Samwel Mailu und Magdalyne Masai feierten überlegene Siege.

Foto: Reuters/Leutner

"Ich bin durchs Ziel geflogen!" Also sprach Julia Mayer, nachdem sie wieder zu Atem gekommen war. Mit einem sensationellen Endspurt hatte die 30-Jährige den österreichischen Rekord um eine einzige Sekunde auf 2:30:42 Stunden verbessert. Zuvor hatten sich Andrea Mayr und Eva Wutti die Bestmarke geteilt, es wäre insgesamt nicht unlustig und ein weltweites Unikum gewesen, hätte sich Mayer dazugesellt. Sie selbst findet es lustiger, wie es nun gekommen ist, ihr Dank galt dem Publikum. "Es war so laut, die Strecke hat gebebt!"

Mayers Rekord war das heimische Highlight beim 40. Vienna City Marathon mit knapp 40.000 Teilnehmern in den diversen Bewerben und einer durch die Polizei verhinderten Aktion durch Klimaaktivisten kurz vor dem Start. Für den internationalen Höhepunkt sorgte 25 Minuten vor Mayer der ebenfalls 30-jährige Kenianer Samwel Mailu. Sein Flug hatte schon im Prater begonnen, da hängte er einen Gegner nach dem anderen ab. Und solo drehte er dann erst so richtig auf.

Am Ende verbesserte Mailu den Streckenrekord des Äthiopiers Getu Feleke aus dem Jahr 2014 um 33 Sekunden auf 2:05:08 Stunden. Das war 40.000 Euro wert, 15.000 für den Erfolg, 25.000 für die Bestmarke. Mit der Siegprämie begnügte sich nach 2:24:12 Stunden Mailus Landsfrau Magdalyne Masai (29), auf den Streckenrekord von Vibian Chepkirui aus dem Vorjahr fehlten ihr gut drei Minuten.

Galoppierender Unfug

Mailu hat sich für höhere Weihen empfohlen, das weiß er auch. "Im Herbst will ich bei einem großen Marathon starten." Auch Mayer hat nach ihrem Marathondebüt heuer noch einiges vor, will "definitiv" die 2:30-Marke brechen. Im Ziel klang bei ihr aber auch etwas Demut durch. "In einem Rennen über 42 Kilometer kann sehr viel passieren", hat sie am Sonntag gelernt, am Ende machte ihr schon "eine Mischung aus Übelkeit und körperlicher Verausgabung" zu schaffen.

Einen Marathon, wie hier bei einer Verpflegungsstation auf der Hauptallee, hat auch die Straßenreinigung zu bewältigen.
Foto: APA/TOBIAS STEINMAURER

"Irgendwie witzig", sagte Mayer, "war das Pferd", das auf dem Weg parallel zur Hauptallee eine Zeitlang neben ihr hergaloppierte. Betonung auf "irgendwie". "Ich hab gedacht, hoffentlich bleibt es drüben." Der Reiter hielt die Zügel in der einen Hand und sein Handy, um zu filmen, in der anderen. Das lässt sich eine Schnapsidee nennen, die von der Organisation künftig unterbunden werden sollte – das ruhigste Ross kann stolpern oder erschrecken und durchgehen.

Quasi gestolpert, aber gewiss nicht durchgegangen ist Andreas Vojta, der wie Mayer debütierte und zumindest in den Bereich des heimischen Rekords kommen wollte. Doch die 2:10:06, die Peter Herzog als London-Neunter 2020 erzielte, waren für Vojta flott kein Thema mehr. Nach einem Drittel der Strecke musste er die eigens formierte Gruppe ziehen lassen. Sein norwegischer Laufpartner Sondre Moen kam in 2:10:28 an, Vojta (2:19:27) war davon sehr weit entfernt. "Schnell angegangen, viel riskiert, früh gestorben", fasste er zusammen. "Ich hab die volle Brutalität des Marathons kennengelernt."

Schwacher Trost

Sein bereits 47. Meistertitel tröstete Vojta (33) kaum. "Es hat sportlich einfach nicht gepasst von meiner Seite her. Es ist viel zu früh viel zu zach geworden." Er musste bald auf für ihn bescheidene Kilometerzeiten um 3:30 nachlassen, selbst da tat er sich schwer. "Und dann weißt du, es wird ein langer Kampf." Aufgeben sei allerdings nicht infrage gekommen. "Wenn ich nicht hinfalle und keinen offenen Beinbruch erleide, laufe ich ins Ziel."

Um eine Sekunde verbesserte Julia Mayer den Marathonrekord.
Foto: APA/EVA MANHART

Vojta und Mayer haben als Fernziel die Olympischen Spiele 2024 in Paris vor Augen, wollen sich dafür im Marathon qualifizieren. Sie ist dem Ziel am Sonntag einen Schritt näher gekommen, er nicht. Klar ist, dass Vojta nun Druck verspürt, im Herbst schon einen deutlich schnelleren Marathon laufen sollte. "Jede Sekunde zählt für Paris", sagt Vojta und überlegt, ob er im Sommer vielleicht auch Bahnrennen läuft, um nicht "komplett im Marathontempo zu versandeln".

Hingegen ist für Mayer alles klar. Die Heeressportlerin macht eineinhalb Wochen Urlaub, dann geht es zurück ins Training. Auf Sicht will sie Marathons in 2:26 laufen, dem Ziel ordnet sie alles unter. In den Tagen vor dem Vienna City Marathon musste sogar ihr Freund daheim ausziehen. "Weil ich da schwer auszuhalten bin. Doch keine Angst, jetzt zieht er wieder ein." (Fritz Neumann, 23.4.2023)