"Das Musikhaus Doblinger in der Wiener Dorotheergasse wurde 1817 als Musikalien-Leihanstalt eröffnet, also vor mehr als 200 Jahren. Ich bin mittlerweile seit 45 Jahren hier beschäftigt. Begonnen habe ich 1978 als Lehrling. Damals gab es noch den Lehrberuf Musikalienhändler. Als ich in der Berufsschule in der Hütteldorfer Straße meine Ausbildung startete, waren wir zehn Lehrlinge. Musikalienhändler verkaufen in erster Linie Noten, gedruckte Noten. Seit den 60er-Jahren verfügen wir hier im Geschäft aber auch über ein großes Buchsortiment.

Tonträger gibt es auch noch im Sortiment, wobei das Geschäft in diesem Bereich stark zurückging. Es hat sich überhaupt vieles verändert in diesen fast fünf Jahrzehnten. Mittlerweile arbeiten wir zu acht, als ich begonnen habe, waren wir allein im Verkauf über 30 Personen. Wir verfügen in Sachen Noten über eine Klassikabteilung, eine für Unterhaltungsmusik und eine ganz besondere Abteilung für Chormusik.

Josef Neustifter arbeitet seit fast fünf Jahrzehnten im Musikhaus Doblinger.
Foto: Michael Hausenblas

Als ich begonnen habe, durften sich die Kunden die Noten nicht selbst nehmen. Diese wurden wie beim Greißler auf der Budel serviert. Das hat nicht jedem und jeder gepasst. Es gab einen berühmten Pianisten und Komponisten, der wollte das partout nicht akzeptieren und zeigte sich sehr ungeduldig. Er wollte sich einfach selbst bedienen. Den Namen möchte ich lieber nicht nennen.

Für meinen Job sollte man natürlich Interesse an der Musik mitbringen. Dieses wurde mir durch meinen Papa sozusagen in die Wiege gelegt. Er hat bei der Polizeimusik in Wien gespielt und beherrschte die Violine, die Posaune und das Flügelhorn. Er war also ein richtiger Allrounder, der auf Bällen ebenso zum Einsatz kam, wie bei Parkkonzerten. Mein Vater war es auch, der mir zur Lehre des Musikalienhändlers riet. Ich selbst habe Klavier gelernt, hatte allerdings, wie soll ich sagen, keine gute Klavierlehrerin. Es handelte sich um eine ältere Dame, die mir Schubert und Haydn nahebringen wollte. Ich stand damals mehr auf die Beatles und Glamrock. Letztendlich begann ich irgendwann, mir meine Musik selbst zu erfinden. Ich überlege mir Kompositionen und improvisiere sie dann am Klavier. Meine bevorzugte Richtung ist mittlerweile moderne Musik, vor allem Instrumentalmusik, komplexe Musik. Was das genau heißt? Für mich beginnt die Musik dort, wo sie für viele endet, zum Beispiel bei Gustav Mahler. Ich mag aber auch Jazz und Popmusik der 60er- bis 80er-Jahre. Momentan beschäftige ich mich zu Hause sehr intensiv mit den Symphonien des russischen Musikers Schostakowitsch. Seine Musik berührt mich sehr. Ich kaufe übrigens schon noch CDs, ganz oldschool.

"Zurzeit ist neoklassische Klaviermusik gefragt."

An meinem Beruf gefällt mir besonders, dass immer wieder Neues kommt, neue Werke und Trends. Zurzeit ist zum Beispiel neoklassische Klaviermusik gefragt, Stichwort Ludovico Einaudi. Oder nehmen wir Eric Satie her, der wird auch plötzlich wiederentdeckt.

Unsere Kundschaft ist sehr vielfältig. Dazu zählen Touristen, die in der Musikstadt Wien Noten für sich und ihre Freunde besorgen, hinzu kommen viele Studenten und Studentinnen, wir verkaufen aber auch über das Internet. Und dann gibt's natürlich noch Eltern, die Noten für ihre Kinder besorgen. Meine liebste Kundschaft ist die, die mir an der Kassa den Eindruck vermittelt, dass sie sehr zufrieden ist mit dem, was sie mit nach Hause nimmt, mir also das Gefühl gibt, dass ich das Richtige für sie gefunden habe.

Das Verhalten der Menschen, die zu uns kommen, hat sich schon verändert. Das Tempo ist höher geworden, es ist mittlerweile stressiger. Außerdem hat die Kundschaft früher nicht so sehr aufs Geld geschaut. Und natürlich ist auch sonst vieles anders, allein durch das Internet. Als ich hier begonnen habe, gab es keinen einzigen Computer. Ich musste noch mit der Schreibmaschine Karteikarten tippen.

Jetzt kommt sicher noch die Frage, ob früher alles besser war. Nun, lassen Sie es mich so sagen. Generell würde ich sagen, es war gemütlicher. Man hatte mehr Zeit für alles Mögliche. Aber vielleicht ist das auch eine Frage des Alters. Doch die Entspanntheit von seinerzeit, die vermisse ich schon." (Michael Hausenblas, 3.4.2023)