Rumänien ist das Land mit dem europaweit größten Bestand an Braunbären. Im Bild ein Exemplar in den Karpaten.
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Die rumänische Regierung hat vorgeschlagen, jährlich dreimal so viele Bären zu töten wie im vergangenen Jahr. Die Empfehlung, jährlich bis zu 426 Exemplare zum Abschuss freizugeben, soll eine Überbevölkerung der geschützten Tierart verhindern. Hintergrund der politischen Entscheidung sind jene 154 Bärenangriffe, bei denen zwischen 2016 und 2021 in Rumänien 14 Menschen starben und weitere 158 verletzt wurden. "Es ist unsere Pflicht, das menschliche Leben zu schützen", sagte Umweltminister Barna Tanczos zu dem Vorstoß. In der Vergangenheit seien "zu viele Menschen gestorben".

Nach dem Vorschlag der Regierung dürften neben Fachpersonal auch Jäger die Tiere erlegen. Umweltschützerinnen und -schützer kritisieren dieses Ansinnen als Freifahrtschein für die Trophäenjagd. An sich wurde diese 2016 verboten, die Tötung hunderter sogenannter Störbären blieb per Ausnahmegenehmigung erlaubt. Schätzungen des rumänischen Umweltministeriums zufolge streifen derzeit zwischen 7.500 und 8.000 Bären durch das osteuropäische Land, das damit auch die größte Bärenpopulation in Europa aufweist.

Meister Petz ist scheu

Die genaue Zahl der Großwildtiere in den Karpaten ist Expertinnen und Experten zufolge allerdings unklar. Rumänien wende eine veraltete Zählmethode an, die Ergebnisse einer ersten moderneren DNA-gestützten Zählung aus dem Jahr 2021 stehe noch aus. Dessen ungeachtet findet sich die höchste Bestandsdichte von Braunbären in dieser Gebirgslandschaft.

Im Jahr 2021 veröffentlichte die Stiftung Euronatur eine Verbreitungskarte der Braunbären in Europa. Inzwischen sind die Bestände leicht gewachsen – in den Alpen streifen etwa gut 100 Bären umher. Hinzu kommen die Jungtiere dieses Jahres, die noch nicht eingerechnet sind.
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Bären sind von Natur aus sehr scheue Tiere – auch Braunbären (Ursus arctos) bilden hier keine Ausnahme. Sobald sie Menschen wittern, ziehen sie sich im Normalfall zurück. Ein geeigneter Lebensraum muss daher Rückzugsräume bieten. Um keine Konflikte mit Menschen heraufzubeschwören, braucht es in Bärenrevieren auch ein reichhaltiges Nahrungsangebot. Je nach Verbreitungsgebiet decken Braunbären ihren Futterbedarf bis zu drei Viertel mit pflanzlicher Nahrung. Hoch im Kurs stehen Beeren und anderes Obst, Nüsse und in kargen Zeiten auch Wurzeln.

Ist das Nahrungsangebot im natürlichen Lebensraum der Wildtiere allerdings unzureichend, können sich äußerst unangenehme Situationen entwickeln. Dann kann es geschehen, dass Bären in Siedlungsräumen nach Futter suchen und etwa Mistkübel durchwühlen. Wahrscheinlich sind derartige Vorkommnisse in Gebieten, in denen die Tiere in näherer Umgebung zu menschlichen Niederlassungen leben.

Problematisches Anfüttern

Verschärft wird die Situation, wenn Bären von Menschen absichtlich gefüttert werden. Die Tiere lernen dadurch nicht nur, dass es in menschlicher Nähe leicht zu ergatterndes Futter gibt, sondern büßen auch ihre natürliche Scheue ein. Medienberichten zufolge geschah dies auch in Italien. Im Trentino seien Bären von Hoteliers gefüttert worden, um sie als Attraktionen für Touristinnen und Touristen anzulocken. Das Forstministerium in Rom habe vor dieser Vorgehensweise gewarnt.

Um die Lage in den Griff zu bekommen, sollen nun Braunbären umgesiedelt werden. In der Region gebe es auf zu kleinem Raum zu viele der Großwildtiere, sagte der italienische Umweltminister Gilberto Pichetto Fratin. Die Entscheidung zur lokalen Ansiedelung der Tiere sei auch auf Basis touristischer Interessen gefällt worden, sagt Fratin. Doch: "Die Bären haben sich überproportional vermehrt, und jetzt muss die Situation wieder in Ordnung gebracht werden." Derzeit leben in dem rund 3.000 Quadratkilometer großen Gebiet rund 100 Bären.

Ein Braunbär in Finnland, nahe der russischen Grenze.
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Heftig Debatten

Welche Territorien für die Umsiedlung infrage kommen, bleibt noch zu klären. Denkbar wäre eine Verbringung in Zoos und Wildtierparks im In- oder Ausland. In den vergangenen acht Jahren kam es im Trentino zu acht Bären-Angriffen auf Menschen. Auch tobt inzwischen ein Streit um das europäische Wiederansiedlungsprojekt Life Ursus, das die Braunbären in den Alpenraum zurückbringen sollte. Die Bärin Gaia alias JJ4, die am 5. April im Trentino einen 26-jährigen Jogger angefallen und getötet hatte, wurde inzwischen jedenfalls im Wildtiergehege von Casteller bei Trient untergebracht.

