Berlin/Peking – Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat in China eine Deeskalation der Lage in der Taiwanstraße gefordert. "Spannungen in der Straße von Taiwan können uns nicht egal sein", sagte sie am Donnerstag in der chinesischen Stadt Tianjin. 70 Prozent der Halbleiterlieferungen gingen durch diese Wasserstraße. "Freie Zufahrt ist in unserem eigenen wirtschaftlichen Interesse."

Eine militärische Eskalation wäre ein "Worst-Case-Szenario" weltweit, aber gerade für eine Industrie- und Exportnation wie Deutschland, mahnte Baerbock. Die Grünen-Politikerin reagierte damit auch auf Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der nach einem China-Besuch angedeutet hatte, dass die EU in einem Konflikt neutral bleiben könnte oder der Konflikt die Europäer nichts angehe. China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und hat eine militärische Eroberung der Insel nicht ausgeschlossen.

Kurz vor einem Peking-Besuch der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat sich Deutschland besorgt über die Spannungen zwischen China und Taiwan gezeigt.
DER STANDARD

Baerbock will Abhängigkeiten von China reduzieren

Baerbock, die am Freitag politische Gespräche in Peking führt, betonte erneut, dass man in einigen Bereichen Abhängigkeiten von China reduzieren müsse. "Wir haben in einigen Bereichen Abhängigkeiten von China, die nicht gesund sind", sagte sie. Man müsse die Lehren aus dem russischen Angriff auf die Ukraine ziehen. Dies bedeute nicht, sich von China abzukoppeln, was angesichts der Bedeutung der aufstrebenden Weltmacht auch gar nicht möglich sei.

Baerbock widersprach dem Eindruck einer gespaltenen EU in der China-Politik. Es gebe eine sehr enge Absprache gerade mit Frankreich. Und auch Macron habe deutlich gemacht, dass seine Politik in völliger Übereinstimmung mit der EU-Haltung liege. Man stimme sich mit Wertepartnern weltweit in der Politik ab.

Menschenrechte und Klimaproblematik

Baerbock kündigte vor ihrem Abflug nach Peking am Mittwochabend an, in China auch über Menschenrechte und Klimaschutz reden zu wollen. China ist der größte CO2-Emittent der Welt, gleichzeitig aber auch Marktführer bei erneuerbaren Energien. Das Land sei für die EU gleichzeitig Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale. "In welche Richtung die Nadel künftig ausschlagen wird, liegt auch daran, welchen Weg China wählt", betonte sie.

Sie wolle sich bei ihrem Besuch ein Bild davon machen, welchen Kurs die teils neue Führung in den Rängen unterhalb von Präsident Xi Jinping in Peking einschlage – "auch mit Blick auf das Spannungsfeld zwischen politischer Kontrolle und wirtschaftlicher Offenheit".

China habe als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat eine besondere Verantwortung. "Welche Rolle China mit seinem Einfluss auf Russland übernimmt, wird für ganz Europa und unsere Beziehung zu China Folgen haben", erklärte sie mit Hinweis auf den russischen Angriff auf die Ukraine.

Wie der chinesische Außenamtssprecher Wang Wenbin am Mittwoch in Peking mitteilte, wird Baerbock während ihres Besuches unter anderem mit ihrem neuen chinesischen Amtskollegen Qin Gang die sechste Runde des strategischen Dialogs zwischen beiden Ländern abhalten. Es solle außer über die bilateralen Beziehungen und das Verhältnis mit der Europäischen Union auch um internationale und regionale Krisenherde gehen. Im Mittelpunkt der Gespräche dürfte nach Ansicht Pekings der Krieg in der Ukraine stehen.

Weiter nach Südkorea und Japan

Nach China besucht Baerbock noch Südkorea und dann Japan. Dort findet dann auch ein G7-Außenministertreffen statt. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte unterdessen seine eigene China-Reise wegen einer Covid-Erkrankung ab. Dies habe keine Auswirkung auf die Reise von Baerbock, betonte das Auswärtige Amt in Berlin.

Vergangene Woche hatten Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem Besuch in Peking schon versucht, auf Staats- und Parteichef Xi Jinping einzuwirken, seinen Einfluss auf Russland zu nutzen, um zu einer Beendigung des Krieges zu kommen. (red, 13.4.2023)