"Seit 2010 leite ich die Apotheke hier in der Nisselgasse im 14. Bezirk. Ich habe sie von meinen Eltern übernommen. Es war damals ein großer Wunsch meines Vaters dass entweder ich oder mein Bruder das Geschäft fortführen. Mein Bruder wollte nicht, also habe ich nach meinem Medizinstudium noch ein Pharmaziestudium angehängt. Ich arbeitete bereits als Ärztin im Spital. Im Vergleich dazu sind Apotheken familienfreundlicher, weil die vielen Nachtdienste wegfallen. Das schätze ich schon sehr.

Wenn ich zurückdenke, hatte mein Vater als Apotheker immer einen großen Respekt vor Ärzten. So nach dem Motto: Was der Arzt sagt, gilt. Heute kommunizieren Ärzte und Apotheker mehr auf Augenhöhe miteinander. Durch elektronische Systeme wie Elga ist die Zusammenarbeit auch besser geworden. Man kann sich per Knopfdruck anschauen, was alles verschrieben wurde. Generell ist heute vieles einfacher: Früher musste man noch Preise für Medikamente mühsam in Listen suchen. Das geschieht nun alles mit dem Computer. Dadurch hat man mehr Zeit, um Kunden zu beraten.

Christina Kröner in ihrer Apotheke zum Hl. Rochus im 14. Bezirk.
Foto: Gerald Zagler

Als Chefin muss ich schauen, dass genug Personal zur Verfügung steht, und ich muss mich auch um das Finanzielle kümmern, am liebsten arbeite ich aber im Verkaufsraum bei der Kundschaft. Es ist ein sehr nettes Grätzel hier, und die Leute kennen sich. Man kann ihre Leben über Jahre mitverfolgen und ihnen helfen, wenn sie Probleme haben. Für viele sind wir die ersten Ansprechpersonen, zum Beispiel bei Erkältungskrankheiten, Allergien oder für Mütter mit ihren Kindern. Sie kommen zu uns, wenn sie den Kinderarzt nicht sofort erreichen. Die ältere Kundschaft sucht auch soziale Kontakte. Sie schätzt es, dass ich persönlich auf sie eingehe und mich dafür interessiere, ob die Therapie gewirkt hat.

Gut informierte Kundschaft

Mittlerweile ist die Situation zum Glück entspannter. Während Corona habe ich schon eine große Unsicherheit bemerkt. Die meisten waren geduldig und diszipliniert, manche konnten aber auch gereizt und aufbrausend sein. Die Pandemie hat uns wirklich gefordert. Manchmal haben wir es auch mit Personen zu tun, die unter psychischen Probleme leiden und plötzlich anfangen zu schreien. Aber das sind Ausnahmen. Gott sei Dank haben wir selten Probleme.

Im Gegensatz zu früher ist vor allem die junge Kundschaft sehr gut informiert. Sie wissen meistens ganz konkret, was sie wollen. Wir versuchen abzuklären, ob das Medikament wirklich das richtige ist oder ob es etwas Besseres gibt. Kompliziert wird es, wenn sie zum Beispiel ein bestimmtes deutsches Präparat wünschen. Wir müssen oft langwierig suchen oder ewig herumtelefonieren, um es zu bekommen. Manchmal lässt sich auch jemand nur beraten und kauft dann das Produkt vermutlich im Internet. Aber bitte, das ist in jeder Branche so.

Lieferengpässe und Teuerung

Die Leute schauen generell mehr auf ihr Geld, weil alles sehr teuer geworden ist. Wir haben Hustensaft, für den wir inzwischen 15 Euro verlangen müssen. Da erschrecke ich oft selbst. Die meisten nehmen es aber in Kauf. Ich denke, bei ihrer Gesundheit sparen die Menschen als Letztes. Was ich so noch nie erlebt habe, sind die Lieferengpässe, mit denen wir im Moment zu kämpfen haben. Präparate wie Säfte oder Nasentropfen stellen wir daher wieder öfter selbst her, so wie früher. Ich bin froh, dass wir das Know-how haben.

Wenn Sie mich fragen, ob früher alles besser war, dann kann ich mit einem klaren Nein antworten. Man muss sich der Zeit anpassen. Ich bin nicht der Mensch, der immer zurückschaut. Wichtig ist mir, dass das Team gut eingespielt ist, und wenn die Kunden gut versorgt werden, ist auch das Arbeitsklima angenehm. Ich bereue also meine Entscheidung nicht, in die Apotheke gewechselt zu haben, auch wenn mir das Medizinstudium zugegeben mehr Spaß gemacht hat. Wer nach mir die Apotheke übernimmt, das weiß ich nicht. Meine größere Tochter wird vielleicht Pharmazie studieren, aber schauen wir mal. Ich will, dass sie glücklich ist. Das hängt nicht von der Apotheke ab." (Gerald Zagler, 16.4.2023)