein grenzüberschreitendes Kooperationsprojekt angehen, um die gegenseitige Zusammenarbeit zu steigern. Kohlenstoffarme Brenn- und Kraftstoffe werden nicht auf die Erneuerbaren-Ziele angerechnet. Es soll weiter unterschieden werden zwischen grünem Wasserstoff, der aus erneuerbaren Quellen gewonnen wird, und Wasserstoff auf Basis von Atomstrom, für den Frankreich gerne Vorteile gesehen hätte.

Frankreich hatte versucht, auch Atomkraft als erneuerbare Energiequelle anzurechnen.
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Eine Ausnahme habe Frankreich dann für seinen Atomstrom aber doch bekommen, erklärt Rosslow von Ember. Zwar gilt Atomkraft in der Richtlinie nicht als erneuerbar, doch dürfe die Industrie für die Erreichung ihres Wasserstoff-Ziels kohlestoffarmen Wasserstoff – also auch jenen aus Atomstrom – anrechnen. "Die neue Regelung schafft damit einen Anreiz, Atomstrom für die Produktion von Wasserstoff zu nutzen", so Rosslow. "Es wäre effizienter, diese Energie direkt einzusetzen, etwa in der E-Mobilität."

Holz gilt als erneuerbare Energiequelle

Lange verhandelt wurde auch zur Rolle von Biomasse für die Erneuerbaren-Ziele. Im Raum gestanden war, die Anrechenbarkeit von Biomasse auf die Erneuerbaren-Ziele auslaufen zu lassen. Schließlich legten die Verhandlerinnen und Verhandler dann aber fest, dass unter anderem Holz weiter als erneuerbare Energiequelle angerechnet werden darf – auch Österreich forderte das.

Lange wurde diskutiert, inwiefern Biomasse in der neuen Richtlinie als erneuerbare Energiequelle angerechnet werden soll.
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"Österreichs Einsatz in Brüssel hat sich gelohnt", sagte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP). Ohne nachhaltige Waldbiomasse sei die Energiewende nicht zu stemmen.

Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) verwies darauf, dass das Holz für die Energiegewinnung nicht aus Wäldern mit großer biologischer Vielfalt, Grünland mit artenreichem Grasland, Feuchtgebieten oder Torfmooren stammen dürfe.

Der Grüne EU-Parlamentarier Thomas Waitz kritisierte, dass der Parlamentsvorschlag, die Wälder in Europa vor Übernutzung zu schützen, von den EU-Mitgliedsstaaten gekippt wurde. Der ungebremste Hunger nach Energieholz fördere die Zerstörung der Wälder, so Waitz.

Die Einigung muss noch formell vom EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten abgenickt werden, bevor sie in Kraft tritt. Änderungen werden jedoch keine mehr erwartet. (Alicia Prager, APA, 30.3.2023)