Barbara Langwallner steht in der hellen, vom Gang des uralten Hauses aus einsehbaren Küche und schupft einen Heidelbeerschmarren aus der Pfanne. Bruder Leonhard huscht im selben Moment aus der ebenso vom Flur einsehbaren Fleischerei ins Kühlhaus: "I brauch an Kalbsrucken!"

In der Gaststube leeren sich die Tische an diesem Nachmittag schön langsam. In der Metzgerei steht die Kundschaft noch dicht an dicht. Natürlich dampft ein Ziegel vom berühmt flaumigen Leberkäse samt dunkelbrauner Kruste in der Warmhalte, natürlich gibt es tagesfrische Bratwürste. Der Leberkäse vom Langwallner hat den Ruf, der beste des Landes zu sein (er ist tatsächlich einen Umweg wert), und die ungebrühten Bratwürste sind in einer ordentlich westösterreichischen Fleischhauerei sowieso Pflicht.

Wirt z'Zell am Irrsee: bodenständig seit 1616, mit angeschlossener Fleischerei, jetzt mit junger Topköchin als Chefin.
Foto: M. Corti

Den Wirt z'Zell in Zell am Moos am Irrsee, wenige Minuten von der Autobahnausfahrt Mondsee, gibt es seit 1616. Seit immerhin sieben Generationen ist er in den Händen von Familie Langwallner. Die Langwallners haben auch die Metzgerei mit ins Haus gebracht. Barbara Langwallner ist 31 Jahre alt, sie hat das Haus mitten im Lockdown übernommen, "da hamma das Kalbsgulasch halt im Glasl verkauft", sagt sie. Hat sich bewährt, das gibt es auch jetzt noch zu holen. Kalbsgulasch kann die junge Frau, und ganz andere Sachen auch noch. Vier Jahre war sie Souschefin bei Christian Jürgens, dem bayrischen Dreisterner in der Überfahrt am Tegernsee, vier Jahre in derselben Position auch bei Alfons Schuhbeck in der Stubn, ein paar Jahre Italien sind sich auch ausgegangen. Die Patisserie hat ihr ganz besonders Spaß gemacht, es lohnt also, sich für Hinterher ein bisserl einen Platz zu lassen.

Sonntagsbraten

Sonntagmittag gibt es großen Braten, das kann eine gefüllte Kalbsbrust sein, ein knuspriger Schweinsbauch, ein dunkel geschmorter Rindsbraten. Man muss zeitig erscheinen: Nur besonders gute Stammgäste dürfen die eine oder andere Portion reservieren: "Viel später als halb eins, und man braucht Glück", sagt die Köchin.

Die Wirtshauskarte listet Wiener vom Kalb oder vom Duroc-Schwein auf, Letzteres ist, wie immer bei echten Butterschmalzschnitzeln, die bessere Wahl. Petersilkartoffeln und Preiselbeeren dazu, der Westen ist eben anders. Das Schnitzel hingegen: richtig resch, auf der dicken Seite von dünn geschnitten, saftig – kann man sich auch in schönen Träumen kaum besser vorstellen. Vorneweg sollte man eine Kostportion vom Leberkäse erbeten, auch weil man dann hinterher mit Sicherheit noch beim Bruder, dem Metzger, vorbeischauen will. Pur wird er serviert, ohne jeden Senf oder Kren, dafür mit prachtvoll würziger Kruste und mit frischem Bauernbrot: So nackert lässt man sich nur echt erstklassigen Leberkäse schmecken.

Die Schlutzkrapfen: ein Teller voller Frühling.
Foto: M. Corti

Tellerweise Frühling

Schlutzkrapfen (siehe Bild) sind ein großer Teller voll Frühling, hauchfeine, bissfeste Ravioli mit Kräuter-Käse-Fülle mit ordentlich zerlassener Butter und einem ganzen Berg voll knackigem Jungspinat, mit Hartkäse zugehobelt – ja, danke! So handfest geht es dahin, ob fleischig-knusprige Blunzen aus der Fleischerei mit cremigem Sauerkraut und ganz herausragenden Braterdäpfeln, ob im Ganzen gebratene Wildfangforelle vom Mondsee oder Spargel aus dem nahen Bayern mit unverschämt luftig aufgeschlagener Hollandaise: unverstellt hergekochte Wirtshausherrlichkeit.

Das heißt aber nicht, dass Barbara Langwallner nicht auch anders kann. Abends serviert sie ein Menü, nix Unvernünftiges, bloß drei oder vier Gänge, wo sie ein bisserl im Repertoire der Sterneküche kramen darf. Die Weinkarte ist derweil noch nicht ganz auf der Höhe der Küche. Halb so wild – man muss ja eh noch weiterfahren. (RONDO, Severin Corti, 21.4.2023)