Foto: UNIVERSITY OF WESTERN AUSTRALIA / TOKYO UNIVERSITY OF MARINE SCIENCE AND TECHNOLOGY

Die Scheibenbäuche aus der Gruppe der Groppenverwandten in der Ordnung der Barschartigen zählen nicht gerade zu den prominentesten Tieren unseres Planeten. In der Ichthyologie, wie das zoologische Fachgebiet der Fischforschung heißt, gelten die kleinen Fische aber als Superstars. Sie sind nicht nur die dominierende Fischfamilie in Meerestiefen jenseits der 6.000 Meter, sondern überleben sogar viel weiter unten, als Wirbeltieren lange zugetraut wurde: In mehr als 8.000 Metern Tiefe wurden Scheibenbäuche in den vergangenen Jahren gesichtet, zuletzt im Marianengraben bei 8.178 Metern.

Tiefer geht es kaum: Scheibenbäuche jenseits der 8.000 Meter Meerestiefe.
Guinness World Records

Ruhe am Meeresgrund

Nun haben die Fische ihren eigenen Rekord erneut gebrochen: Mithilfe eines Tauchroboters entdeckten Forschende eine bisher unbekannte Art der Scheibenbauch-Gattung Pseudoliparis im pazifischen Boningraben – in 8.336 Metern Tiefe. Nie zuvor sei ein Fisch so tief dokumentiert worden, wie das Forschungsteam der University of Western Australia und der Universität Tokio mitteilte. "Wir haben über 15 Jahre damit verbracht, diese Tiefseefische zu erforschen. Die Tiefe, in der sie überleben können, ist wirklich erstaunlich", sagte Alan Jamieson, der wissenschaftliche Leiter der Expedition.

Die Forschenden vermuten, dass es sich bei dem Rekordfisch um ein Jungtier gehandelt hat, das möglicherweise Schutz vor Fressfeinden suchte. Dabei dürfte der Fisch schon ganz nah am Überlebenslimit geschwommen sein: Eigentlich gilt eine Tiefe von 8.200 Metern selbst für die Scheibenbäuche als Grenze. Um ihre Zellen vor dem hohen Druck in tiefen Meereszonen zu schützen, verfügen Tiefseefische über osmotisch aktive Substanzen, sogenannte Osmolyte. Die Konzentration schützender Osmolyte stößt aber irgendwann an ihre Grenzen – wobei das genaue Limit von der Umgebungstemperatur abhänge, wie Jamieson zum "Guardian" sagte. "Je kälter das Wasser ist, desto weniger tief können die Fische tauchen."

Fotofalle in der Tiefsee: Ein überraschter Scheibenbauch blickt in die Kamera.
Foto: UNIVERSITY OF WESTERN AUSTRALIA / TOKYO UNIVERSITY OF MARINE SCIENCE AND TECHNOLOGY

Genetische Anpassung

Im Boningraben vor Japan sei das Wasser etwas wärmer als etwa im Marianengraben, deshalb seien dort Fische in noch größeren Tiefen anzutreffen. "Die japanischen Gräben sind unglaubliche Orte, sie sind so reich an Leben, selbst ganz unten", sagte Jamieson. Nach rund 250 Tauchgängen geht der Wissenschafter aber nicht davon aus, noch tiefer als in den nun dokumentierten 8.336 Metern fündig zu werden.

Welche Eigenschaften den Scheibenbäuchen sonst noch dabei helfen, in diesem extremen Lebensraum klarzukommen, fand vor einigen Jahren ein chinesisches Forschungsteam heraus: Die Forschenden verglichen mehrere Arten von Scheibenbäuchen und entdeckten Anpassungen an die Tiefsee, unter anderem bei der Haut, den Muskeln und beim Aufbau des Schädels. Auch genetische Besonderheiten kamen dabei zum Vorschein, unter anderem fanden sich mehrere Kopien von Genen, die die Zellmembranen flüssiger machen.

So tief wie die Scheibenbäuche, so scheint es, kommen andere Tiefseefische nicht hinunter. Als die Tiefseepioniere Jacques Piccard und Don Walsh 1960 vom ersten Tauchgang in den Marianengraben fast 11.000 Meter unter der Meeresoberfläche zurückkehrten, berichteten sie zwar ebenfalls von einer Sichtung: Ein Plattfisch sei in den tiefsten Tiefen an ihnen vorbeigeschwommen. Dass es sich dabei wirklich um einen Fisch gehandelt hatte, wurde von Forschenden allerdings schon damals angezweifelt, auch seither wurde nie wieder ein so tief schwimmender Plattfisch beobachtet. Womöglich handelte es sich um eine flache Seegurke, lautet eine Theorie. (David Rennert, 5.4.2023)