Gut ein Jahr ist es her, dass mit "Horizon: Forbidden West" der zweite Teil von Sonys Blockbuster-Franchise erschienen ist, in dem eine Frau in einer postapokalyptischen Welt mit Pfeil und Bogen gegen Roboterdinosaurier kämpft. Damals haben wir uns schon gefragt, wie man die durchgeknallte Story von "Horizon: Zero Dawn" noch toppen kann, was dem in den Niederlanden ansässigen Developer namens Guerilla Games aber sogar gelungen ist.

Mit der am 19. April für Playstation 5 veröffentlichten ersten Erweiterung "The Burning Shores" stellt sich diese Frage erneut. Und DER STANDARD hat in einem ersten, rund vierstündigen Test hineingeschnuppert, um sich ein Bild von Story und Gameplay des Horizon-DLCs zu machen.

Guerrilla

Die Schlacht von Los Angeles

"Horizon Forbidden West: Burning Shores" verschlägt die Protagonistin Aloy auf einen gänzlich neuen Kartenabschnitt, losgelöst von jenem der Hauptgeschichte. Dieser stellt das postapokalyptische Los Angeles dar, dessen Stadtbild zerstört ist und von gewaltigen Roboterwesen bevölkert wird. Weiße Strände und blaues Wasser – ähnlich wie im San Francisco des Hauptspiels – treffen hier auf Flüsse glühender Lava.

So manche Location der Stadt – wie Griffith Park und das Gebäude von Capitol Records – sind im Spiel in ihrer zerstörten Form wieder erkennbar. Und natürlich spaziert Aloy nach knapp vier Stunden Spielzeit auch an dem ikonischen "Hollywood"-Schriftzug vorbei, der ebenfalls äußerst mitgenommen aussieht.

Aloy mit ihrem neuen Sidekick vor dem Hollywood-Schriftzug.
Foto: Guerilla Games

Inhaltlich macht "Burning Shores" dort weiter, wo "Forbidden West" weiter gemacht hat – und ich bemühe mich nun, diese Beschreibung so spoilerfrei wie möglich zu halten: Es stellt sich heraus, dass einer der neuen Bösewichte noch lebt und sich nach Los Angeles zurückgezogen hat. Aloy soll ihn finden und erhofft sich davon, eine mögliche Hilfestellung für jene Problematik zu finden, die sich ihr am Ende von "Forbidden West" offenbart.

Vieles wie gehabt

Dabei lernt Aloy eine neue Weggefährtin kennen, die sie auf dem Großteil ihres Abenteuers begleitet. Und in diesem Abenteuer ist Vieles wie gehabt: Erneut bewegt sich die Protagonistin durch eine offene, zerstörte Welt, dabei kämpft sie gegen gewaltige Maschinenmonster, löst Rätsel und klettert wieder viel.

Gerade die Kletterpartien sind teils schon ein wenig ermüdend, zu viele solcher Aufgaben hat es in den vergangenen Jahren in diversen Spielen gegeben, und gerade den "Horizon-Spielen hat es daran nicht unbedingt gemangelt. Und die Rätsel sind nicht unbedingt etwas, das man als Herausforderung bezeichnen würde: An einer Stelle wird ein Zugangscode für eine Tür benötigt, den ich einfach durch Ausprobieren erraten habe.

Neue Maschinen

Die Kämpfe gegen die surrealen Roboterwesen sind hingegen unterhaltsam wie eh und je. Wieder haben die verschiedenen Maschinen unterschiedliche Schwächen, die es zu erkennen und mit den verschiedenen postapokalyptischen Waffen auszunützen gilt: die einen sind etwa empfindlich gegenüber brennenden Pfeilen, andere wiederum gegenüber mit der Schleuder lancierten Säurebomben. Das permanente Wechseln und Nachladen, gepaart mit Schleichen, Springen und Ausweichen, sorgt für Abwechslung und wird nicht langweilig.

Außerdem gibt es eine neue Auswahl an Roboterwesen. Und nachdem man die Kreidezeit inzwischen wohl abgegrast hat, bedient man sich längt bei anderen Teilen des Tierreichs: Gab es in "Forbidden West" schon Roboterbüffel, so muss Aloy diesmal gegen Horden an fliegenden Roboter-Käfern antreten, die aus Metalleiern schlüpfen. Zu den größeren Gegnern gehört wiederum eine überdimensionale Kröte, die Säure spuckt. Treten diese beiden Gegnertypen gemeinsam auf, so kann es schon recht hitzig werden.

