Es war nicht nur für Konsumenten, sondern auch für Unternehmen das prägende Thema im vergangenen Jahr: die exorbitant gestiegenen Kosten für die Energie. So manche sahen sich mit Rechnungen konfrontiert, die sie an den Rand der Existenz brachten. Der Gaspreis ist in die Höhe geschossen, die Stromkosten haben sich vervielfacht. Der niederösterreichische Papierindustrielle und Chef der Industriellenvereinigung NÖ, Thomas Salzer, erinnert sich noch genau. Vor rund einem Jahr hat er darüber nachgedacht, ob er seine Papierfabrik in St. Pölten schließen muss – kürzer oder länger.

Zur Erinnerung: 2020 lag der Gaspreis im Schnitt bei 14 Euro die Megawattstunde, Ende 2021 lag er bei rund 148 Euro, im langjährigen Mittel bei rund 25 Euro. Mittlerweile hat sich die Lage entspannt. Damals haben auch die Kosten für Roh- und Werkstoffe rapid angezogen. Viele Betriebe kämpften damit, überhaupt an die dringend benötigten Güter auf dem Weltmarkt zu kommen. Ein richtiger Boost kam von den Energiepreisen. Schon vor dem Ukrainekrieg. Die Drohung Russlands, den Gashahn zuzudrehen, befeuerte den Preisanstieg noch einmal kräftig. Auch wenn der Preis nur eine Richtschnur ist, weil Unternehmen mit ihren Versorgern langfristige Verträge abschließen: Die Kosten für Energie haben sich meist vervielfacht.

In schwindelerregende Höhen sind die Energiepreise gestiegen – um das abzufedern, wurden staatliche Gelder bereitgestellt.

In der Papierfabrik Norske Skog in Bruck an der Mur wurde kurzfristig die Produktion ausgesetzt – Thomas Salzer musste nicht zusperren. Er konnte die höheren Kosten weitergeben, wie andere auch. Der Markt sei aber geschrumpft.

Nicht nur der Gaspreisschock hat vieles durcheinandergewirbelt. Auch die Frage, ob überhaupt ausreichend Energie zur Verfügung steht, hat die Unternehmen umgetrieben, energieintensive wie Salzers Papierfabrik, aber auch andere. Viele haben ihre Schlüsse aus der Situation gezogen. Geht es nach einer Umfrage der Bundessparte Industrie der Wirtschaftskammer (WKO), haben 84 Prozent der österreichischen Unternehmen im letzten Jahr ihren Energieverbrauch gedrosselt.

Verbrauch gedrosselt

Demnach reduzierten 2022 gut zwei Drittel ihren Verbrauch um fünf bis zehn Prozent. Zudem äußerten sie die Bereitschaft, Erdgas gegen andere Energieträger zu ersetzen. "Wie die Verrückten versuchen wir auf alternative Energie umzustellen", sagt Robert Schmid, Eigentümer der Baumit-Gruppe und Umweltsprecher der Bundessparte Industrie in der WKO, nur so rasch gehe das alles nicht.

Ein Teil der Energieeinsparungen sei dadurch zustande gekommen, dass Unternehmen ihre Investitionen anderswo tätigen, sagt Schmid. Keine guten Aussichten, wie er findet, "wenn etwas einmal woanders produziert wird, kommt es nicht mehr zurück".

Vor allem die Preissprünge bei Gas waren enorm. Vom Gas wegzukommen, daran hatten viele ein Interesse.
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Etwa die Hälfte der 105 befragten Unternehmen hat jedenfalls Erdgas zumindest teilweise durch andere Energieträger ersetzt – nicht immer durch umweltfreundlichere, denn an erster Stelle stehen demnach Heizöl (24 Prozent), gefolgt von Strom (19 Prozent). "Der Traum von grünem Gas, der Traum, wir erledigen alles mit Photovoltaik, wird ein Traum bleiben", sagt Schmid. Es sei richtig und wichtig, das zu tun, es brauche aber einen Plan mit Schritten, die zu bewältigen seien.