Vorfälle und teils auch schwere Zwischenfälle im Kontakt zwischen Menschen und Bären seien im Trentino nicht auszuschließen, sagt Felix Knauer von der Veterinärmedizinischen Universität Wien. "Wenn man auffällig werdende Tiere agieren lässt und nicht entnimmt, ist die Chance groß, dass es auch weiterhin zu solchen Vorfällen kommt", erklärt der Experte. Um den Schritt der Entnahme komme man bei diesen Großwildtieren allerdings nicht herum. "Anders als bei Wildtieren wie etwa dem Luchs muss man bei Bären sehr vorsichtig sein und nötigenfalls eingreifen."

In Oberitalien – wo nun die Entnahme von mindestens drei Bären geplant ist – gestalte sich die Lage jedoch komplex. Dort gebe es politisch mächtige Naturschützer, andererseits mache die Regionalregierung Stimmung gegen Wölfe und Bären. "Diese Situation ist wesentlich schwieriger, als sie sich in Österreich gestaltet", sagt Knauer.

In Österreich existiert ein eigener Managementplan, der den Umgang mit Braunbären regelt. In dem Dokument, das von Forschenden, Umweltschutzorganisationen und politischen Stellen ausgearbeitet wurde, hat der Schutz der Bevölkerung Vorrang. Die Grundsätze dieses Plans bilden die Richtschnur für alle Maßnahmen im Bärenmanagement. An oberster Stelle steht die Sicherheit der Menschen, die jederzeit Priorität vor dem Schutz der Bären hat.

Schwer bewaffnete Kraftpakete

Einst lebten Braunbären in Europa überall dort, wo es Wald gab – also nahezu auf dem gesamten Kontinent. Durch die Rodung der Wälder wurden die Tiere aber immer weiter zurückgedrängt, auch die Bejagung durch den Menschen reduzierte ihre Populationen. Das hat auch dazu geführt, dass uns Bären beinahe exotisch erscheinen und wir ungeübt im Umgang mit ihnen sind.

Betrachtet man die früheren Angriffe von Bären auf Menschen im Trentino, zieht sich eine Auffälligkeit durch, wie Knauer berichtet. "Die angegriffenen Menschen haben sich gegen die Bären gewehrt, aber in solch einem Kampf bin ich chancenlos." Außerdem sein die Bären bei den bisherigen Zwischenfällen überrascht und teilweise auch von mitgeführten Hunden attackiert worden. In solchen Situationen nehmen Bären den Menschen als Gefahr wahr – und greifen an.

"Ein Bär ist ein schwer bewaffnetes Kraftpaket", sagt Knauer. Die einzige Chance, die man bei einem Angriff habe, ist, sich totzustellen. "Dadurch stellt man für den Bären keine Gefahr mehr dar", erläutert er. Vielleicht bekomme man noch einen Schlag mit der Pranke ab, aber man kommt mit dem Leben davon.

Richtiges Verhalten bei Bärenkontakt

Eine Nation, die hier über sehr viel Erfahrung verfügt, sind die USA. In dortigen Nationalparks gibt es klar kommunizierte Leitfäden zum richtigen Verhalten, wenn man einem der Tiere in freier Wildbahn begegnet. Auch kann man in Geschäften eigene Bären-Pfeffersprays erstehen, welches aggressive Exemplare im Notfall vertreiben soll.

Die wenigsten Konflikte zwischen Bär und Mensch ergeben sich dort, wo die Tiere in großem Abstand zu Siedlungen leben und auch in ihrem natürlichen Habitat ausreichend Nahrung finden.
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Um es nicht so weit kommen zu lassen, empfehlen Nationalparkverwaltungen Strategien, um Attacken vorzubeugen. Die eigene Sicherheit hänge stark von der Fähigkeit ab, einen Bären zu beruhigen, wenn es zu solch einer Begegnung kommen sollte. Angesichts eines derart respekteinflößenden Wildtiers ist das natürlich eine herausfordernde Nervenprobe. Die wichtigsten Tipps drehen sich darum, brenzligen Situation vorzubeugen oder Begegnungen nicht eskalieren zu lassen.

Zusammentreffen vermeiden

  • In Gebieten mit bekannter Bärenaktivität aufmerksam auf die Umgebung achten
  • Auffällig bleiben und durch Sprechen auf sich aufmerksam machen, da Bären Menschen meiden, wenn sie diese kommen hören

Begegnungen entschärfen

  • Ruhig sprechen, damit Bären wissen, dass sie einen Menschen und kein Beutetier vor sich haben
  • Keine Panikreaktion, wenn sich der Bär auf die Hinterbeine stellt – dadurch verschaffen sich die Tiere einen besseren Blick und können besser riechen, mit wem sie es zu tun haben
  • Langsam und seitwärts oder rückwärts wegbewegen: So lässt sich der Bär im Auge behalten, die Stolpergefahr sinkt, auch wirkt die Seitwärtsbewegungen auf Bären nicht bedrohlich. Es geht immer darum, dem Bären wissen zu lassen, dass man keine Gefahr ist und ihn nicht angreifen wird
  • Nicht weglaufen! Bären können sowohl bergauf wie bergab so schnell wie ein Rennpferd laufen, zudem jagen sie fliehende Tiere
  • Ruhig warten, bis sich der Bär entfernt und ihm immer einen Fluchtweg lassen
  • Besondere Vorsicht ist bei Bärinnen mit Jungtieren geboten – diesen sollte man sich niemals nähren und auch nicht zwischen das Weibchen und ihren Nachwuchs kommen

Braunbärenangriff

  • Wenn vorhanden, Rucksack anlassen, da er den Rücken schützen kann
  • Flach auf den Boden legen, Hände im Nacken verschränken und sich tot stellen
  • Ruhig bleiben, bis der Bär das Gebiet verlässt

(Marlene Erhart, 21.4.2023)