Peter Stastny ist seit 37 Jahren Uhrmacher und betreibt ein kleines Geschäft in der Pilgramgasse 24 im fünften Wiener Bezirk.

Foto: Michael Hausenblas

"Nach meiner Ausbildung zum Uhrmacher begann ich hier in der Pilgramgasse im Geschäft meiner Tante zu arbeiten. Das ist mehr als drei Jahrzehnte her. Als die Tante seinerzeit meinte, zusätzlich zu mir jemanden ins Geschäft zu holen, sagte ich, 'dann kündige ich und geh' gleich wieder'. Sie hat niemanden dazugeholt, also bin ich geblieben. Ich meine, das Geschäft misst gerade einmal 14 Quadratmeter. 1999 habe ich dann den Betrieb übernommen. Ich kenne hier im Grätzel manche Menschen seit ihrer Kindheit. Inzwischen haben sie selber Kinder. Es ist wie ein Dorf.

Von zwölf bis 14 Uhr habe ich Mittagspause. Da fährt der Zug drüber. Das war früher auch in anderen Geschäften normal. Da gingen alle auf Mittagspause. In der Pause gehe ich zum Wirt um die Ecke zum Essen. Da möchte ich meine Ruhe haben und Zeitung lesen. Ich besitze nicht einmal ein Smartphone, geschweige denn Internet. Heute gab es übrigens Frittatensuppe, Burgunderrindsbraten und ein kleines Bier. Urlaub gibt's maximal eine Woche am Stück. Eher weniger. Ich will auch nicht mehr wegfliegen. Das ist mir mittlerweile zu umständlich.

Foto: Michael Hausenblas

Ich handle mit Uhren, Schmuck und erledige auf diesem Gebiet alle möglichen Reparaturen. Der Umsatzanteil zwischen den Sparten variiert. Mal so, mal so. Früher war das Interesse an Ringen größer, mittlerweile liegen Ohrringe und Ketten in Führung. Ich sehe Uhren und Schmuck als Gebrauchsgegenstand, käme also nicht auf die Idee, Uhren zu sammeln. Da bevorzuge ich es, eine Uhr herzuschenken, falls ich einer Kundschaft mal eine abkaufe, und ich weiß, dass jemand eine Freud' damit hat.

Meine Kundschaft setzt sich aus einem bunten Mix zusammen. Früher bestand sie hauptsächlich aus Stammkunden. Das hat sich aufgehört. Die älteren Menschen sterben alle weg, und bei den Jüngeren ist Stammkundschaft kein Thema. Warum? Weil die Jungen keine Geduld haben. Alles soll sofort und gleich verfügbar sein. Finden sie etwas bei mir nicht gleich auf Anhieb, gehen sie ins nächste Geschäft. Die können nicht mehr warten. Manche bestellen einen Artikel, ich ruf sie also an, sobald ich die Ware im Geschäft habe, und dann wollen sie sie nicht mehr. Das ist gang und gäbe.

Schwindlige und Spaßvögel

Am meisten nervt mich jene Kundschaft, die glaubt, mir erklären zu müssen, wie ich meine Arbeit tun soll. Es gibt Leute, die schauen sich im Internet um und meinen, sich dann besser auszukennen. In so einem Fall frage ich meistens, ob sie die Arbeit nicht gleich selber machen wollen.

Erst heute Vormittag war so ein Spaßvogel da, der sein Uhrenbandl verpfuscht hat, weil er der Ansicht war, es selber kürzen zu können. Er kam also zu mir und fragte, ob ich es wieder richten kann. Ich sagte ihm, dass ich das natürlich könne, dass es aber so und so viel kosten würde. Sagt der: 'Wieso? Das ist doch nur eine Kleinigkeit.' Der hat nicht kapiert, dass es sich um Arbeit handelt. Also packte er sein Zeug zusammen und war wieder zu Tür draußen.

Auf die Frage, ob früher alles besser war, möchte ich antworten, dass es einfacher war. Die Menschen hatten mehr Achtung vor meiner Expertise. Mit der Wertschätzung ging es generell ziemlich den Bach runter. Mit der Freundlichkeit ebenso. Keine Ahnung, warum. Ich trauere der Zeit nicht nach. Es ist, wie es ist, und wenn ich an meine Lehrzeit zurückdenke, würde ich wohl alles genauso wieder machen. Früher haben sich die Leute außerdem manchmal hergesetzt und geblödelt, manche haben mir sogar Kekse vorbeigebracht. Es war einfach gemütlicher und entspannter.

Vor Überfällen hatte ich nie Angst. An so etwas denkt man gar nicht. Einmal kam einer rein, ein Schwindliger, und sagte: 'Überfall!' Er hatte keine Waffe, und ich weiß nicht einmal, ob er es ernst meinte. Ich habe ihn dann rausgeschmissen. Sollte ich ernsthaft, ich meine so richtig, mit einer Waffe überfallen werden, würde ich sofort alles rausrücken. Ich bin ja versichert.

Heuer werde ich 62 Jahre alt. Die Pension ist für mich allerdings kein Thema. Solange ich gesund bin und noch Spaß an der Arbeit habe, mache ich weiter. Ich bin mein eigener Chef und kann machen, was ich will." (Michael Hausenblas, 22.1.2023)