Stress und kein Ende – schlägt das Pendel zurück zum Arbeitsethos der "harten Arbeit"?

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Entspannung und viel Freizeit, kein Termin- und Verantwortungsdruck, Gelassenheit und Muße – diese Statussymbole der vergangenen Jahre könnten demnächst wieder den Leistungsmedaillen der "harten Arbeit" weichen.

Denn nun beginnt sich das Loblied auf das Arbeitsethos wieder zu verbreiten. Zuletzt berichtete etwa das Wall Street Journal, dass in den USA nun verstärkt ein Trend zum Anheuern Älterer eingesetzt habe, weil ihnen "harte Arbeit" ein Wert sei. "Wenn Dienstbeginn 9.00 Uhr ist, dann sind sie um 8.50 Uhr da", wird da etwa ein Unternehmer zitiert. Weder diskutieren sie beim Recruitinggespräch über Work-Life-Balance, noch schauen sie sich dauernd nach etwas Neuem um, wird da die Generation 50 plus gepriesen, die kürzlich noch eher in den Gräben des Ageismus mit den Stereotypen der mangelnden Technikaffinität, der geringen Beweglichkeit oder der flachen Lernkurve verschüttet war.

Arbeitsethos als Vorgabe

Umfragen werden als Beweis zitiert, wonach Jüngeren die "harte Arbeit" nicht so wichtig sei. Der Erfolg des eigenen Unternehmensteils des Personalvermittlers Manpower wird vorgeführt, der sich mit "mature workers" befasst und von einer 69-Jährigen geleitet wird.

Natürlich liegt der Verdacht nahe, dass es sich hierbei nicht um herzensgute Ambitionen von Altersdiversität in den Belegschaften handelt, sondern zu einem guten Teil wohl um beinharte Notwendigkeiten für Menschen ohne uns bekannte Pensionsabsicherungen in einem anhaltend inflationären Umfeld.

Wie zweckdienlich es ist, das angebliche Arbeitsethos einer ganzen Generation gegen das einer anderen ganzen Generation auszuspielen, darf auch hinterfragt werden. Jung ist gleich relaxed und Alt ist gleich fleißig, das kann nicht sein. Und letztlich muss Unternehmen sogar unterstellt werden, dass sie angesichts der bevorstehenden eher flachen Wachstumskurven jetzt die Schrauben enger ziehen wollen und die Botschaft ausschicken, dass nun auch ein bissl Schluss ist mit der individualisierten Spaßgesellschaft im Job. Klar, Beständigkeit, Berechenbarkeit und Bedürftigkeit nach einem dauerhaften Job sind ja auch viel leichter zu managen als Personen, die ständig offen sind für etwas Neues, die ständig sich selbst und ihre Arbeitsbedingungen verbessern wollen und Chefs ständig mit ihren Wünschen befassen.

Hard Work als Gegentrend?

Schnell abtun sollte man es allerdings nicht, wenn internationale Leitmedien nun wieder lange Zeit eigentlich verpönte Begriffe wie Arbeitsethos und harte Arbeit ins Spiel bringen. Da könnte die eine oder andere Firma in Not schnell aufspringen, dann die nächste.

Vielleicht waren die Geschichten über "quiet firing", also das An-den-Rand-Stellen jener, die sich nicht richtig engagieren, als Reaktion auf "quiet quitting" schon ein kleines Indiz. Zumindest könnte jetzt eine neue Runde im Match der alten gegen die neue Arbeitswelt begonnen haben. (Karin Bauer, 16.4.2023)