"Meine Familie ist bereits in sechster Generation als Lebzelter, Wachszieher und Metsieder tätig und stammt aus Mariazell. Es handelt sich dabei um ein sehr altes Gewerbe, und wir produzieren mehr als 400 Artikel in handwerklicher Fertigung. Ich spreche von mittlerweile 80 Lebkuchensorten, Edelbränden und Kerzen. Viele wissen das nicht, aber da besteht ein interessanter Zusammenhang. Früher kamen Pilger vor allem zu Fuß in den Wallfahrtsort Mariazell. Nach ihrer Ankunft galt es, sie zu verpflegen. Man reichte also den Met genannten Honigwein, und als Proviant für den Rückweg packte man Lebkuchen ein.

Wurde zu viel gevöllert, kam dann Hochprozentigeres zum Einsatz, um den Magen wieder einzurenken. Aus dem Rest der Bienenwaben, die für den Honig im Lebkuchen eine wichtige Rolle spielten, wurden schließlich Kerzen gefertigt. Man kann also von einer sehr frühen Ausprägung einer nachhaltigen Produktion sprechen. Die Hälfte des Lebkuchenteigs besteht bei uns so wie einst schon noch immer zur Hälfte aus Honig. Dieses Verhältnis ist mittlerweile selten am Markt zu finden. Inzwischen benötigen wir 240 Tonnen Honig pro Jahr. Derzeit kaufen wir Honig aus Ungarn zu, der genau analysiert wurde. Da muss alles passen.

Katharina Pirker in ihrem Geschäft am Wiener Stephansplatz.
Foto: Michael Hausenblas

Hier in das Geschäft am Wiener Stephansplatz kamen wir 2013. Davor gab es schon viel Stammkundschaft in Wien, die wir beliefert haben. Der Hauptsitz befindet sich allerdings nach wie vor in Mariazell. Das bedeutet, dass ich sehr viel hin- und herpendle. Mein Mann Georg Rippel-Pirker und ich leiten das Unternehmen gemeinsam. Neben dem Management bin ich auch mit der Entwicklung neuer Lebkuchensorten beschäftigt, ich darf mich nämlich auch Lebzelter- und Konditorgesellin nennen. Ferner obliegt mir die Dekoration der Geschäfte und anderes. Insgesamt beschäftigen wir 200 Mitarbeiter, die sich auf den Stammsitz, das Geschäft in Wien und eines in Salzburg verteilen. Heutzutage gibt es nur mehr sehr wenige Lebzelter, die wie wir handwerklich arbeiten. Man kann sagen, der Job ist fast ausgestorben.

An und für sich war klar, dass ich vor 25 Jahren ins Unternehmen einsteigen würde, die Sache mit dem Lebkuchen und dem Verkauf hat sich von Mariazell aus sehr gut entwickelt. Meine Eltern waren sehr umtriebig. Wir hatten hierzulande den ersten Onlineshop im Lebensmittelhandel. Das alles zusammen stellte eine tolle Herausforderung für mich dar. Noch dazu kommt mein Mann aus dem Bereich des Marketings und hat erkannt, wie viel in dieser Branche steckt.

Vegane Entwicklungen

Hier im Geschäft in Wien kaufen sehr viele Touristen ein, es kommt aber auch jede Menge Wiener Stammkundschaft, die früher in Mariazell bestellen musste. Auch das ist ein Grund, warum wir hier aufgesperrt haben. Was unser Sortiment betrifft, liegt mir der Lebkuchen bzw. seine Weiterentwicklung besonders am Herzen. In früheren Zeiten war dieser von seiner Konsistenz her ein bisschen fester, ich spreche vom klassischen mit Mandeln belegten Fünfmandler. Heute entwickelt sich der Lebkuchen in Richtung Konfektbereich. Vor zwei Jahren habe ich zum Beispiel die weiße Kokoszunge entwickelt. Sie besteht aus Trüffel, Kokos, Amarenakirsche, Marzipan und weißer Schokolade. Auch Dinkel und Vegan sind mittlerweile ein Thema. Beim veganen Lebkuchen ging es um die Herausforderung, den Honig zu ersetzen. Hier kommen Agavendicksaft, Ahornsirup und noch etwas zum Einsatz, das ich allerdings geheim halte.

Geschäftlich betrachtet war es früher nicht besser. Ganz im Gegenteil. Die Kundschaft schätzt das Hochwertige und Handwerkliche sogar mehr als früher und ist auch bereit, ein bisschen tiefer in die Tasche zu greifen. Mir kommt vor, dass Kundinnen und Kunden mittlerweile ebenso bereiter sind, länger zu warten, wenn viel im Geschäft los ist. Ist eine Sorte mal aus, was bei 80 Sorten durchaus passieren kann, war das, wenn ich zurückdenke, fast ein Weltuntergang. Die Leute sind heute experimentierfreudiger und greifen auch gern einmal zu einer Alternative. Wie soll ich sagen? Die Menschen sind offener geworden. Und ich persönlich? Ich lebe im Hier und Jetzt. So, wie es im Moment ist, ist es für mich gut. Ich bin nicht nostalgisch. Überhaupt nicht. Es reicht, dass mein Produkt ein nostalgisches ist. Ich muss in die Zukunft blicken." (Michael Hausenblas, 4.3.2023)