Schmid redet da nicht von Energiekostenzuschüssen. Bis zu 150 Millionen an Energiehilfen für ein Unternehmen im energieintensiven Bereich macht die Regierung locker. Beim Energiekostenzuschuss I wurden für den Zeitraum Februar bis September 2022 laut Wirtschaftsministerium insgesamt 11.235 Anträge mit einem Zuschussvolumen von 403 Millionen gestellt, 188 Millionen Euro wurden demnach bereits ausbezahlt (siehe Wissen).

Zu langsam, zu spät

Der Papierindustrielle Thomas Salzer moniert, die Hilfen kämen "viel zu langsam und viel zu spät". Besteht nun die Gefahr, wie zahlreiche Kritiker meinen, auch bei den Energiehilfen wieder zu überfördern? Salzer schlägt sich auf die Seite jener, die sagen, die Hilfen seien nicht nur dafür da, um Unternehmen aus einer Notlage zu helfen, sondern auch um massive Ungleichheit im europäischen Markt zu verhindern: "Beides ist nötig."

Aber ist es wirklich notwendig, dass auch Unternehmen darauf einen Anspruch haben, die gute Gewinne machen? Die wenigsten Unternehmen in komfortabler Gewinnsituation hätten dies genützt, ist Salzer überzeugt "weil ja eine Verknüpfung mit den Boni der Manager damit verbunden ist". Baumit-Chef Robert Schmid betont, die Industrie wolle ohnehin nicht von Förderungen abhängig sein. Schmid zählt CO2-Preis, Steuern und Abgaben auf und wünscht sich hier Erleichterungen.

Groß gegen Klein

Von solchen kann Anja Haider-Wallner derzeit nur träumen. Haider-Wallner ist Mitbegründerin eines kleinen Cafés in Burgenlands Landeshauptstadt Eisenstadt. Betrieben wird es als gemeinnütziges Beschäftigungsprojekt unterstützt vom AMS. Viermal so hoch wie vor der Krise sei jetzt die monatliche Energierechnung, seufzt Haider-Wallner. 500 Euro waren es da. Vegan, vegetarisch, regional, bio – alles, was in ihrem Freu-Café mit buntem und charmantem Interieur serviert werde, stoße bei den Gästen auf wohlwollendes Interesse. Hübsch hergerichtet ist das freundliche Gassenlokal mit großen Fenstern – und einer Gasheizung. Die wurde anlässlich der Renovierung im Jahr 2019 neu gemacht. Heute ist klar: Es war die falsche Entscheidung.

Die Regierung hat nach den Corona-Hilfen weiteres Geld zur Abfederung von Energiepreisen und Teuerung bereitgestellt.
Foto: IMAGO/Kosecki

Die Energiepreise hätten die gesamte Kalkulation auf den Kopf gestellt. "Die Preise haben wir kaum erhöht, die Leute kommen dann einfach weniger", ist sie sich sicher. Wie es weitergeht? Haider-Wallner will um Energiehilfen ansuchen, auch wenn nur ein kleiner Teil der Mehrkosten abgegolten wird.

Einer der Punkte, der auch beim Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband in Wien auf Kritik stößt. Die Hilfen hätten einen Konstruktionsfehler, sagt Martin Jandrisovits. Sie seien für die Großen konzipiert, die Kleineren würden durch die Finger schauen. Da gebe es Gasthäuser mit Mehrkosten von 50.000 Euro, die mit 3.000 Euro abgespeist würden. "Viele Betriebe sind auf den Mehrkosten sitzengeblieben, dem Rückgrat der Wirtschaft hat das alles nichts geholfen."

Trübe Aussichten

Der niederösterreichische IV-Chef Salzer findet, man müsse ohnehin darüber nachdenken, ob man "jedem ganz kleinen Unternehmen, das nicht energieintensiv ist und das schon auch seine Preise erhöhen kann", fördern soll. Die Energiekostenpauschale für Kleinunternehmen harrt noch der Umsetzung. Aus dem Wirtschaftsministerium heißt es, ein Richtlinien-Entwurf harre der Rückmeldung aus dem Klimaschutzministerium. Haider-Wallner erhofft sich davon nicht allzu viel. Mittlerweile liegen in ihrem Café auf dem Gasherd Arbeitsplatten – und darauf Induktionsplatten. Ob es das Café im Sommer noch geben wird, weiß sie nicht. (Regina Bruckner, 13.4.2023)