Selbst wenn man immer wieder dieselbe Frage stellt, bleibt Fred geduldig und freundlich, beantwortet sie ohne Murren. Ebenso Mona. Die Antworten der beiden sind zwar nicht immer passend, aber sie kommen rasch. Fred und Mona sind Chatbots, und "arbeiten" auf Basis von KI-Technologie für das Finanzamt bzw. das Digitale Amt. So akkurat wie von ChatGPT sind die Antworten nicht, aber für einfache regelmäßig wiederkehrende Themen stellen Fred und Mona in der Verwaltung eine nützliche Hilfe dar.

Entscheidend beteiligt an der Entwicklung dieser Bots war das Bundesrechenzentrum (BRZ), in dem man sich seit Jahren mit künstlicher Intelligenz beschäftigt und versucht, neue Anwendungen zu entwickeln. Seit Herbst gibt es ein Verfahren, das Gerichtsentscheidungen personenbezogene Daten automatisch anonymisiert, sodass im Rechtsinformationssystem (Ris) nur noch für die Öffentlichkeit relevante Informationen zugänglich sind. "Entscheidungen manuell zu anonymisieren dauert lang und ist sehr aufwendig. Das macht nun die KI", sagt BRZ-Geschäftsführer Roland Ledinger. Für Anwälte und Richter seien vergangene Entscheidungen eine wichtige Informationsquelle.

Österreich hat zwar eine KI-Strategie – was da genau passiert, ist allerdings unklar.
Foto: IMAGO/Alexander Limbach

Zudem anonymisiert das BRZ gerade das staatliche Fotoarchiv und arbeitet an einem digitalen Assistenten, der Privatpersonen sowie Unternehmen in der Förderlandschaft unterstützen soll. "In der Verwaltung leben wir in einer wenig strukturierten Welt, weil alles auf Dokumente ausgerichtet ist. KI kann hier mit Mustererkennung helfen. Wenn Dinge gut strukturiert sind, braucht es keine KI", sagt Ledinger.

Scharfe Kritik von Hochreiter

Sowohl in der Privatwirtschaft als auch bei der öffentlichen Hand dominiert mittlerweile die Meinung, dass es ohne KI in der Zukunft nicht gehen werde. Einer sieht darin jedoch nur Lippenbekenntnisse. Völlig unzufrieden mit der Situation ist Sepp Hochreiter, Professor an der Johannes-Kepler-Universität (JKU) in Linz und Pionier in dem Feld. In Österreich fehle eine vernünftige Strategie, die Politik vernachlässige die Forschung und andere Länder ziehen davon, äußerte er jüngst seine Bedenken. Er habe die technische Basis geschaffen für ein "besseres ChatGPT aus Linz", es fehle ihm aber das Geld. DER STANDARD hat berichtet.

Hochreiter bezieht sich mit seiner Kritik auf eine Analyse der Brookings Institution, wonach sich Österreich nur sieben Millionen Euro in KI-Grundlagenforschung investiere. Zum Vergleich: In Schweden sind es 500 Millionen, in den Niederlanden zwei Milliarden.

KI-Pionier Sepp Hochreiter übt schwere Kritik am österreichischen Weg.
Foto: JKU/KLACZAK BARBARA

Ganzheitliche Entwicklung

IHS-Forscherin Elisabeth Frankus sieht die Situation ähnlich: "Nur für die technische Forschung sind die Mittel schon knapp bemessen. Es braucht allerdings eine transdisziplinäre Entwicklung unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Werte und ethischer Aspekte, dafür reicht das Geld auf keinen Fall." Zudem sollten Kooperationen zwischen der Forschung und Unternehmen mit künftigen Anwendungsfeldern gestärkt werden – durch die verhältnismäßig geringe Förderquote sei aber der Anreiz für Firmen oft zu niedrig, sich zu beteiligen.

Auch KI-Expertin Marta Sabou von der WU Wien gibt zu bedenken, dass das Geld nicht reicht – vor allem in Anbetracht des gestiegenen Interesses und der schnellen Entwicklung der Technologie. Im Herbst startete die Förderbank AWS mit der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) eine Initiative, die mit zwölf Millionen Euro finanziert wird. Das ist für Sabou deutlich zu wenig. Sie fürchtet, dass Österreich nicht wettbewerbsfähig bleiben kann, wenn es vor allem in der Industrie nicht am neuesten technischen Stand bleibt. Und dazu brauche es intensive Forschung, die Geld kostet.

Aufholbedarf Grundlagenforschung

Hochreiters Kritik dürfte beim zuständigen Staatssekretär Florian Tursky (ÖVP) angekommen sein, kommende Woche wird er den JKU-Professor zu einem Austausch in Linz treffen. "Die FFG hat KI in den verschiedenen Programmen von 2012 bis 2022 mit 1,3 Mrd. Euro gefördert. Wir haben es also geschafft, gute Förderungen aufzusetzen. Wo es aber noch Aufholbedarf gibt, ist die KI-Grundlagenforschung", sagt Tursky. Experten geben diesbezüglich zu Bedenken, dass ein großer Teil davon an Unternehmen fließe und nicht in die Grundlagenforschung.

"Artificial Intelligence Mission Austria 2030" heißt die österreichische KI-Strategie, die im September 2021 vom Ministerrat angenommen wurde. Als Ex-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) diese vorgestellt hatte, enthielt diese praktisch nichts Konkretes. Sehr viel erfährt man aus Turskys Büro aber nach wie vor nicht.

Überarbeitung angekündigt

Von 91 vorgeschlagenen Maßnahmen seien 62 in Umsetzung oder wurden bereits umgesetzt. Die Strategie solle bis 2024 überarbeitet und aktualisiert werden – eine Übersicht zu den einzelnen Maßnahmen werde man im Lauf des Jahres präsentieren. IHS-Forscherin Frankus bemängelt, dass bisher zu wenig geschehen sei: "Die Strategie enthält grundsätzlich gute Ideen. Sie beschreibt allerdings hauptsächlich Wunschzustände, denn viel umgesetzt wurde noch nicht."

Frankus glaubt, dass KI und deren weitere Entwicklung nicht mehr aufzuhalten seien und deswegen dringender Handlungsbedarf bestehe. "Was passiert gesellschaftlich? Wie wird Bildung beeinflusst? Welche Werte stehen auf dem Spiel?" – Antworten auf diese Fragen müsse man sich bereits bei der Entwicklung überlegen, also bevor die Systeme am Markt sind. (Andreas Danzer, 28.4.2023)