Neue und alte Werkzeuge

Im Gegenzug kann Aloy aber auch wieder auf das Arsenal an Werkzeugen aus "Burning Shores" zugreifen, etwa auf ihren Paragliding-Schirm und auf einen Wurfhaken an einem Seil, mit dem sie Wände aufreißen und sich durch die Lüfte schwingen kann.

Das Fliegen auf dem Roboter-Pteranodon gehört zu den schönsten Teilen des Spiels.
Foto: Guerilla Games

Und auch ihr treuer Roboter-Pteranodon steht ihr wieder zur Verfügung. Mit diesem über das Meer zu gleiten gehört wohl zu den schönsten Momenten des Spiels. Hinzu kommen aber auch Boote, mit denen sie über das Wasser fahren kann.

Und auch Tauchen ist freilich wieder möglich. Für Menschen mit Thalassophobie wurde hier sogar ein eigener Modus geschaffen und in ein aktuelles Update integriert. Das gleiche Update bietet zudem die Möglichkeit, Rohstoffe beim Vorbeigehen automatisch einzusammeln. Auch recht praktisch.

Kritiker bestätigt

Bestätigt fühlen können sich aber auch die Kritiker des Franchises, die es in unserer Redaktion durchaus gibt. Diese bemängelten unter anderem, dass Aloy sehr viel mit sich selbst redet und durch ihre Arroganz nicht unbedingt wie eine Identifikationsfigur wirkt. Die gute Nachricht: Durch ihren neuen Sidekick redet Aloy weniger mit sich selbst und mehr mit dem NPC. Die schlechte: Diese Person ist mindestens genauso arrogant. So verbringen die beiden Figuren sehr viel Zeit damit, sich gegenseitig von ihrem coolen Underdog-Dasein zu erzählen. Das kann selbst auf Fans etwas ermüdend wirken.

Wer Aloy schon arrogant und unsympathisch fand, der wird auch mit ihrem Sidekick nicht warm werden.
Foto: Guerilla Games

Ein anderer Kritikpunkt ist ein technischer. So wehen in "Burning Shores" öfters mal Umhänge und Haare – gerade im Fahrtwind einer Bootsfahrt wirken diese Animationen aber etwas unnatürlich. Und zwar sind die Landschaften nach wie vor beeindruckend gestaltet, in einem Jahr kann sich aber viel tun: "Atomic Heart" zum Beispiel sieht an vielen Stellen besser aus. Wolken und Wasserflächen sind etwa äußerst realistisch geraten, Wasserfälle hingegen wirken etwas hölzern. Das macht das Spiel per se nicht schlecht, und es gibt deutlich hässlichere Titel auf dem Markt – aber der Pokal für die hübscheste Welt ist inzwischen weitergewandert.

Fazit: Die Geschichte geht weiter

Es ist mittlerweile schwer, Newcomern den Reiz des "Horizon"-Franchises zu erklären. Denn was mit einem absurden Setting begann, das hat sich inzwischen zu einer fiktiven Welt gemausert, die in ihrer Einzigartigkeit ihresgleichen sucht und deren Story immer tiefgehender und verworrener wird. Diese Geschichte erzählt "Burning Shores" zumindest ein wenig weiter – und für Fans ist ein Kauf wohl eine gute Wahl, um sich die Wartezeit auf den dritten Teil zu verkürzen.

Ist das den Preis von knapp 20 Euro – also in etwa das, was ein Stand-alone-Indiegame kostet – wert? Nur, wenn man es nicht mehr abwarten und unbedingt nach frischem Roboter-Content lechzt. Generell ist das DLC aber nicht so bahnbrechend, dass ein sofortiger Kauf unbedingt nötig ist. "Burning Shores" kann – auch angesichts einiger genannter Mängel – guten Gewissens als ein DLC genannt werden, bei dem es sich auszahlt, auf eine Rabattaktion zu warten. (Stefan Mey, 21.4.2023)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Ein Code für das Spiel wurde dem STANDARD zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.